100.000 Tacken. Reiner Hänsch

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100.000 Tacken - Reiner Hänsch

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so wie ich es immer von meiner Oma gehört habe, die mir so oft heimlich was zugesteckt hat, damit die anderen Vettern und Cousinen es nicht bemerkten und möglicherweise neidisch wurden, weil ich nun mal der Lieblingsenkel meiner guten Oma war. Aber nee, für Opa Günter kam so was nicht in Frage.

      „Der Gunge brrauch kein Geld. Dat verprrasselt der doch sons bloß für Killefit un Kokoloorres!“

      Und jetzt können wir also alles gemeinsam verprasseln. Wirklich? Ja, scheint wohl so zu sein. Für Killefit un Kokolores!

      „Wie viel Geld hatte der denn?“, fragt Max noch, aber dann hat er seine Sneakers im Flur entdeckt, da, wo all unsere Schuhe in Reih und Glied stehen und wo seine liebe Mutter sie wahrscheinlich gestern Abend tief seufzend deponiert hat und wo er sie natürlich nicht vermuten konnte. Seine Frage hat er schon wieder vergessen.

      Steffi und ich verbringen einen ganz besonderen Abend in an- und verdächtiger Stille, und jeder macht wohl so ganz für sich ein paar geheime Pläne, was man mit dem Onkel-Günter-Geld wohl alles so anfangen könne. Ab und zu sehen wir uns an und schütteln fassungslos die Köpfe.

      Das gibt’s doch nicht!

      Wir fühlen uns wie die Gewinner in einem Fernsehquiz, haben aber noch nicht einmal eine einzige Frage richtig beantwortet. Ob Steffi sich wohl schon mit den Reichen und Schönen auf Sylt exotische Cocktails schlürfen sieht? Ach nein, das glaube ich eigentlich eher nicht. Vielleicht denkt sie an den kurzfristigen Besuch einiger edler Boutiquen, um die sie sonst immer seufzend einen größeren Bogen macht. Eine Super-Hitech-Küche mit Induktionsherd wäre sicher auch nicht schlecht, wer weiß, vielleicht ein neues Schlafzimmer und ein Bett mit Bocksprungmatratzen, oder wie die jetzt heißen, und bei denen ich auch keine Ahnung habe, was man außer Schlafen sonst noch darauf macht. Und ich will auch nicht wissen, warum die so heißen.

      Ich selbst denke ganz kurz mal an ein neues Auto mit jeder Menge elektronischem Schickschnack innendrin, tollen Felgen und roten Bremssätteln … und an eine schöne weite Reise. Im letzten Jahr waren wir in Thailand, auf Ko Samui, das war schön und aufregend. Warum also nicht dieses Jahr noch weiter, noch exotischer? Hm, mal sehen. Die Kohle hätten wir ja jetzt. Obwohl dann natürlich schon wieder ein ganzer Batzen von dem schönen Geld abgeknabbert wäre. Hoho. Vorsicht, Dagobert! Bring es lieber in den Geldspeicher!

      Vielleicht sollte man es anlegen. Genau. Das ist es. Aber anlegen? Wie geht das? Keine Ahnung. Von so was hatte ich noch nie eine Ahnung, weil es ja auch noch nie was Nennenswertes zum Anlegen gab bisher. Aktien? Aach, nee. Davon verstehe ich gar nichts. Lieber die Finger davon lassen, wenn man keine Ahnung hat. Das hat übrigens Onkel Günter auch immer gesagt.

      Aber auf der Bank bringt es ja auch nichts. Zinsen gibt’s nicht mehr zur Zeit und manche der Superreichen müssen jetzt sogar Geld bezahlen, wenn sie ihre Vermögen auf der Bank in Sicherheit wissen wollen. Das weiß ich. Geld muss arbeiten, sagt man ja immer. Aber wie?

      Oh, oh, es ist verdammt nicht leicht, plötzlich über einen Haufen Geld zu verfügen, das überhaupt nicht auf dem Plan stand.

      Erst kürzlich habe ich noch von einem ganz seltsamen Syndrom gelesen, das Lottogewinner und plötzlich zu Geld gekommene ganz normale Menschen überfällt und sie regelrecht zugrunde richten kann. Es stürzt sie in bodenlose Depressionen bis hin zum Selbstmord, weil sie einfach nicht wissen, was sie mit ihrem Geld anfangen sollen. So weit sollte es doch wohl nicht kommen. Ich denke auch an glücklose Lottogewinner, die ein paar Monate Ferrari gefahren sind und jetzt in der Fußgängerzone sitzen und uns zittrig ihren leeren Plastikbecher entgegenhalten oder mit gefrorenen Lippen verzweifelt eine schiefe Melodie in eine rostige Mundharmonika blasen. Ich habe auch davon gelesen, dass ganze Familien zerbrochen sind, weil sie mit dem plötzlichen Reichtum nicht klarkamen, weil sie sich zerstritten haben oder weil sie eben nicht wussten, wie sie ihr verdammtes Geld anlegen sollten.

