Interkulturelle Kompetenz bei der Feuerwehr. Alexander Scheitza

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Interkulturelle Kompetenz bei der Feuerwehr - Alexander Scheitza

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der biedermeierliche Bürger das Militär zurecht als ein Unterdrückungsinstrument einer autoritären Obrigkeit, von deren Kriegen er – mit Ausnahme der wirtschaftlich profitierenden Kriegsgewinnler – ohne persönlichen Nutzen die Lasten zu tragen hat, so wandelt sich der Stellenwert des Militärs innerhalb einer Generation grundlegend. Tobias Engelsing beschreibt diesen Prozess einer sozialen Militarisierung: »Die Hochschätzung militärischer Umgangsformen, die Bedeutung militärischer Ränge (›Reserve-Offizier‹-Titel), der Ehrenkodex der Armee und andere Charakteristika des seit dem Deutsch-Französischen Krieg mit einem beispiellosen Ansehen ausgestatteten Militärs prägten das Bewusstsein auch der bürgerlichen Schichten.« (Engelsing, 1999, S. 60).

      Bild 2: Die Feuerwehr Lemgo 1925 (Quelle: Archiv Freiwillige Feuerwehr/Alte Hansestadt Lemgo) [zurück]

      Hatte man Christian Hengst in Durlach noch 1846 bei seinen Übungen mit spöttischem Unterton »Soldatenspielerei« zum Vorwurf gemacht, so wird jetzt das im Rahmen der Ausbildung und im Einsatz praktizierte militärische Vorgehen von der taktisch notwendigen Struktur in gewisser Weise zu einer gelebten Wesensart. Bei den Berufsfeuerwehren wird im Zuge der Professionalisierung der Ausbildung von Offizieren der Rang eines Reserveoffiziers beim Militär, bevorzugt der eines automatisch mit einem Ingenieurstudium verbundenen Pionieroffiziers, zur Einstellungsvoraussetzung. Lassen wir in Bezug zur Freiwilligen Feuerwehr wieder C. D. Magirus zu Wort kommen: »Die Grundlage der freiwilligen Feuerwehr ist Vorsicht in [20]der Aufnahme der Mitglieder. Zweifellose Ehrenhaftigkeit muss Grundbedingung der Aufnahme sein und jede unehrenhafte Handlung muss den Ausschluss zur Folge haben. […] Die freiwillige Feuerwehr hat die Aufgabe, die besten Kräfte der Einwohner des Ortes in sich zu vereinigen und dies ist nur erreichbar, wenn sich das Corps durch die angedeuteten Grundsätze die Achtung der Behörden und der Bevölkerung sichert. Uniformierung und militärische Organisation ist unerlässlich.« (Magirus, 1877, S.239).

      Unter diese Kriterien fällt auch eine gesellschaftliche Minderheit, nämlich die jüdischen Bürger des wilhelminischen Kaiserreichs. In keinem anderen Staat Europas genießen sie eine so weitreichende bürgerliche Emanzipation und engagieren sich je nach individueller Möglichkeit für den deutschen Staat. Erstaunlich häufig finden sich bereits unter den Gründungsmitgliedern Freiwilliger Feuerwehren ortsansässige jüdische Mitbürger (vgl. Schamberger, 2013). Über Jahrzehnte engagieren sie sich einerseits in der Weiterentwicklung ihrer Wehr und andererseits im aktiven Einsatz zum Wohle des Nächsten (vgl. Wegener et al., 2013).

      Das neue Jahrhundert beginnt am 16. August 1900 mit der Gründung des »Großer Internationaler Feuerwehrrat«, der Vorgängerinstitution des heutigen CTIF (Comité Technique International de prévention et d’extinction du Feu). »Wesentlicher Leitgedanke war damals, Kongresse und Symposien in regelmäßigen Abständen zu organisieren, um den Brandschutz länderübergreifend zu fördern. Gründungsmitglieder waren auch der Deutsche Feuerwehrverband und der Österreichische Feuerwehrreichsverband […].« (https://de.wikipedia.org/wiki/CTIF, abgerufen am 21.08.2019).

      Schwierigkeiten in der Mitgliedergewinnung und beim Verbleib in der Feuerwehr sind keine Phänomene der Gegenwart. Schon beim 18. Deutschen Feuerwehrtag 1913 in Leipzig lamentiert ein Brandmeister Hämel aus Bogutschütz (Schlesien): »Der heutigen Jugend fehlt der Ernst. Tanzen, Kneipen und allerlei Sport findet mehr Anklang und wird betrieben.« (Hämel, 1913, S.239ff). Auf Basis einer repräsentativen Erhebung stellt er fest, »daß der Bürgerstand immer mehr aus den aktiven Reihen der Wehr scheidet. Unter den älteren Kameraden findet man wohl noch biedere Handwerksmeister, Kaufleute, Beamte, ja zuweilen noch Akademiker, aber unter der jüngeren Generation fehlen diese Gesellschaftsklassen fast ganz.« Hämel thematisiert diverse Ursachen, so z. B. den auch heute gelegentlich vernehmbaren Vorwurf einer herablassenden Behandlung der Freiwilligen Feuerwehren seitens der Berufsfeuerwehren als »Feuerwehrleute 2. Klasse, Liebhaberfeuerwehren oder Laienfeuerwehren«.

