Virginia und der ehescheue Graf. Barbara Cartland
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Читать онлайн книгу Virginia und der ehescheue Graf - Barbara Cartland страница 6
Doch was er nicht begriff, war, daß Genevieve ihn schon allein deshalb unwiderstehlich fand, weil er als ehescheu galt. Denn noch keiner Frau war es bisher gelungen, den eingefleischten Junggesellen dazu zu bewegen, sie zum Altar zu führen.
Irgendetwas im Kern seiner Persönlichkeit schien sich den Frauen zu verschließen.
Sogar in den Augenblicken größter Nähe spürte Genevieve, daß sie ihn nicht wirklich besaß, daß sein Herz ihr nicht voll und ganz gehörte. Und deshalb vielleicht, gerade weil der Earl sich ihr entzog, weil sie die Begehrende und nicht die Begehrte war, verliebte sich Genevieve in ihn.
Genevieve war tieferer Gefühle nicht fähig, und ihre Hingabe glich eher einem Strohfeuer. Aber sie war eine ungewöhnlich leidenschaftliche Frau, eine Nymphomanin mit dem unersättlichen Verlangen nach jedem Mann, der ihren Gefallen erregte.
Selbst für Genevieves verwöhnte Ansprüche war der Earl ein außerordentlich begabter Liebhaber. Doch umso mehr litt sie unter der Tatsache, daß sie ausgerechnet bei ihm nicht die letzte Befriedigung fand.
Sie war es gewohnt, daß ein Mann ihr zu Füßen lag und ihr Sklave wurde. Sie brauchte das Bewußtsein, einen Mann völlig zu beherrschen. Er mußte sich nach ihr verzehren, sie anbeten als seine Göttin. Und weil das in ihrer Beziehung fehlte, weil der Earl sich Genevieve im Innersten entzog, versuchte sie ihn auf andere Weise an sich zu ketten: Sie faßte den Entschluß, ihn zu heiraten.
Natürlich war dies nicht der einzige Beweggrund für Genevieve. Abgesehen von allen gefühlsmäßigen Motiven war der Earl einfach eine hervorragende Partie.
Keine Frau in ganz England hätte ihm einen Korb gegeben, wäre er mit der Bitte zu ihr gekommen, die Seine zu werden.
Auch ohne die Geschichten, die man sich von seinem unermeßlichen Reichtum erzählte, brauchte eine Frau ihm nur gegenüberzustehen, um auf der Stelle ihr Herz an ihn zu verlieren.
Genevieve zog also alle Register ihrer Verführungskunst, bot all ihren Charme und all ihre Liebenswürdigkeit auf, um den Earl an sich zu fesseln.
Erfolglos.
Es war ihr zwar ein leichtes, seine Begierde zu entflammen, und er zeigte sich ihr gegenüber von einer geradezu verschwenderischen Generosität. Aber nie kam das Wort 'Ich liebe dich!' über seine Lippen. Im Gegenteil, um seine Lippen spielte stets ein feines, zynisches Lächeln, wenn er sich mit ihr unterhielt. Und seine Stimme war nie, ohne diesen spöttischen Unterton, den sie an ihm so haßte.
Sie wußte sehr genau, daß er sie im Grunde nicht brauchte. Wenn er sie spät in der Nacht verließ, war sie nie wirklich sicher, ob sie ihn wiedersehen würde. Und oft genug hatte sie die Befürchtung, daß er sie buchstäblich auf der Stelle vergaß, sobald er ihr Haus verlassen hatte.
Wenn Genevieve ehrlich zu sich war, mußte sie zugeben, daß sie unter dem Earl litt. Daß er sie in Wirklichkeit regelrecht zum Wahnsinn trieb.
»Wann wirst du mich endlich heiraten, Osric?« fragte sie eines Nachts, während sie sich fest in seine Arme schmiegte und nur die Flammen des Kaminfeuers ihr Schlafzimmer erhellten.
»Du bist unersättlich, Genevieve«, erwiderte der Earl.
»Unersättlich?« fragte sie.
