Sophienlust Box 17 – Familienroman. Patricia Vandenberg
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»Du bist ein kleines Luder. Hundertprozentig ist man bei dir nie sicher, woran man ist«, antwortete Hanko Borek lächelnd. »Jedenfalls bleibe ich so lange hier in der Wohnung, bis ich etwas von dir höre. Die zweihundert Mäuse brauchst du hoffentlich nicht selbst.«
»Ich habe nur noch hundert. Aber bis Paris wird das reichen. Kurtchen wird hoffentlich keine Abrechnung von mir verlangen. Wenn ich denke, was er für das Abendessen heute ausgegeben hat. Bloß mir gegenüber ist er so knauserig. Er kauft mir zwar das, was ich möchte, aber bares Moos rückt er einfach nicht heraus, das dicke Ekel.«
»Du schaffst es schon. Vor allem musst du erreichen, dass er ein Testament aufsetzt, das dich zur Erbin macht. Das kannst du schließlich verlangen, wenn er dir einerseits die Ehe verspricht, andererseits aber noch gar nicht von seiner Verflossenen geschieden ist. Mit dem Testament bist du finanziell erst einmal abgesichert. Alles weitere überlegen wir später. Um die Reise mit Schlüter könnte man dich beinahe beneiden. Aber vergiss nicht, dass du die Zeit gut nutzen musst.«
»Erstens würde ich lieber mit dir reisen als mit Schlüterchen, und zweitens vergesse ich ganz gewiss keine Minute, was wir vorhaben, Hanko. Ich bin doch nicht dumm. Es ist außerdem ziemlich gemein von dir, dass du sagst, ich wäre nicht zuverlässig. Ich bin dir treu wie Gold, und das weißt du ganz genau.«
Hella schmiegte sich zärtlich an Hanko. Er streichelte ihr Haar und lächelte über ihren Kopf hinaus ins Leere. Ja, die blonde Hella von Walden war ihm – Hanko Borek – hörig. Er selbst benutzte sie allerdings nur als Mittel zum Zweck. Als Mittel dafür, an die Millionen von Kurt Schlüter heranzukommen, und zwar um jeden Preis.
*
Während Hella von Walden und Hanko Borek Zärtlichkeiten austauschten, saß Kurt Schlüter in seiner prunkvollen Villa am Schreibtisch und addierte Zahlen. Das war seine Lieblingsbeschäftigung. Er tat es sogar noch nachts, denn er wollte ganz sichergehen, dass im Laufe seiner dreimonatigen Abwesenheit alles, aber auch alles genau nach seinen Weisungen und Plänen durchgeführt wurde.
Endlich kam er bei seiner Rechnerei zu einem Abschluss. Nun schloss er die Augen und dachte an seine Frau Angela, die sich so hartnäckig gegen eine Scheidung sträubte. Er dachte auch an seinen kleinen Sohn Bastian, der für seinen Geschmack viel zu weich und schwächlich war, und schließlich an Hella von Walden, die Frau, mit der er in Zukunft in der Gesellschaft glänzen wollte. Sie war seiner Ansicht nach die richtige Partnerin für einen Mann wie ihn. Sie würde die Feste in seinem Haus zu arrangieren wissen und auch Bastian so erziehen, wie es für den Sohn von Kurt Schlüter unerlässlich war. Bastian würde eine Erziehung erhalten, wie sie früher den jungen Adeligen auf den großen Gütern zuteil geworden war – eine Erziehung zu stahlharten Männern! Er durfte sich nicht mit Kleinigkeiten aufhalten, sondern musste stets die große Linie im Auge behalten und konnte sich Zimperlichkeiten nicht leisten.
Nun, Hella von Walden war sicherlich nicht zimperlich. Kurt Schlüter gab sich keinen Illusionen über dieses schöne blonde Mädchen mit den eisblauen Augen hin. Hella liebte wahrscheinlich nicht ihn, sondern nur sein Geld und seine Stellung in der Gesellschaft. Auch er selbst empfand für das Mädchen keine echte Zuneigung. Hella sah sehr gut aus und entsprach aufs Haar seiner Vorstellung von der Frau, die er an seiner Seite haben wollte, aber Liebe … Ach, Liebe gab es im Leben des Generaldirektors Schlüter schon lange nicht mehr. An die Stelle der Gefühle war das Bankkonto gerückt. Für sein Geld konnte sich Kurt Schlüter aus vollem Herzen begeistern – und immer wieder für sein gesellschaftliches Ansehen für die Rolle, die er in Wirtschaftskreisen spielte.