      Richtig anlegen. Das kann ein großes Problem sein. Das spüre ich jetzt auch. Ein ganz neues Problem, das ich vorher gar nicht hatte.

      Steffi und ich sehen uns noch mal kopfschüttelnd und unsicher lächelnd an, wir können es noch gar nicht so richtig glauben und schon gar nicht locker darüber reden. So verrückt ist es. Fast hunderttausend Tacken – einfach so. Und wir schlafen nicht so besonders in dieser Nacht.

      Da fängt es also schon an mit dem enormen Psychodruck, dem Fluch des Geldes.

      In meinem Traum sitze ich auf einem dicken Kartoffelsack, in dem das ganze Geld steckt. Ich habe es in aller Eile da reingestopft, weil mir ein paar fragwürdige Herren in dunklen Anzügen auf den Fersen waren, die soeben aus der gläsernen Eingangstür der Leckeder Sparkasse gestürmt sind und mein Geld zu gerne hätten. Das sehe ich ihnen an. Es sind Angestellte der Sparkasse. Sie haben alle das rote Sparkassen-S auf der Stirn. Von der roten Schrift laufen ihnen dicke Tropfen wie Blut übers Gesicht.

      Ein paar Scheine flattern einfach so um mich herum, weil sie nicht mehr in den Sack passen. So etwa wie bei Dagobert Duck, den auch immer ein paar lose Geldscheine umschwirren, was ihn regelmäßig wahnsinnig macht. Er will sein Geld eben immer schön zusammenhalten, damit er abends in seinem Geldspeicher auch schön weich darin baden kann, ohne sich die Entenknie am Geldspeicherboden aufzuschürfen. Er hat immer Sorgen um sein vieles Geld. Und ich jetzt auch.

      Ich sitze also da, auf diesem prallen Sack und die schwarzen Sparkassen-Männer kommen näher. Sie haben stark gegelte Fri-suren, wie ich jetzt erkennen kann, wirken einigermaßen schmierig und mafiös und tra-gen schwere goldene Ringe an den Handge-lenken und flache schwarze Aktenmappen unter ihren muskulösen Armen, so wie ich Herrn Beckebanz von unserer Sparkasse in Leckede eigentlich noch nie gesehen habe. Aber er ist auch dabei. Ich erkenne ihn deutlich.

      Die bösen Männer winken mir zu und lächeln dabei äußerst hinterhältig wie besonders gewiefte Gebrauchtwagenverkäufer. Und sie kommen unaufhaltsam näher. Sie wollen an den Sack. Sie sind jetzt überall.

      Ich versuche, den schweren Sack zu schultern und ihnen zu entkommen, aber da platzt er auf, der ganze Geldsegen quillt heraus und lässt sich vom plötzlich aufkommenden Wind in die Luft wirbeln. Ich versuche, alles wieder einzufangen, aber es flattert mir Schein für Schein davon. Eine große Wolke fliegenden Geldes verdunkelt die ganze Szene.

      Ich renne hinterher und hüpfe in grotesken Verrenkungen hoch, den Scheinen hinterher, recke mich dem entflatternden Reichtum entgegen, die Männer lachen, aber das Geld lässt sich nicht wieder einfangen. Es ist einfach futsch. Doch Herr Beckebanz hält plötzlich einen riesigen schwarzen Staubsauger in seinen klobigen, schwieligen Händen, die ich auch noch nie an ihm bemerkt habe, wenn ich mal an seinem Schreibtisch saß, saugt die ganze Kohle mit einem gemeinen Lächeln auf und verschwindet mit dem Staubsauger lachend wieder in seiner Sparkasse.

      Als ich mich entsetzt und so plötzlich auf diese Weise völlig verarmt umdrehe, sehe ich meine arme kleine Familie in Lumpen und zitternd auf dem Gehweg vor dem Kaufhof sitzen und die vorbeieilenden Passanten an den gebügelten Hosenbeinen zupfen. Steffi und Max sind ausgemergelt und fast verhungert. Ich will zu ihnen hin, ihnen helfen, aber die schwarzen Männer in den Anzügen haben mich nach Mafiaart mit den Füßen in einen Betonkübel gesteckt. Der Beton ist schon hart geworden, hält mich gnadenlos fest und eine goldene Betonmischmaschine dreht langsam ihre letzten Runden.

      Ja, Beton ist etwas, auf das man sich hundertprozentig verlassen kann. Die schwarzen Männer lachen und lachen … schweißgebadet werde ich wach und sehe Steffi müde blinzeln.

      „Kann auch nicht schlafen“, murmelt sie und irgendwann stehen wir dann einfach auf. Aber ich glaube, jetzt habe ich eine Idee.

      Beton! Gold! Hundertprozentig!

      „Wir

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