100.000 Tacken. Reiner Hänsch

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100.000 Tacken - Reiner Hänsch

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abba ich glaube nich …“

      Aus dem Inneren der Wohnung hören wir dumpf stampfende Beats und tiefe Bässe, Technomucke, und als Dunkeloh auf den Klingelknopf drückt, übertönt eine sehr schrille Glocke ganz locker die Beats.

      Wir erwarten den Herrn Maharadscha voller Aufregung, Spannung und auch ein wenig Beklommenheit. So eine hochherrschaftliche Begegnung hat man ja nicht jeden Tag. Und als die Tür sich langsam öffnet, sind wir doch reichlich erstaunt und auch etwas enttäuscht, keinen indischen Herrscher mit prachtvoll schmückendem Turban, weit geschwungenem Bart, einem weißen Gewand und einem Tiger an der Seite vor uns stehen zu sehen, sondern einen jungen Mann in neonbunten Turnschuhen, der uns mit einem Handy am Ohr fragend ansieht. Die Beats donnern ganz gut. Wie er dabei telefonieren kann, ist uns ein Rätsel, aber er kann’s.

      Vielleicht ist er ja auch nur der Diener des Herrn Maharadscha. Aber er ist auf jeden Fall ein sehr sympathischer Mann mit einer etwas zu großen, ganz unmodernen Brille auf der zarten Nase und leider viel zu dunklen Ringen unter den Augen. Vielleicht muss er nachts lange im Palast arbeiten.

      Ich muss kurz an den Brillenkorb in der Markt-Apotheke in Leckede denken, der immer voller ausgedienter Sauerländer Brillen ist, die dem Schild zufolge nach Indien geschickt werden sollen. Immer hoffe ich beim Anblick dieses Korbes zusammengewürfelter, ausrangierter und hässlicher Brillen, dass die Inder aus dem Korb auch die Gestelle mit der richtigen Dioptrienzahl herausfischen werden, wenn der Korb dann mal in Indien landet. Unser junger Mann hat sicherlich nach Dioptrien ausgewählt, denn schön ist das Gestell nun wirklich nicht.

      Ansonsten ist der Mann von kleinerer, fast zarter Statur und sicherlich sanftem Wesen. Sehr nett.

      „Mommand!“, sagt er in das Handy und es soll wohl „Moment“ heißen. Aber es klingt, als hätte Herr Bhatta…dingsda eine heiße Kartoffel im Hals stecken. Dann sagt er zu uns: „Jo, bidda?“, was wohl „Ja, bitte?“ heißen soll.

      Herr Dunkeloh geht zwangsläufig wieder in den Makler-Aktionsmodus und sagt recht laut, um die Beats zu übertönen: „Härr Bhattacharya, dat sin Härrschaften, die sich für dat Haus interessiert haben.“ Aha, wir sind schon in der Vergangenheit. Vermutlich hat er uns als potenzielle Käufer schon längst abgeschrieben. „Es soll ja verkauft werden, woll. Äh, wir könn’n grade sicher nich’ in Ihre Wohnung?“, fragt Dunkeloh voller Hoffnung, wie mir scheint.

      Doch Herr Bhattacharya hebt die linke Hand, er muss noch einmal kurz etwas in seiner Kartoffelsprache in das Handy sagen, aber der Lärm aus der Libanon-Wohnung stört dabei doch gewaltig. Da verwandelt sich der junge, sanfte Herr Inder plötzlich in einen wütend fauchenden bengalischen Tiger, macht einen federnden Satz auf die arabische Tür zu, bollert mit aller Kraft dagegen und brüllt mit der Kartoffel im Hals: „Terrowisten! Terrowisten! Stopp de Rradau. Stopp de Rradau! Scheise Kameltweiberr!“

      Dabei bollert er recht ungehalten und für so einen schmächtigen kleinen Inder erstaunlich kräftig gegen die libanesische Tür, die aber standhält, und der orientalische Lärm verstummt tatsächlich für einen kleinen, hoffungsvollen Moment. Nur der Schlangenbeschwörer setzt sein schräges Spiel unermüdlich fort.

      „Värrpiss disch, Kanacke!“, kommt es dann aus dem Holz der Tür, aber der Inder hört gar nicht mehr hin, sagt nur noch mal kopfschüttelnd „Scheise Kameltweiberr“ und dann wendet er sich betont freundlich an uns.

      „Bidda, komman Sie rrein!“ Und er tritt höflich zur Seite, um uns einzulassen. Vielen Dank. Hinter uns geht die Kameltreiber-Party munter weiter.