Bastians Vater klappte die Arbeitsmappe zu. Er löschte die Lampe auf dem Schreibtisch und begab sich zu Bett. Henry, der zugleich die Rolle des Butlers im Haus wahrzunehmen hatte, gähnte verstohlen und wünschte eine gute Nacht. Es wurde oft sehr spät im Haus des Generaldirektors. Trotzdem musste Henry am Morgen Punkt sechs wieder zum Dienst antreten. Denn Kurt Schlüter war nun einmal auch nicht zimperlich.
*
»Also, es geht nicht mehr, Andrea! Kannst du diesen unglücklichen Hund im Tierheim aufnehmen?«
Denise von Schoenecker saß ihrer hübschen, jung verheirateten Stieftochter gegenüber, die ihr soeben eine Tasse Tee vorgesetzt hatte. Andrea war mit dem Tierarzt Dr. Hans-Joachim von Lehn verheiratet. Neben der Praxis hatten die beiden ein Tierheim eröffnet, das nach ihrem Dackel getauft worden war. Es hieß Waldi & Co., das Heim der glücklichen Tiere! Der Untertitel war eine Parallele zu Nicks Bezeichnung für das Kinderheim in Sophienlust, das er das Haus der glücklichen Kinder nannte.
»Im Tierheim? Aber du hast mir doch eben erzählt, dass diese Dogge gewohnt ist, in einem Bett zu schlafen, bei Tisch zu essen und so weiter.«
Denise nickte. »Es ist unerträglich. Die Kinder finden den Hund ganz einfach lächerlich, und Bastian Schlüter, der das Tier mitgebracht hat, spielt sich fürchterlich auf mit seinem Hund. Ich sehe keinen anderen Ausweg, als den Jungen eine Weile von dem Tier zu trennen, sonst wird er sich in Sophienlust nie und nimmer einleben, sondern ständig mit Wiking herumstolzieren und den Hund kommandieren wie ein General. Das muss ja den Charakter eines Kindes auf die Dauer ruinieren. Was der Vater sich bloß dabei gedacht hat, dem Jungen diesen Hund zu schenken?«
Andrea hob die Schultern. »Wahrscheinlich wollte er seinem Sohn frühzeitig beibringen, wie man Untergebene behandelt«, spottete sie, denn ihre Eltern hatten ihr bereits von Kurt Schlüter erzählt und diesen nicht gerade als sympathischen Zeitgenossen geschildert. »Aber ich kann Wiking natürlich hier aufnehmen. Allerdings garantiere ich nicht dafür, dass er den gelernten Zirkusunsinn beibehält, den man ihm eingedrillt hat. Wahrscheinlich wird er bald mit Severin Freundschaft schließen und mit meiner schwarzen Dogge um die Wette aus dem Napf schmatzen, sobald das Futter nur in Reichweite ist. Dann wird es mit dem manierlichen Essen sehr bald vorbei sein.«
Andrea besaß eine bildschöne schwarze Dogge, die Severin hieß und von ihr einst gesund gepflegt worden war.
»Die Manieren des Hundes Wiking sind mir ziemlich gleichgültig. Ich könnte mir allerdings denken, dass Bastians Hund glücklicher wäre, wenn er sich nicht dauernd beherrschen und sozusagen gegen seine normalen Instinkte leben müsste. Man fragt sich manchmal, ob solche Dressuren nicht an Tierquälerei grenzen und verboten werden sollten.«
»Recht hast du, Mutti. Also, betrachten wir Wiking als einen notleidenden Hund und nehmen wir ihn im Tierheim Waldi & Co. auf. Hoffentlich nimmt es der kleine Junge nicht zu tragisch.«
Denise schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Er liebt den Hund nicht. Er ist bloß stolz darauf, dass er ein so außergewöhnliches Tier besitzt und alle damit tyrannisieren kann. Wenn wir aus Bastian einen normalen Jungen machen wollen, muss der Hund für eine Weile aus seiner Reichweite entfernt werden. Ich verliere sonst eines Tages noch die Geduld. Frau Rennert ist auch schon ganz nervös geworden.«
»Also gut, ich bin einverstanden, Mutti. Bringt mir das Wundertier. Ich habe Wiking ja neulich in Sophienlust schon bewundert. Besonders schön finde ich ihn nicht. Aber vielleicht hat er eine schöne Seele. Bei uns kommt es auf ein Tier mehr oder weniger nicht an.«
Das entsprach genau den Tatsachen. Im Tierheim Waldi & Co. gab es eine Braunbärin mit zwei Jungen, zwei Schimpansen, eine Ringelnatter, den alten Esel Benjamin, mehrere Hunde, vor allem Waldis Familie, und noch einiges mehr. Für die Dogge Wiking würde sich auch ein Platz finden, wenn auch nicht gerade am Esstisch der jungen Tierarztfamilie und auch nicht im Gastbett!
Mutter und Tochter plauderten jetzt noch eine ganze Weile über den kleinen Neuling in Sophienlust.
»Ich