Jupiter 4: Syndikat der Kristallfischer. Christian Montillon
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»Onezime Breaux«, stellte sich der Neuankömmling in herablassendem Tonfall vor.
Obwohl er offensichtlich ein Terraner und mit den üblichen Gepflogenheiten der Höflichkeit zweifellos vertraut war, streckte er die Hand nicht zur Begrüßung aus. Er ließ auch nicht erkennen, ob er Rhodan und Mondra Diamond erkannte; doch daran konnte es wohl keinen Zweifel geben. Ihre Gesichter gehörten zu den bekanntesten in der gesamten Milchstraße, vom Solsystem ganz abgesehen.
Der Resident spielte mit. »Rhodan«, sagte er. »Perry Rhodan. Danke für deine Gastfreundschaft. Dies sind meine Begleiter Mondra Diamond und Gili Saradon sowie Porcius Amurri und Dion Matthau.«
»Einige von euch kenne ich.« Breaux zog an der Zigarre und atmete eine Wolke aus, die viele wohl als aromatisch empfunden hätten. Rhodan hatte dem Tabakgenuss schon sehr lange abgeschworen.
Soso, dachte Rhodan.
Auf der Außenhülle der Micro-Jet hatten sich rötliche Tropfen abgelagert, die nach und nach verdampften. Feine Rauchfäden stiegen in die Höhe, zerkräuselten und lösten sich auf. Rhodan wies darauf. »Weißt du, worum es sich dabei handelt?«
»Reste von kondensierter Jupiteratmosphäre«, sagte Breaux beiläufig.
»Unser Schutzschirm war bis zuletzt geschlossen. Es kann nicht sein, dass ...«
»Dort draußen lief wohl kaum alles normal«, unterbrach Breaux. »Es herrschen besondere Bedingungen. Große hyperphysikalische Unruhen.«
Zischend verging ein weiterer dieser Tropfen. »Zweifellos«, gab Rhodan zu. »Was geschieht in der Atmosphäre des Planeten genau?«
Onezime Breaux trat einen Schritt vor und schaute seinem Gegenüber genau in die Augen. »Lass es mich so sagen: Armageddon kommt oder ist in vollem Gange. Oder nenn es Götterdämmerung. Falls dir beides zu mystisch und verbrämt klingt, such dir etwas anderes aus. Jedenfalls ist die Atmosphäre des Jupiters ganz gewaltig aus den Fugen geraten.«
»Weshalb?«
Ein spöttisches Lachen. »Wieso glauben Gefangene nur immer wieder, sie hätten das Recht, ständig Fragen zu stellen?«
»Gefangene?«, wunderte sich Mondra Diamond.
»Noch so eine Frage.« Breaux' rechter Mundwinkel hob sich kaum merklich. Offenbar schien er sich prächtig zu amüsieren. Er zog erneut an der Havanna. »Aber gut.« Provozierend langsam faltete er die Hände und bog die Finger durch, bis die Gelenke knackten. »In meiner Eigenschaft als Chef der SteDat von MERLIN, der Stelle für Datenbeschaffung, verhafte ich euch wegen Gefährdung der Station durch Beschuss des Schutzschirms in einer kritischen Situation. Ihr seid sicher vernünftig genug, eure SERUNS nicht zu Kampfhandlungen einzusetzen – sonst werde ich euch zwingen, sie abzulegen.« Damit wandte er sich ab, ohne eine Reaktion abzuwarten.
Gleichzeitig zogen seine sechs Begleiter Waffen und richteten sie auf Rhodans Gruppe.
Mondra Diamond wollte offenbar protestieren, doch Perry Rhodan legte ihr die Hand auf die Schulter: Jetzt nicht.
»Wirklich ein gran-di-o-ser Start ins Wochenende«, sagte Dion Matthau.
Sie wurden zu fünft abgeführt.
Ein letzter rötlicher Schwaden verpuffte auf der Micro-Jet.