      Die Wohnung des freundlichen Radschas riecht nicht nach Räucherstäbchen und wir hören auch keine Sitarmusik, sondern nur diesen Techno-Beat aus einem riesigen Ghettoblaster, dessen Leistung der Inder jetzt allerdings freundlicherweise drosselt. Die Wände sind nicht mit wertvollen Teppichen und Seidenstoffen behängt und es räkeln sich keine schönen indischen Jungfrauen auf dem Sofa. Wahrscheinlich aber auch, weil das gar nicht gehen würde, denn dieses Sofa ist über und über mit CDs, Diskettenlaufwerken, Festplatten und was weiß ich noch allem übersät. Die ganze Wohnung ist ein einziges Chaos aus elektronischen Geräten und Computerkram. Monitore, Rechner, Kabel … alles liegt zwischen Getränkedosen und leeren Pizzakartons überall herum und zeugt von Herrn Bhatta…charyas Interesse für die moderne Welt der Informationstechnik. Ein interessierter junger Mann also, der offensichtlich wenig Zeit und viel Arbeit hat! Sehr schön. Das sieht man doch gern.

      Und da Herr Bhatta…charya so unglaublich viel zu tun zu haben scheint – das Handy klingelt schon wieder –, gebe ich Herrn Dunkeloh zu verstehen, dass wir ihn bei seiner elektronischen Arbeit dann auch nicht weiter stören wollen. Also lächeln wir ihm noch einmal zu und lassen ihn wieder in seinem sympathischen Chaos allein. Die Wohnung ist aber sehr schön geschnitten. Die Techno-Beats bollern wieder.

      „Ganz oben, geg’nüber vom Vietkong …“, Herr Dunkeloh unterdrückt einen albernen Lacher, „… wohnt noch der Härr Wukuada“, ruft er über den arabischen Lärm und die Beats. „Der is‘ abba nich zuhause. Der studiert, woll?“

      „Wukuada?“

      „Ja, der kommt aus …“

      Dann macht er eine bedeutungsvolle Pause, um für das letzte Land dieser Erde noch mal kräftig Anlauf zu nehmen. Und dann sagt er: „Ghana.“ Und damit scheint er jetzt dann wohl endlich durch zu sein. Alle Länder der Welt sind in seiner heutigen Führung vorgekommen. Und wie es aussieht, ist er ganz froh, es endlich hinter sich gebracht zu haben. Wir haben praktisch alles gesehen.

      Griechenland, Türkei, Russland, Deutschland, Vietnam, Libanon, Indien und … jetzt dann auch noch Ghana. Die ganze Welt unter einem Dach. Ist das nicht wunderbar!

      „Ach“, sagt der arme Herr Dunkeloh dann und fasst sich an den Kopf, einen habe er noch vergessen. „Es gibt ja noch Härrn Wozniak hint’n im Hof, im Anbau, woll.“ Dabei deutet er zu einem der Treppenhausfenster nach hinten raus, ohne selber hinzugucken. „Der betreibt da so ’ne kleine Druckerei. T-Shirts, Flyer, Plakate und so … woll. Is‘ aber auch wohl Künstler un malt.“

      Aha. Wir blicken durch das halbblinde Treppenhausfenster nach unten in den Hof und sehen ein Gebäude, das irgendwie gar nicht hierherzugehören scheint. Es sieht aus, wie aus einer großen Parkanlage hierher verbannt. Wie ein alter Teepavillon wirkt es fast. Es ist rund und flach und hat in der Mitte oben eine gläserne Kuppel, durch die man in das Innere sehen könnte, wenn die Scheiben nicht so schmutzig wären. Vielleicht war hier früher wirklich einmal ein Park oder Garten, bevor man alles zugebaut hat, und dieser Pavillon stand mittendrin. Hübsch. Und darin arbeitet also nun dieser Herr … Künstler … wie hieß er doch gleich? Wozniak!

      „Pole!“, sagt Dunkeloh und muss jetzt schon laut lachen. Er kann wohl nicht mehr an sich halten, bremst sich dann aber noch mal elegant ab und räuspert sich nur.

      Ach ja. Ein Pole also auch. Die Welt ist groß. Nun gut, wir wollen Herrn Dunkeloh ja auch nicht weiter strapazieren. Er ist einfach am Ende. Er kann jetzt nicht mehr und wir haben ja alles gesehen. Wir sind praktisch durch.

      „Gut“, sage ich und schaue Steffi erwartungsvoll und aufmunternd lächelnd an. Ist ja schon ganz schön anstrengend so eine Hausbesichtigung als zukünftiger Besitzer. Man darf sich ja nicht blenden lassen und muss für alles einen kritischen Blick haben. Aber auch Steffi scheint genug gesehen zu haben.

      „Dann gehen wir also. Alles sehr schön. Vielen Dank, Herr Dunkeloh!“

      Dankbar, endlich erlöst zu sein, folgt er uns die Treppe nach unten, vorbei am libanesischen Volksfest, auf dem gerade die Hinrichtung stattzufinden scheint oder auch vielleicht nur ein

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