Perry Rhodan 3055: Die VECU. Michael Marcus Thurner
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Tolot schwieg. Lange. »Nein«, sagte er schließlich. »Mag sein, dass mein Geist dabei verbrennt. Womöglich kommt deshalb kein Dialog zustande.«
Irgendwann machten sie eine Pause. Die drei von der Superintelligenz belegten Wesen wurden in ihre Quartiere zurückgebracht.
Dou versammelte die Mitglieder seiner Expertengruppe um sich.
»Wir sind keinen Schritt weiter«, resümierte er den Zwischenstand. »Die VECU ist nicht zu fassen. Weder in einem bestimmten Strahlungsspektrum noch als Persönlichkeit oder als Wesenheit.«
»Ungeachtet dessen ist sie da.« Marli Willka, die wuchtig gebaute Xenotechnologin, ließ Holos rings um sich entstehen. »Das, das und das sind scheinbare Unreinheiten in den Messverfahren. Ich sage scheinbar, weil ich die Bilder mehrfach überprüft habe. Sie existieren. Sie bilden meiner Meinung nach die VECU ab. Zumindest einen Teil der Superintelligenz.«
»Unsinn!«, mischte sich Chaib Lessing ein. Ein Hyperfeld-Messtechniker, der auf Rudyn aufgewachsen war. »Du kannst nicht jedem Fliegendreck eine Bedeutung zugestehen.«
»Fliegendreck? Erlaube mal ...«
»Ruhe!« Dou hieb mit der flachen Hand auf den Tisch. »Ich will mehr über diese Unreinheiten hören, Marli.«
Willka kramte Cashew-Schokodrops aus einer Tasche und knabberte sie. »Meiner Meinung nach handelt es sich um Peaks. Um geistige Imprintpunkte, die nur für wenige Augenblicke sicht- und erkennbar bleiben. Es ist, als würde jemand für ganz kurze Zeit einen bestimmten Gedanken fassen und ihn gleich wieder, nun ja, vergessen.«
»Soll ich das so deuten«, mischte sich Marje a Hainu ein, »dass die VECU sich selbst vergessen hat und keinen Weg zurückfindet, nachdem ihre Restsubstanz auf sechs Wesen aufgeteilt wurde?«
»Hanebüchener Unsinn!«, behauptete Lessing. »Das würde bedeuten, dass die VECU eine dezentralisierte Persönlichkeit hätte. Dass ihr Geist durchs Hyperspektrum changiert, vom UHF-Bereich bis in den SHF-Bereich!«
»Und darüber hinaus. Weshalb sollte das nicht möglich sein?« Willka schob sich eine weitere Schokonuss in den Mund.
»Auch eine Superintelligenz muss sich an Naturkonstanten halten. Und die sind nun mal unverrückbar.«
Onker Dou klinkte sich geistig aus dem Streitgespräch aus. Er betrachtete die Holos der Xenotechnologin, schob sie hin und her, sortierte sie um. Immer wieder.
»Wie viele Messungen hast du vorgenommen?«, fragte er Willka nach einer Weile.
»Es gab sieben Testreihen«, antwortete sie. »Drei im Abstand von jeweils wenigen Minuten, danach haben wir eine Stunde pausiert und weitere vier Durchgänge durchgeführt.«
»Bei den ersten drei Tests habt ihr deutlich weniger dieser Peaks oder Verunreinigungen verzeichnet. Bei allen Probanden.«
»Richtig. Wir gingen von einer ... einer Bewusstseinszunahme aus. Allerdings ist sowohl bei Tolot als auch bei Assid und Shaupaard jeweils ein Einbruch in den späteren Tests zu bemerken, bevor die Peaks wieder mehr werden.«
»ANANSI? Was meinst du dazu?«
Die Stimme der Semitronik erklang; kurz darauf projizierte sie ein Holo und wurde so zum optischen Ansprechpartner. »Man müsste mehr Untersuchungen machen. Die Häufung der Peaks ist bemerkenswert, selbst wenn es sich tatsächlich um Verunreinigungen beim Messverfahren handeln könnte.« ANANSI machte eine kurze Pause. »Mag sein, dass die VECU sich sammelt und versucht, zu sich zu kommen.«
»Die Wachstumsrate ist bei Tolot weniger stark ausgeprägt als bei Assid und Shaupaard.«
»Das kann Zufall sein«, meinte Willka. »Das Material ist zu wenig aussagekräftig ...«
ANANSI hob die Hand und blickte beiseite, als befände sich außerhalb ihres Holos ein Gesprächspartner.