Splitter
Es hat Tage gegeben, in denen sich Deshum Hiacu den Kopf darüber zerbrochen hat, wie der Schlafmann so viele unterschiedliche Träume erfinden und sie in die Köpfe aller intelligenten Lebewesen einschmuggeln kann. Denn jeder, der ein Bewusstsein besitzt, träumt auch, davon ist Deshum überzeugt. Darin besteht die vielleicht einzige völkerübergreifende Gemeinsamkeit zwischen Terranern, Blues, Arkoniden, Halutern und wie sie alle heißen.
Diese Tage sind schon lange vorüber.
Heute fragt sich Deshum Hiacu, was geschehen wird, wenn er beim nächsten Mal immer weiter stürzt. Wenn er es eines Tages überhaupt nicht mehr kontrollieren kann.
Er liegt in seinem Bett und zittert. Angst greift nach seiner Seele. Angst vor dem, was kommen wird. Angst davor, dass der Kollaps der Jupiteratmosphäre nur der Beginn ist. Angst wegen all der Menschen an Bord der Faktorei MERLIN, die noch nicht wissen, dass sie in ihr Verderben rennen. Denen noch nicht die Augen geöffnet worden sind, so wie ihm.
Alles ist außer Kontrolle geraten. Eine kritische Grenze ist überschritten.
Es gelingt ihm kaum, die Bettdecke zu fassen und sie über seinen Körper zu ziehen. Die Wärme, die davon ausgeht, erreicht ihn ohnehin nicht. Denn Deshum friert innerlich.
Ein Gedanke frisst sich in seinem Gehirn fest und lässt ihn nicht mehr los: Tau-acht.
Schon daran zu denken, beruhigt ihn.
Eine Sekunde lang.
Danach zittert er wieder, stärker als zuvor. Errinna Darevin, seine tote Geliebte, vergisst er. Sie ist nur noch ein Schemen, irgendwo am Rand seines Bewusstseins. Der Blick ihrer glasklaren Augen verschwimmt wie ein Nebelschwaden. Er denkt nicht mehr daran, dass ihn mörderischer Hunger quält, weil er seit Errinnas Tod nichts mehr zu sich nehmen kann, ohne sich sofort zu übergeben. Seinem Mediker hat er dies verschwiegen.
Die Kosmopsychologin, in ganz MERLIN unter dem Spitznamen Bré junior bekannt, hat erst recht nichts davon erfahren. Sie hätte ihm nur einen endlosen Vortrag gehalten.
Für ihn zählt nur noch eins: jene kleine Lade in seinem Hygieneraum, halb verborgen hinter dem Vibrorasierer.
Jene kleine Lade, in der sein wertvollster Besitz lagert und die er nach seinem letzten Sturz hatte leeren wollen. Zum Glück hat er sich nicht dazu durchgerungen, denn welche Rolle spielt es mittlerweile, ob Tau-acht Nebenwirkungen hat? Was kann schon geschehen? Wie soll es noch schlimmer werden?
Deshum Hiacu steht abrupt auf. Die Welt kippt vor ihm. Sein Herz schmerzt, es dreht sich leicht um seine Achse, eine alte, angeborene Schwäche in Situationen der besonderen Belastung, wenn der Kreislauf revoltiert. Durch den Tau-acht-Konsum ist es nicht besser geworden.
Ihm wird übel. Er lehnt sich gegen die Wand. Mit tiefem Durchatmen ist es dieses Mal nicht getan. Vorsichtig setzt er sich hin, legt den Kopf in den Nacken. Auch das genügt nicht. Deshum streckt sich auf dem Rücken aus, die Beine auf dem Bett abgelegt. Schweiß perlt auf seiner Stirn.
Langsam, sehr langsam, wird es besser. Das Gefühl, ins Nichts abzudriften, verschwindet. Aber er gibt sich keinen Illusionen hin – was ihn eigentlich antreibt, ist das Wissen, was in der Hygienezelle auf ihn wartet.
Eine Minute später wankt er los. Im Spiegel sieht er ein totenbleiches Gesicht. Die Augen sind rot unterlaufen. Die Haare seltsam strohig.
»Machen wir uns nichts vor«, flüstert er. »Wir sind auf Entzug, alter Knabe!«
Er öffnet die Lade. Wie verführerisch der kleine Glasbehälter aussieht.
Um den Tau in Flüssigkeit aufzulösen, nimmt er sich nicht die Zeit,