In seinem mörderischen Element. Gerwalt

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In seinem mörderischen Element - Gerwalt

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ist, dann kaufe ich dir die Story ab.«

      Naomi war sich selbst nicht ganz im Klaren, warum sie sich gerade eben so exponiert hatte, aber sie nahm sich zweierlei vor: Zum einen würde sie einen sehr guten Artikel schreiben. Und zum anderen in diesen zwei Wochen intensiv über ihre berufliche Zukunft nachdenken.

      *****

      NOCH AM ABEND hatte sie ihren Urlaub formell bei Gunnar eingereicht und ein Zimmer in einem badischen Gasthof gebucht, unweit vom Tatort des ersten Mordes entfernt, in einem kleinen Dorf namens Neusatz. Am nächsten Morgen packte sie ihren Koffer, und nach einem üppigen Frühstück mit Rührei und Speck setzte sie sich in ihr Auto. Bald hatte sie Stuttgart verlassen und bewegte sich auf der Autobahn in Richtung Westen. Naomi folgte dem Auf und Ab der A8 bei Pforzheim, fand sich auf den Steigungsstrecken zwischen Lastwagen eingekeilt, die sie wegen der schwachen Motorleistung ihres Kas nicht überholen konnte, ohne sich den Unmut der von hinten auf der Überholspur herandrängenden stärkeren Wagen zuzuziehen. So zuckelte sie mit sechzig Stundenkilometern die Steigungen hinauf, um sich dann wenigstens bergab beherzt auf die Überholspur zu wagen, damit sie etwas schneller vorankam.

      Doch schließlich hatte sie die Ausläufer des Schwarzwaldes überquert und fuhr den Abstieg in die Rheinebene hinunter. Sie bog auf die A 5 in Richtung Süden ein und ließ den Ka mit hundert Stundenkilometern die fast kerzengerade Autobahn entlang rollen, bis sie nach gut einer halben Stunde die Ausfahrt nach Bühl erreichte. Die Weite der Rheinebene tat ihr gut. Die Felder und Kiefernwälder, welche sich links und rechts neben der Autobahn erstrecken, und der sanft geschwungene Höhenzug des Schwarzwalds, dem sie nach Süden gefolgt war, hatten etwas Beruhigendes. Jetzt bewegte sie sich auf die Berge zu, im Näherkommen erkannte sie die Weinberge, die sich bis etwa auf halbe Höhe die Hänge hinaufzogen. Naomi hatte kein Navigationssystem im Auto, sie hatte deshalb die Wegbeschreibung aus dem Internet ausgedruckt und nun auf dem Beifahrersitz liegen. Doch die Beschilderung war recht eindeutig, so dass sie das Gasthaus Traube in Neusatz ohne größere Schwierigkeiten erreichte. Das Hotel – oder besser gesagt: die Pension – mit Fremdenzimmern lag am Rande der Ortschaft, ein weiß verputztes Haus mit naturfarbenen Balken und Fensterläden. Naomis heruntergekommener Ka wirkte merkwürdig deplatziert auf dem gepflasterten Parkplatz. Als sie ausstieg, dachte sie besorgt über die Möglichkeit nach, dass der Motor Öl verlieren und dieses auf die rotbraunen, makellosen Pflastersteine tropfen könnte. Sie ging an dem Vorgarten voller Blumen und Ziersträuchern vorbei in das Haus hinein. Die Eingangstür war aus massivem Holz, in den Griff, welcher sich quer über die Türbreite erstreckte, war eine Weintraube geschnitzt. Drinnen herrschte derselbe Stil vor: massives, aber freundlich helles Holz, weißer Putz an den Wänden. Als Naomi etwas unschlüssig an der Rezeption stand, kam eine Frau auf sie zu. Sie war etwa in Naomis Alter, Anfang dreißig, und trug einen für Naomis Geschmack etwas abenteuerlichen Aufzug: eine rot karierte Bluse, enge und kurze Trachtenlederhosen, dazu rote Ballerinas. Ihre Beine waren schlank und ausgesprochen anziehend, doch auf ihrem linken Oberschenkel prangte ein großer blauer Fleck. Die Frau hatte kurze, etwas zerzaust wirkende blonde Haare, eine prägnante, gerade Nase und graue Augen. Trotz ihrer merkwürdigen Aufmachung fand Naomi sie recht hübsch.

