Die reformierte Liturgik August Ebrards (1818-1888). Luca Baschera

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Die reformierte Liturgik August Ebrards (1818-1888) - Luca Baschera Praktische Theologie im reformierten Kontext

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»kräftigen, gesunden, ernsten, ebenso gemüthvollen als klaren, und doch weder trockenen noch empfindelnden« Charakter nach wie vor als Muster für die Erarbeitung neuer Formulare gelten sollten. Zugleich formuliert er die Absicht, bald »eine Sammlung alter Formulare, nach den in dieser Schrift niedergelegten Grundsätzen, geordnet und zusammengestellt und verarbeitet« zu veröffentlichen.112 Dieses Vorhaben wird er vier Jahre später durch die Herausgabe des Reformirten Kirchenbuches verwirklichen, das somit auch als Begleitband zum Versuch einer Liturgik betrachtet werden kann. |29|

      Das Reformirte Kirchenbuch erschien in Zürich im Jahr 1847, kurz bevor der Herausgeber die Stadt und deren Universität verließ. Der Untertitel gibt nähere Auskunft über Charakter und Zweck des Werks: »Vollständige Sammlung der in der reformirten Kirche eingeführten Kirchengebete und Formulare zum praktischen Gebrauche eingerichtet«.113 Durch die Herausgabe dieser Sammlung von Kirchengebeten aus der reformierten Tradition verfolgte Ebrard also in erster Linie einen praktischen Zweck. Wie er in der Einleitung zu diesem Band schreibt, seien die meisten zeitgenössischen reformierten Agenden zu knapp gehalten und deshalb der Ergänzung bedürftig.114 Anstatt neue Gebete zu entwerfen oder sie gar den Liturgien anderer Konfessionen zu entlehnen, hält es Ebrard für sinnvoller, die eigene liturgische Tradition in ihrer Vielfalt wieder zu entdecken und ihre Elemente so miteinander zu kombinieren, dass ein den Bedürfnissen der Zeit genügendes Ganzes entstehe. Durch eine solche Reflexion auf die eigene Tradition sollte darüber hinaus eine »organische Weiterbildung und reichere Entwicklung des [reformierten] Cultus« ermöglicht werden. Damit wollte er keineswegs den reformierten Gottesdienst der »Kahlheit« bezichtigen, wie viele es schon damals taten; er erkennt aber trotzdem an, dass die reformierte Liturgie in mancherlei Hinsicht – wie beispielsweise in Bezug auf das Kirchenjahr – »arm geblieben« sei.115 Die vorliegende Sammlung könne insofern der Bereicherung des reformierten Gottesdienstes dienen, als sie zu einer »konsequenten Entfaltung der in der ref[ormierten] Kirche gegebenen Elemente« führe.116

      Ebrard äußert die Hoffnung, dass seine Sammlung nicht nur zur Bereicherung des Gottesdienstes in den deutschen reformierten Diasporagemeinden diene, sondern auch in den reformierten Landeskirchen – wobei er wohl an die Deutschschweiz denkt – aufgenommen oder sogar offiziell eingeführt werde. Er ist überzeugt, dass selbst wenn dies nicht geschehe, sich das Kirchenbuch als ein |30| nützliches Hilfsmittel bei der Durchführung von etwaigen Liturgiereformen in den besagten Landeskirchen bewähren werde.117

      Ebrard war allerdings nicht nur auf diesen praktischen Zweck bedacht gewesen, als er die Erarbeitung des Kirchenbuches in Angriff nahm. Dieser Sammlung maß er vielmehr auch eine »theoretisch-wissenschaftliche Bedeutung« bei. Denn anhand der Liturgie, die in einer Kirche gebräuchlich ist, lasse sich feststellen, woran jene Kirche in Wirklichkeit glaube.

