Unerhört – Esther Vilar und der dressierte Mann. Alex Baur
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Vilar: Es ist sicher so, dass sich die Männer sehr wohl fühlen in dieser Rolle. Die Männer sind gerne Sklaven, das ist eben der springende Punkt. Die Männer versklaven sich den Frauen viel zu gerne. Sie sind auf die Frauen vollkommen angewiesen. Und sie fühlen sich am glücklichsten, wenn sie eine Frau haben, die sie beherrscht, die ihnen sagt, wann sie gut waren und wann sie böse waren, ob sie viel Geld verdient haben oder nicht, ob sie ein guter Angestellter sind oder nicht.
Ley (fröhlich): Das ist sehr allgemein. Ich habe mich mit meinen Freunden in der Studienzeit wunderbar verstanden. Ich liebe meinen Mann, ich mag seine Freunde. (Applaus)
Die unverkrampfte Gegenüberstellung von abstrakter Theorie und konkretem Erleben verleiht der Debatte Spannung, jeder kann sich etwas darunter vorstellen. Jeder kann mitreden. Vivi Bach erkennt die Brisanz und lässt der Diskussion ihren freien Lauf. Das Schlusswort überlässt sie Esther Vilar, die nun merklich entspannter redet:
»Es gäbe noch unendlich viel zu sagen. Ich habe mein Buch ›Der dressierte Mann‹ vor allem deshalb geschrieben, weil ich hoffen würde, dass die Frauen ein bisschen, ein ganz kleines bisschen menschlicher werden können. Aber das ist natürlich eine Illusion, ich weiß. Die Frauen werden vielleicht noch lange Zeit die Männer nicht als Menschen, sondern hauptsächlich als Arbeitsroboter betrachten. Es wäre wunderbar, wenn eines Tages der Tag kommen würde, an dem die Frauen ihre Liebe nicht mehr verkaufen würden, denn das ist es, was die Frauen machen, sie verkaufen ihre Liebe. Manche machen es ganz direkt, sie stellen sich an eine Straßenecke und warten auf einen Freier, andere machen es ein bisschen in verfeinerter Form, sie heiraten einen Arzt oder einen Rechtsanwalt, oder einen Abteilungsleiter, aber es kommt auf das gleiche heraus schließlich. Ich denke, die Männer können nichts unternehmen, die Männer sind den Frauen völlig ausgeliefert, sie können sich selbst nicht helfen.«
Buhrufe und tosender Applaus.
Zu den Besonderheiten von Wünsch dir was gehört, dass die Zuschauer während der Sendung ins Studio telefonieren und ihre Kommentare abgeben können. Mit etwas Glück wird man sogar live zugeschaltet und darf ein paar Sätze mit Schönherr austauschen. An jenem Abend laufen die Leitungen heiß. Hunderte von Anrufen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum gehen ein. Es gibt nur ein Thema: die Vilar und der dressierte Mann. Die meisten Anrufer äußern sich ablehnend, viele empören sich, dass man »diese Gans«, »dieses Weib, sofern man sie überhaupt als solches bezeichnen kann« überhaupt auftreten lässt. Einige wenige sind allerdings begeistert, etwa jener Schweizer, der Vilar gleich direkt ins eidgenössische Parlament delegieren möchte, wo seit einer Woche neuerdings auch Frauen zugelassen sind.
Die Bild rückt den TV-Skandal mit fetten Lettern auf die Titelseite: »Ehefrauen nicht viel besser als Mädchen von der Straße«. Das Boulevardblatt lässt die Story während Tagen hochkochen. »Zuseher drohen mit Mord«, weiß der Wiener Kurier zu berichten, 864 Anrufer hätten sich beim ORF innerhalb zweier Tage gemeldet, rund 800 von ihnen hätten sich negativ geäußert. Die Zeit lobt den Mut der TV-Macher (»Schönherr riskierte beinahe alles – und es gelang ihm beinahe alles«), meldet aber auch Zweifel an (»Ob er es vorher wusste, dass sein größtes Risiko im Auftritt von Esther Vilar lag?«). Die Kronen-Zeitung nimmt es mit einer Portion Sarkasmus: »Die personifizierte Provokation hat Schönherr den arglosen Zuschauern via Fernsehschirm ins traute Heim geschickt. Sie war nicht auf Anhieb als solche zu erkennen: ein zierliches Persönchen, scheinbar lieb und rundherum schutzbedürftig. Doch als Esther Vilar den Mund aufmachte, konnte man nicht länger zweifeln: dieses kulleraugige Wesen hat Haare auf den Zähnen. (…) Nun hat Esther Vilar, so scheint’s, die Wahl, totgeprügelt oder aufgehängt zu werden.« Das österreichischen Blatt lässt es sich trotzdem nicht nehmen, Vilars Pamphlet zum dressierten Mann gleich über mehrere Seiten im Original zu zitieren.
Als einziges Blatt kommentiert die Welt am Sonntag Vilars Auftritt mit unverhohlener Sympathie. Die Autorin Edith Geus setzt sich nicht nur inhaltlich mit den Thesen um den dressierten Mann auseinander, sie hat auch das Gespräch mit der Autorin gesucht und lässt diese ausführlich zu Wort kommen. »Natürlich habe ich überspitzt formuliert, ich musste übertreiben, sonst hätte mir keiner zugehört», zitiert sie Vilar, »ich wollte ein Gegengewicht zur Women’s-Liberation- Bewegung schaffen, die ich einfach für unfair halte.« Im Gespräch räumt sie auch ein, dass sie sich selber von der Kritik nicht ausschließe und auch nicht immer konsequent handle: »Wenn ich meinen Sohn nicht männlich erziehe, also dressiere, gilt er unter seinen Kameraden als verweichlicht. Ich kann ihn jetzt nicht zum ersten undressierten Mann erziehen. Dafür ist die Zeit noch nicht reif. Und ich will ihn nicht eines Tages dafür büßen lassen, dass seine Mutter solche Einfälle hatte.«
Doch solche Zwischentöne, das hat Vilar richtig erkannt, sind nicht gefragt. Und letztlich spielte es auch keine Rolle, ob nun die Zustimmung oder die Ablehnung überwog (Letzteres wäre vielleicht sogar noch besser gewesen). Esther Vilar, nur das zählte, war innerhalb von fünfzehn Minuten zu einer Autorin geworden, die jeder kannte im deutschsprachigen Raum, zu der jeder eine Meinung hatte – und die etwas zu sagen hatte.
Die Pointe am ganzen Hype war, dass er weder geplant noch absehbar gewesen war. Eigentlich hatte Schönherr die australische Feministin Germaine Greer für seine Sendung gebucht. Doch Greer musste kurz vor ihrem Auftritt aus gesundheitlichen Gründen absagen. In der Not rief man darauf Esther Vilar nach Wien, die bloß wenige Autostunden entfernt in München lebte. Und die scheue Frau sorgte mit ihrem ersten TV-Auftritt um ihren Erstling gleich für ein publizistisches Erdbeben im oberen Bereich der nach oben offenen Skala.
Am 8. November 1971 vermeldete der Spiegel, Esther Vilar habe nach Hunderten von Anrufen und Tausenden Zuschriften mit Drohungen aller Art kapituliert. Sie wolle nun mit ihrem Sohn Martin in Südamerika untertauchen. Doch das war eine Ente, und es sollte nicht die letzte sein. Jetzt ging es erst richtig los.
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