Messerwetzen im Team Shakespeare. Ulrich Land

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Messerwetzen im Team Shakespeare - Ulrich Land Mord und Nachschlag

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der Lage war, war ein kaum sichtbares Nicken in Richtung der Housemaid. Als diese sich aber, begriffsstutzig und sattsam abgefüllt wie sie war, keinen Millimeter rührte, hielt Witwe Bull ihre Kerze über die aufgeregt bebenden Köpfe.

      Die Housemaid kapierte sofort, was die Wirtin von ihr wollte, eilte die zweite Hälfte der Treppe hinauf und stellte ihr in leiser Vorahnung schepperndes Scherbentablett auf der Flurkommode ab. Nicht ohne anzuecken, versteht sich, aber wieder gelang es ihr, die Balance des Trümmerhaufens zu halten. Sie staunte nicht schlecht über sich selbst, besann sich aber endlich ihres Auftrags, langte vom Flur aus quasi blind mit dem rechten, wie Espenlaub zitternden Arm ins Todeszimmer und angelte vom Sideboard, das sie gleich hinterm Türrahmen wusste, eine Laterne.

      Kaum entzündet, riss man sie ihr mit den Worten aus der Hand: »Reicht nicht, eine. Wir brauchen mehr von der Sorte! Mehr Licht!« Worauf sich die zerfahrene Truppe aber trotzdem schon mal wieder Richtung Ausgang bewegte, auf der Schwelle in die finstre Nacht da draußen aber kurz ins Stocken geriet.

      Angesichts einer Nacht immerhin, die sich offenbar nicht scheute, noch den übelsten Gesellen ein Versteck zu bieten!

      Genau in diesem winzigen Moment betretener Stille stieß, das brennende Schwefelhölzchen noch in der Hand, die arme Frau im Flur oben mit zittriger Stimme hervor: »Heh, ihr Leut, ihr guten Leute, da – da – da seht! Oh, in nomine Domini!!«

      Helen aber hatte die Faxen endgültig dicke. »Was hat sie jetzt schon wieder zu vermelden?«, rief sie hinauf.

      »Er ist von hinnen!«, kam es heulend und zähneklappernd zurück.

      »Wissen wir, Lady Torfkopp«, schaltete sich die Bull’sche ein, die offenbar ihre Fassung zumindest ansatzweise wiedergefunden hatte. Sie bolzte sich jedenfalls energisch durch den Haufen aufgewühlter Gäste. »Wissen wir, altes Mädchen, halt’s Maul jetzt. Noch ’n Schnaps ist nicht drin.«

      Und indem sie sich weiter treppauf arbeitete, erstattete die angeschickerte Housemaid weiter lallend Rapport: »Er hat sich geschlichen, davongetan! Nimm dein Bett und wandle! War doch keiner hier, außer diesen zwei Figuren hier«, dabei bedachte sie Helen und Kyd eines flüchtigen Blickes, »und außer Dame Eleanor Bull und meiner Wenigkeit. – Der Leibhaftige muss ihm auf die Sprünge geholfen haben!«

      Wie eine schratelnde Ente ihre Jungen zog die Witwe einige Gäste …

      … so auch Helen und meinen geschätzten Dichterkollegen …

      … in einer Reihe hinter sich her und leuchtete, oben angekommen, mit der Kerze an ihrer schlotternden Bediensteten vorbei ins Mordzimmer, unters Bett, hinter die Schranktür und … und kreischte, dass die Balken erzitterten: »Unsre Lady Torfkopp hat recht! So was von recht.«

      Worauf diese wieder in Predigerlaune zu einer salbungsvollen Suada ausholte: »Der Gehörnte muss ihn bei der Hand genommen und von seinem zerwühlten Sterbebett gezerrt haben. Hat die sterbliche Hülle des Reimeschleifers auf die Bein gestellt und sie das Schweben gelehrt. Muss wohl. Und dann: hinaus und raus in den finstren Regen, auf seinem skelettösen Rappen!«

      »Das Bett ist leer!«, resümierte die Wirtin, »nur der Fleck noch, der blutige Bierfleck, groß wie die sieben Weltmeere, der ist noch da.«

      Während es Kyd nun auf ein Neues volle Breitseite traf. »Christopher!«, heulte er und presste sein nasses Gesicht gegen Helens Schulter, »nicht mal seine Leiche ist uns geblieben.«

      Helen zückte ihr Handy und tippte 110 ein. Oder wollte es. Aber, wie immer im entscheidenden Moment: der Akku!