      »Sie müssen Frau Gerber sein«, sagte die Frau, und ihr sächsischer Akzent traf Naomi völlig unerwartet. Sie reichte Naomi die Hand. »Ich bin die Ulli.«

      Immer noch perplex ob des unerwarteten Dialekts schüttelte Naomi Ulli die Hand. »Ich bin Naomi.«

      »Ein schöner Name. Komm, holen wir dein Gepäck rein.«

      Das Zimmer war nicht sehr groß und eher spartanisch eingerichtet, aber hell und freundlich. Naomi stellte ihren Koffer ab.

      Ulli sah sie von der Seite an.

      »Tasse Kaffee und ein Stück Schwarzwälder? Geht aufs Haus.«

      Naomi kämpfte kurz und vergeblich mit sich.

      »Gerne.«

      Sie folgte Ulli also wieder hinunter in den Schankraum.

      Die Sächsin in Lederhosen schnitt zwei große Stücke von der Schwarzwälder Kirschtorte ab, goss Kaffee in zwei Tassen und trug Kaffee und Kuchen zu einem der Tische.

      Naomi trank einen Schluck, dann grub sie ihre Gabel in das Tortenstück. Einen Augenblick lang gab sie sich ganz dem Genuss hin, kostete den Geschmack von Sahne, braunem Biskuit, Schokolade, Sauerkirschen und Schnaps aus. Möglicherweise hatte sie die Augen geschlossen, denn Ulli lächelte amüsiert.

      »Du stammst nicht aus der Gegend, nicht wahr?«, fragte Naomi.

      Ulli nahm einen Schluck Kaffee und lachte.

      »Ei verbibbsch, nee«, sagte sie mit übertriebenem Akzent. »Meine Eltern ham gleisch nach der Wende riebergemacht. Bloß mein Männe stammt aus der Gegend hier.«

      Sie kicherte, und auch Naomi stimmte in ihr Lachen ein.

      »Gefällt es dir hier?«

      Wieder lachte Ulli und klopfte auf ihre Lederhose.

      »Du siehst doch, ich versuche mich anzupassen …«

      Etwas ernster setze sie hinzu:

      »Doch, ich bin gerne hier. Wir haben die ›Traube‹ vor fünf Jahren gekauft und renoviert und zahlen jetzt kräftig ab. Aber es lebt sich hier sehr gut. Die Leute sind einerseits ziemlich geschäftig, aber auf der anderen Seite sehr entspannt. Das gefällt mir.«

      »Ist dein Mann nicht da?«

      Naomi wusste selbst nicht, warum sie fragte, war sie doch erst vor einer halben Stunde angekommen, und Ullis Mann konnte sich sowohl irgendwo im Haus aufhalten als auch zum Beispiel gerade auf eine Besorgung unterwegs sein. Dennoch wusste sie intuitiv, dass Ulli alleine lebte.

      »Mein Mann reist viel. Er ist auf Montage, jetzt gerade in Südafrika. Aber am Wochenende war er da.«

      Ulli lächelte halb sehnsüchtig, halb verloren, und Naomi sah unwillkürlich auf Ullis Oberschenkel mit dem verblassenden Hämatom.

      »Er kommt nur alle paar Wochen, und ich muss den Laden hier notgedrungen alleine schmeißen. Aber wir brauchen das Geld.« Sie brach ab und sah Naomi von der Seite an. »Ich will dich aber jetzt um Himmels Willen nicht mit meinen Problemen zutexten.«

      Sie nahm einen Bissen von der Torte.

      »Und was treibt dich hierher?«

      Naomi dachte kurz nach, dann entschloss sie sich, die Wahrheit zu sagen.

      »Ich mache hier Urlaub. Und gleichzeitig will ich eine Reportage schreiben.«

      »Über die Gegend hier?«

      »Über den Pamina-Mörder.«

      Ganz offensichtlich hatte sie gerade das Falsche gesagt, denn Ullis Miene verschloss sich augenblicklich.

      »Um den wird jetzt schon viel zu viel Aufhebens gemacht«, sagte sie abweisend.

      »Schlecht fürs Geschäft?«

      »Unter anderem auch, ja.«

      Naomi dachte über dieses »unter anderem« nach.

      »Ich weiß noch nicht, ob der Artikel je veröffentlicht wird. Ich schreibe ihn ohne konkreten Auftrag.«

      »Bist

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