Ein Mordsdreh am Jadebusen. Hans Garbaden

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Ein Mordsdreh am Jadebusen - Hans Garbaden

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Ich war als Begleiter für Dreharbeiten im Watt vorgesehen. Mit einem Mann von der Produktion war ich draußen, an der Bake vorbei, an den Seehundbänken entlang bis zur Fahrrinne. Alles habe ich ihm gezeigt. Als wir auf einer Sandbank ein paar Seehunde sahen, war er ganz begeistert. Ich habe ihm erzählt, dass sie früher als Nahrungskonkurrenten des Menschen galten und es für ihren Abschuss Prämien gab. Er konnte gar nicht glauben, dass erst ab 1953, als die Art auszusterben drohte, die Jagd nur noch auf Antrag möglich war. Inzwischen sind sie bei uns ja ganz unter Schutz gestellt. Der Mann wollte sich wieder melden. Aber es passierte nichts, bis ich von einem Kollegen aus Varel gehört habe, dass sie sich für ihn entschieden hätten. Er macht es wohl billiger. Der Kerl vom Film hat mir damals seine Visitenkarte gegeben, ich muss sie noch irgendwo haben.“ Er nestelte aus der Gesäßtasche seiner Hose eine Geldbörse und holte eine verknickte Karte daraus hervor. „Hier hab ich sie. Robert Ketzler, Location-Scout. Scheiß-Location-Scout.“ Damit zerknüllte er die Karte und warf sie wütend unter den Tisch.

      „Tja, etwas billiger war auch wohl das Hotel in Varel“, meinte der Hotelmann Hergen Vesper. „Wir hatten ein Angebot für die Unterbringung des gesamten Filmteams für die Dauer der Dreharbeiten abgegeben, aber den Zuschlag hat ein anderes Hotel bekommen.“

      Die Aufmerksamkeit der Stammtischrunde richtete sich auf zwei Männer, die an der Theke standen und schon reichlich Bier und Korn getrunken hatten und jetzt sehr laut wurden.

      Einer der beiden Gröler war groß, breitschultrig und stark übergewichtig. Sein Schädel war zur Glatze rasiert, die konturlos in einen Stiernacken überging. Er trug einen Kapuzenpulli mit runenartigen Schriftzeichen auf dem Rücken. Seine schwarzen Röhrenhosen endeten in Doc-Martens-Stiefeln.

      Der andere Mann wirkte wie das Klischee eines pseudolinken Revoluzzers. Er war mager bis auf die Knochen, hatte lange, ungepflegte, mausgraue Haare, die mit einem Gummiband zusammengebunden waren, und einen wie von Motten zerfressenen Fusselbart. Bekleidet war er mit einem löchrigen Strickpullover in undefinierbaren Farben und einer ausgebeulten Jeans, die offensichtlich Monate, wenn nicht Jahre, keine Waschmaschine mehr gesehen hatte. An den Füßen trug er Ledersandalen.

      „Was sind das denn für Typen?“ entfuhr es dem Wattyeti.

      Der wie geleckt aussehende Hotelmanager Focko Daul konnte ihn und die anderen – die auch fragend schauten – aufklären.

      „Mit diesen beiden Vollidioten hatten wir in unserem Hotel bei Bürgerversammlungen auch schon unsere Freude. Der große Kerl mit der Glatze ist Raik Lawitzke. Dieser aus dem Osten hergelaufene Strolch ist ein ganz übler Neonazi. Der langhaarige Affe, der Wirrkopf mit dem Zauselbart neben ihm, ist Lars Poppinga aus Waddens. Dieser Kiffer gehört einer linken Gruppierung an. Beide haben etwas gegen die Verfilmung von Franz Radziwills Leben und bilden dagegen eine unheilige Allianz. Der Maler galt ja auf der einen Seite bei den Nationalsozialisten als Vertreter der entarteten Kunst. Deshalb sind die Glatzköpfe gegen die Verfilmung. Auf der anderen Seite war Radziwill lange Zeit ein glühender Verfechter des Nationalsozialismus. Deshalb befürchten die Linken eine Glorifizierung des Malers in der Verfilmung seines Lebens. Man mag es kaum glauben, aber ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Bei der letzten Bürgerversammlung bei uns im großen Saal, als von den bevorstehenden Filmarbeiten berichtet wurde, protestierten die beiden jeweils gemeinsam mit ihren Gesinnungsgenossen dagegen. Während Raik Lawitzke, diese Dumpfbacke, immer ‚Ausländer raus‘ rief, obwohl Radziwill gar kein Ausländer war, störten diese Pseudolinken die Versammlung mit ihren ‚Radziwill-Naziwill‘-Rufen.“