      6

      Der Regen hatte aufgehört. Endlich. Nach Tagen und Tagen. Die pechschwarzen Nachtwolken rissen plötzlich auf und gaben die falbe Ampel am hohen Himmel frei, die sofort ein Silberlicht über die Hügel breitete. Das Bündel aus Fahrspuren, das den Weg vorstellte, war auf weite Strecken von Hecken gesäumt und verlor sich Richtung Norden in einer Schlangenlinie aus weit ausladenden Kurven, die zumindest die höchsten Hügel und steilsten Steigungen umschiffte.

      Die Kutschentüren waren noch nicht ins Schloss gefallen, da schnalzte der Kutscher auch schon mit der Zunge und ließ die langen Zügel auf dem Rücken der Rösser einen wilden Tango veranstalten. Die Peitsche knallte einen Bogen nach dem andern. Was die Tiere endgültig aus ihrem traumvergessenen Dämmern riss und allmählich auf Trab brachte. Direkt hinter der ersten Kurve jagte die Peitsche sie in hämmernden, trotz des Mondlichts halsbrecherischen Galopp. Und sie zerrten die Kutsche hinter sich her wie einen angebundenen Knüttel. Die Räder zermalmten Stock und Stein, ließen die Pfützen prachtvolle Fontänen in die Dunkelheit schleudern, pflügten in den zahllosen Furchen, Kuhlen, Senken den hüfthohen Matsch, als ginge es darum, vor keinem anderen als Freund Hein selbst Reißaus zu nehmen.

      7

      »Keiner, niemand und nicht einer verlässt das Haus!«, meldete sich die keifendkreischende Waschweiberstimme des Constable zu Wort.

      Erst hatte er dem Söhnchen des Bull’schen Pferdeknechts, das ihn da in aller Herrgottsfrüh, kaum dass ein erster Lichtschimmer den Himmel aufhellte, aus den Kissen rief, brüllte, schrie, kein Wort glauben wollen, sich dann aber doch in die Senkrechte begeben, hatte den schweren Filzumhang übergeworfen und war eilenden Schritts die zwei pfützengespickten Meilen zum Gasthaus gestiefelt. Den jetzt stockstummen Knirps im Schlepptau, der sich in stiller Zufriedenheit angesichts des nun doch nicht ohne Erfolgskrönung erledigten Auftrags erging.

      Der Constable also – mit matschtriefendem Schuhwerk und ungefrühstückt – hatte den Fuß noch auf der Schwelle, die Hand noch auf der Klinke, als er das strikte Verbot für jedermann, sich auch nur ein noch so winziges Inch aus dem Haus zu bewegen, in den Raum dröhnte.

      »Ist ja sowieso nur noch knapp die Hälfte da, bis Ihr Euch mal endlich herbequemt«, knurrte Widow Bull.

      »Eben. Und Ihr könnt ja wohl nicht wollen, dass die andere halbe Hälfte sich auch noch vom Acker macht«, erwiderte der Constable, der sich offenbar, wenn er schon zu dieser frühen Stunde niedrigen, widrigen Dienstgeschäften nachzugehen hatte, wenigstens dadurch zu entschädigen gedachte, dass er seine Amtsgewalt in vollem Umfang ausspielte. »Also«, donnerte er, »seht zu, dass alle Türen, Fenster, alle Mauselöcher, Pforten, Poren, und was der Schlupflöcher mehr sein mögen, knalledicht und nochmals fest verriegelt und verrammelt sind!«

      Dann schaltete er auf die amtlich abgeklärte Ruhe um und wurde erst richtig wichtig: »Zu welchem Behufe habt Ihr mich rufen lassen? Zu nachtschlafend nächtlicher Stunde.«

      Happy crime time. Entschuldigen Sie mein Grinsen trotz des traurigen, sehr traurigen Anlasses, aber irgendwie seh ich gerade den schlaftrunkenen Constable in schlecht sitzender Dienstkleidung vor mir, der eigentlich nur eins will: zurück in seine Morgendämmerungsfedern.

      Die Housemaid fühlte sich berufen, dem Hüter des Gesetzes Auskunft zu erteilen: »Eine gar grauslige Mordtat.«

      »Sie hab ich nicht gefragt«, winkte der Constable eingedenk ihres niederen Standes ab, »nicht eine einzige Frage gefragt.«

      »Solltet Ihr aber, Constable!« Das einmal gelockerte Maul ließ sich so leicht nicht wieder in die Schranken weisen. »Wisst ja gar nicht, welcher Chance Ihr Euch benehmt, so Ihr mich nicht …«

      »Zum Henker, schweig sie stille!«

      Aber weit gefehlt. Jetzt verfiel die Housemaid wieder in den sattsam bekannten Predigerduktus. Schließlich durfte sie diesen an jedem Sonntag, den der Herr werden ließ, in einer der letzten Kirchenbänke hockend,

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