»Tolot möchte mit dir sprechen, Onker.«
»Her damit!«
Der riesige Kopf des Haluters tauchte übergangslos in einem zweiten Bild auf.
»Was gibt's?«
»Der mentale Druck wird stärker. Das Gefühl, mit flüssigem Metall ausgefüllt zu werden. Ich kann vorerst widerstehen. Aber ihr solltet euch um die anderen fünf Komponententräger kümmern. Besonders um Penelope.«
»Verstanden und danke. Die Mediker sind unterwegs.« Dou wischte durch die Luft, das Holo verschwand. »Los, los! Kümmert euch um die Leute.«
»Assid hätte sich gerührt, wenn ...«
»Vielleicht kann sie es nicht mehr, Thoveno. Da sitzt der Teil einer Superintelligenz in ihr und beherrscht sie womöglich. Schon vergessen?«
Der spindeldürre Ara erhob sich, rückte das rote Tuch auf seiner Stirn zurecht und stakste raschen Schritts davon.
Dou ließ Bilder aus den Kabinen der Komponententräger zuschalten: Tolot ging in seinem Zimmer auf und ab; die Phersunen schliefen; Shaupaard hielt die beiden Handpaare ineinander verschränkt und wirkte seltsam zufrieden; Assid saß ruhig auf einem Sessel und hielt die Augen geschlossen.
»Die biologischen Werte sind in Ordnung«, sagte Dou zu sich selbst. »Es ist alles bestens. Womöglich konzentriert sich die VECU auf Tolot. Schließlich ist er der stärkste Komponententräger. Sie will ihn für sich haben, seinen zweigeteilten Geist infiltrieren ...«
Dou stutzte und betrachtete nochmals das Bild aus Penelope Assids Kabine.
Sie atmete ruhig, der Puls war im Normbereich. Doch ihre Hände krampften sich um die Lehne des Sessels. So stark, dass die Haut um die Knöchel weiß anlief.
»Sie wird von der VECU ruhig gehalten!«, rief er und eilte Matho Thoveno hinterher.
Es waren nur wenige Meter bis zu der gesicherten Wohninsel. Medoroboter waren bereits in die Kabine vorgedrungen und kümmerten sich um die völlig verkrampft dasitzende Xenolinguistikerin. TARAS umringten den kleinen Komplex, ihre Waffen waren aktiviert.
»Die VECU erwacht«, sagte Dou. »Sie greift auf ihre Träger zu.«
»Tolot ist stabil.« Matho Thoveno tauchte neben ihm auf und betrachtete ein handgroßes Analysegerät. »Shaupaards Werte scheinen ebenfalls normal zu sein.«
Dou fühlte, dass es nicht so war. Er ahnte die Katastrophe, ohne sagen zu können, in welcher Form sie kommen würde.
»Höchste Abschirmung!«, befahl er einem seiner Leute. »Ich will mehrfach gestaffelte Schutzschirme. Sichert den Bereich so ab, dass er jederzeit aus der RAS TSCHUBAI gesprengt werden kann.«
»Das ist verrückt«, sagte Thoveno. »Selbst für einen Terranischstämmigen.«
»Ich bin Epsaler. Es ist Jahrtausende her, dass meine Vorfahren Terra verlassen haben.«
»Jaja, schon gut.« Thoveno packte seine schwebende Medotasche. »Wenn du erlaubst, kümmere ich mich selbst um meine Patienten. Vor allem um Assid. Ihr geht es am schlechtesten.«