      Hergen Vesper, der andere Hotelmann, ergänzte die Schilderung seines Kollegen. „Diese Burschen sind ja nicht ungefährlich und belassen es bei ihren großspurigen Redensarten. Ich habe es in meinen vorigen Stationen in Rostock und Berlin erlebt. Das Gewaltpotenzial der Rechtsextremen ist größer. Die prügeln doch auf alles ein, was ausländisch aussieht. Die autonomen Linken, die in Berlin und Hamburg Autos anzünden, agieren nicht politisch orientiert, sondern sind Krawallmacher, die nur Randale machen wollen. Das beste Beispiel sind die Vorfälle im Hamburger Schanzenviertel, wo Linksradikale eine Polizeiwache in Brand gesetzt und mehrere Einsatzwagen der Polizei abgefackelt haben. Das politische Weltbild beider Gruppierungen ist doch reichlich verworren. Leider gibt es in der Bevölkerung Sympathisanten für beide.“

      „Komisch“, meinte einer der Krabbenfischer, der bisher noch gar nichts gesagt hatte, „früher haben sich solche Leute bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Fresse poliert, und jetzt machen sie gemeinsame Sache gegen diesen Film.“

      Er trank sein Bier aus und orderte eine neue Runde für den Stammtisch.

      Kalle, der Wirt, hatte einiges von dem Gespräch mitbekommen. Ihn drängte es, etwas zum Thema beizutragen. Als er das Bier brachte, mischte er sich in das Gespräch ein: „Über die Filmerei in Dangast wurde auch auf unserer letzten Gaststätten-Verbandssitzung gesprochen. Die Kollegen in Varel und Dangast versprechen sich für die Dauer der Dreharbeiten einen erhöhten Umsatz. Einer der Kollegen, vielleicht kennt ihr ihn ja, Friedrich Kaupp, er führt die Schifferklause in Dangast, erzählte einen Witz, der aus Schauspielerkreisen stammen soll.“ Kalle nahm die leeren Biergläser an sich.

      Hergen Vesper blickte zum Wirt neben sich hoch. „Und wie geht der Witz?“

      Der räusperte sich. „Ganz einfach. Gehen zwei Schauspieler an einer Kneipe vorbei.“ Die Männer der Tischrunde blickten den Wirt an.

      Der Wattyeti fragte: „Und weiter?“

      „Nichts weiter“, antwortete Kalle. „Schauspieler gehen nicht an einer Kneipe vorbei. Das ist der Witz!“

      Einige der Stammtischbrüder lachten etwas gequält. Nur Focko Daul, der Hotelmann, hatte den Witz verstanden und lachte aus vollem Hals. Als er sich wieder beruhigt hatte, rief er Kalle, der inzwischen mit den leeren Gläsern zur Theke ging, hinterher: „Prima Witz. Darauf noch eine Runde Korn auf meine Kappe.“

       Varel

      Abends, nach dem ersten Drehtag, saß das Team der Valentine Production fast komplett im Restaurant Zum Wattwurm im Hotel Vareler Stern zum Essen zusammen.

      Mittags war auch der Hauptdarsteller des Films, Tim Schumann, eingetroffen. Er hatte seinen ersten Einsatz als junger Franz Radziwill kurz vor Schluss der heutigen Dreharbeiten, am späten Nachmittag gehabt. Jetzt saß er am Tisch des Regisseurs Hanno Ahrens, um den sich noch der Kameramann Wolfgang Kluge, der Oberbeleuchter Bernd Röbge, die Kostümbildnerin Hella Rahde und Claudia Markus, die Continuity-Verantwortliche wie ein Hofstaat herumgeschart hatten.

      Am Nebentisch hatten sich Ferdi Schönert, der exaltierte Nebendarsteller, der Set-Aufnahmeleiter Kai Schmidt, die Regieassistentin Monique Minthorn und Pille, der Produktionsfahrer, platziert.

      An vier weiteren Tischen saßen verteilt der Requisiteur mit seinem Assistenten, die Beleuchter, die beiden Tonleute, die Kameraassistenten, der Maskenbildner Andy Lengner mit seiner Kollegin Uta Berling, zwei Praktikanten und drei Schauspieler, darunter Regina Schönefelder, die als Darstellerin von Franz Radziwills erster Frau Johanna Ingeborg verpflichtet worden war. Die divenhafte Schauspielerin war immer noch wegen des Vorfalls mit ihrem Wohnmobil beleidigt.

      Tim Schumann, Typ Frauenversteher mit grauen Schläfen, führte am Tisch des Regisseurs das große Wort. Er sprach davon, dass er für die Salzburger Festspiele als nächster Jedermann gehandelt würde und seine künstlerische Heimat eigentlich nur das Theater sei.

      „Aber von irgendetwas muss man sich ja seine kleinen Extravaganzen leisten können.“

      Damit spielte er auf die deutlich höheren Gagen bei Filmproduktionen gegenüber den gagen an Theatern an. Alle am Tisch wussten,

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