      Die in den Jahrzehnten vor dem 1. Weltkrieg entstehende und stark wachsende Arbeiterbewegung stellt eine bis dato fremde respektive be-fremd-liche Strömung [21]dar. Mit ihrer Integration tut sich die Feuerwehr eher schwer. Hämel konstatiert: »Nun kommt noch in letzter Zeit als Neuerscheinung hinzu, daß auch in manchen Orten der Arbeiterstand versagt, da die Sozialdemokratie gegen die freiw. Feuerwehr arbeitet, weil sie auf patriotischem Standpunkt steht.« Ein Redner namens Pritzsche relativiert allerdings: »Ich bin überhaupt mit den Sozialdemokraten fast immer gut fertig geworden. Die Leute blieben stets sachlich und hatten meist ganz vernünftige Einwendungen zu machen. […]« (S.89)

      Der wilhelminische Militarismus führt letztendlich zu einem traurigen Tiefpunkt in der Entwicklung der Feuerwehren, nämlich dem begeisterten Engagement unzähliger Feuerwehrangehöriger beim Flammenwerfer-Regiment unter Führung des Leipziger Branddirektors Dr. Bernhard Reddemann. Reddemann hat als Co-Erfinder dieser schrecklichen Nahkampfwaffe, bei der er, verkürzt dargestellt, bei Gasdruckspritzen das Löschmittel »Wasser« schlichtweg gegen »Flammenöl«, d. h. ein auf der Feuerwache in Posen eigens entwickeltes Benzin-Öl-Gemisch ausgetauscht hat, auf die Technik von Löschgeräten zurückgegriffen (vgl. Schamberger & Schrammen, 2010). Nach den ersten Erfahrungen mit dieser schrecklichen Waffe beauftragen auch andere europäische Kriegsteilnehmer in erster Linie ihre Brandbekämpfer mit der Entwicklung einer solchen Waffe, so z. B. die französische Armeeführung die Pariser Berufsfeuerwehr (vgl. Wictor, 2010).

      1.5 In der Weimarer Republik: Auf der Suche nach einer Rolle im neuen System

      So manche Freiwillige Feuerwehr steht mit dem Ende des 1. Weltkriegs vor existenziellen Problemen. Viele Kameraden sind gefallen, andere verstümmelt und traumatisiert zurückgekehrt, ganze Jahrgänge junger Männer sind ausgedünnt. Viele Arbeiter, Handwerker oder der kaufmännische Mittelstand haben unter der wirtschaftlichen Not in einem Umfang zu leiden, der neben dem alltäglichen Überlebenskampf ein ehrenamtliches Engagement häufig ausschließt.

      Die Mehrzahl der Feuerwehren stehen, ebenso wie die übrigen Reichsbürger, der neuen, ungewohnten und damit fremden Regierungsform mit einer inneren Unsicherheit gegenüber, jedoch nicht nur das. Tobias Engelsing hat es in seiner Abhandlung über die Sozialgeschichte der Freiwilligen Feuerwehr von 1830 bis 1950 für den Raum Baden treffend auf den Punkt gebracht: »Der Personalmangel der Freiwilligen Feuerwehren besserte sich mit dem Versailler Friedensvertrags vom Juni 1919 […]. Als Folge dieser Vertragsbestimmungen gewannen […] solche Organi[22]sationen neuen Zulauf, die militärische Strukturen aufwiesen und als Ersatz für das verlorene Militär gelten konnten […]. Die Schrecken des Krieges verblaßten, was blieb waren die ›Heldentaten‹, derer sich auch Feuerwehrleute wieder rühmen durften. Da konnten die Taten der Kriegsteilnehmer der Jahre 1914/18 endlich zum erzieherischen Vorbild der Jugend des Jahres 1923 werden« (Engelsing, 1999, S. 114 f.)

      Bei den Berufsfeuerwehren müssen sich die verunsicherten Offiziere erst an ihr neues Berufsbild als Oberbeamte einer Technischen Kommunalbehörde gewöhnen. Manche haben sogar in den Wirren der Novemberrevolution mit den Beauftragten der verhassten Arbeiter- und Soldatenräte verhandeln müssen. Auf dem 15. Verbandstag des V. D. B. (Verein Deutscher Berufsfeuerwehroffiziere) beschließt man u.

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