»Ja«, antwortete er. »Gestern habe ich dir einen Brillanten geschenkt. In der vergangenen Woche waren es Rubine. Und wenn ich mich nicht irre, kaufte ich dir in der Woche davor eine Smaragdbrosche, die Dir so gefiel. Ich muß sagen, du bekommst nie genug!«
»Bitte? Jetzt geht es doch nur um einen kleinen Goldreif?« bat sie flüsternd.
»Das ist das einzige, was zu verschenken ich mir nicht leisten kann, meine Liebe.«
»Aber warum nicht? Wir würden so glücklich sein, das weißt du doch auch.«
»Was nennst du glücklich?«, fragte der Earl ausweichend.
»Für mich besteht das Glück darin, mit dir zusammen zu sein«, erwiderte Genevieve. »Du weißt, daß ich dich glücklich machen kann.«
Sie schmiegte sich enger an ihn. Gleichzeitig bog sie den Kopf zurück und hob ihm ihre halbgeöffneten Lippen entgegen.
Er blickte auf sie nieder, und sie vermochte den Ausdruck in seinen Augen nicht zu deuten.
»Ich liebe dich«, sagte sie. »Heirate mich! Bitte, mach mich doch zu deiner Frau!«
Statt einer Antwort beugte er sich über sie und verschloß ihr mit einem heftigen Kuß den Mund. Die Leidenschaft schlug wie eine Woge über ihnen zusammen, und die Welt um sie herum versank.
Erst später, nachdem der Earl gegangen war, erinnerte sich Genevieve daran, daß sie auf ihre Frage keine Antwort erhalten hatte.
Noch immer starrte der Earl auf die drei Briefe, die Genevieves Schriftzüge trugen. Seine Augen hatten einen harten Ausdruck angenommen, und er spürte, wie sein Unwille und seine Verärgerung immer stärker wurden.
Dann gab er sich einen Ruck. Er streckte die Hand aus und griff nach dem vierten Brief, dessen Schreiberin ihm unbekannt war.
»Wenn sie meine Dienste nicht mehr benötigen, Mylord, und keine weiteren Instruktionen für mich haben«, sagte Mr. Grotham respektvoll, »bitte ich um die Erlaubnis, mich zurückziehen zu dürfen.«
»Ich glaube mich zu erinnern, daß ich heute Abend bei den Devonshires zum Dinner eingeladen bin,« sagte der Earl mit einem fragenden Unterton in der Stimme. »Ist das richtig?«
»Ja, Mylord. Ich habe dem Kutscher bereits die nötigen Anweisungen gegeben.«
»Welchen Bescheid haben Sie Lady Chevington auf ihre Einladung nach Epsom gegeben?«
»Noch keinen, Mylord. Sie wollten damit bis nach Ihrer Rückkehr von Newmarket Heath warten.«
»Nun, dann schreiben Sie, daß ich annehme«, sagte der Earl knapp.
»Sehr wohl, Mylord. Und darf ich Eure Lordschaft zu Ihrem heutigen Sieg beglückwünschen?«
»Der Stallmeister wird Ihnen davon erzählt haben, nehme ich an«, versetzte der Earl. »Ja, das Rennen verlief äußerst zufriedenstellend. Ich glaube, aus Delos wird noch etwas werden.«
»Ich wünsche es sehr, Mylord. Ich wünsche es wirklich von ganzem Herzen.«
»Danke, Grotham. Haben Sie einige Shilling auf ihn gesetzt?« fragte der Earl.
Stolz antwortete der Sekretär: »Ja, Mylord. Jeder im Haus hat das getan. Wir alle setzen größtes Vertrauen in das Urteil Eurer Lordschaft.«
Mr. Grotham verließ den Raum und zog leise die Tür hinter sich ins Schloß.
Der Earl stellte fest, daß er immer noch den Briefumschlag in der Hand hielt und öffnete ihn mit dem Brieföffner. Er entfaltete den Bogen und überflog die wenigen Zeilen. Falls jemand beabsichtigt hatte, ihn mit diesem Schreiben in Erstaunen zu versetzen, war ihm das rundherum gelungen.
Immer wieder las er die wenigen, in eleganter, klarer Schrift zu Papier gebrachten Worte: »Was zum Teufel, hat das zu bedeuten?«