      Die Liturgie giebt […] das sicherste Maaß ab, welche in den Bekenntnißschriften festgestellten Lehrpunkte wirklich kirchlich-wichtig, und welche nur theologisch bedeutend sind; und gerade jetzt […] dürfte es nicht am unrechten Orte sein, einmal auf diesen Gedanken, auf die Liturgie als auf ein Kriterium, worin das kirchliche Bekenntniß vom kirchlichen Leben gerichtet und gewogen wird, hinzuweisen.118

      Eine genaue Studie der reformierten Liturgien durch die Jahrhunderte hindurch lasse darüber hinaus Entwicklungen wie auch »Deformationen« in der Lehre erkennen, sodass zur »symbolischen Wichtigkeit« einer solchen Studie auch eine »kirchenhistorische« hinzutrete.119

      Um beiden Anliegen gerecht zu werden – dem praktischen und dem wissenschaftlichen – habe er in erster Linie auf alte Agenden zurückgegriffen, die in einer Bibliographie aufgelistet und genau beschrieben werden.120

      Eine erste Gruppe – die auch die umfangreichste ist – bilden die Agenden aus der Deutschschweiz. Dazu gehören das »Taufbüchlein« Leo Juds (1523), sechs Zürcher Liturgiesammlungen aus ebenso vielen Kirchenordnungen (1525, 1535, 1563, 1581, 1612, 1675) sowie eine undatierte Gebetssammlung aus dem siebzehnten Jahrhundert.121 Ebrard berücksichtigte ferner zwei Schaffhauser Agenden (1592, 1672), die Berner Agende 1581, die St. Galler Liturgie 1738 sowie zwei Sammlungen aus Biel (1752) und Basel (1826).122 Zur zweiten Gruppe (»Agenden französischer Zunge«) gehören die Genfer Gottesdienstordnung von 1542, die Ebrard allerdings nur in der lateinischen Fassung aus Niemeyers Collectio confessionum kannte,123 und die Neuenburger Liturgie von 1713. Diese auf Jean-Frédéric Ostervald (1671–1737) zurückgehende124 und unter Berücksichtigung der |31| anglikanischen Tradition gestaltete Liturgiesammlung schätzte Ebrard besonders. Darin schien ihm nämlich der Wunsch nach einer reicheren Liturgie bereits erfüllt zu sein, beispielsweise durch die Einbettung von Responsorien in die traditionellen Formulare.125 Die dritte Gruppe von historischen Formularen machen die »rheinisch-holländischen Agenden« aus. Dazu gehören die niederländische Gottesdienstordnung des Pieter Daten (1531–1588), die Pfälzer Liturgie von 1585 – die sich von derjenigen aus der Kirchenordnung 1563 nur geringfügig unterscheidet126 – sowie eine undatierte Agende für die reformierten Kirchen der Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg.127 Ebrard hat – wie er selbst erklärt – die Texte redigiert, damit sie im Gottesdienst tatsächlich verwendet werden könnten, wobei er dem Leser versichert, er habe bei seiner Redaktion »nur das hinweggetan, was die Grenze des Wahren, Erlaubten, Schicklichen überschritt.«128 Da er aber dieses »Wahre, Erlaubte und Schickliche« nicht näher definiert, entsteht letzten Endes der Eindruck, dass er jeweils das veränderte, was er persönlich für änderungsbedürftig hielt.

      Dieser Überblick zeigt deutlich, wie Ebrard in seiner Sammlung Elemente aus verschiedenen reformierten liturgischen Traditionen – nämlich der deutschschweizerischen, der »calvinischen« und der deutsch-reformierten – aufnahm. Letztere bezeichnet er auch als »melanchthonisch«,129 was auf den ersten Blick etwas befremdet. Im 19. Jahrhundert war aber die Ansicht weit verbreitet, dass die deutsche reformierte Tradition Melanchthon verpflichtet sei (wobei vor allem an die Abendmahlslehre des späten Melanchthon gedacht wurde) und somit etwas wie eine via media zwischen Luthertum und Reformiertentum darstelle.130 Diese Kombination von Elementen aus unterschiedlichen Traditionen sollte, obwohl historisch problematisch, zur Realisierung des oben bereits erwähnten Programms einer »organischen Weiterentwicklung« der reformierten Liturgie dienen, denn alle drei reformierten liturgischen Traditionen wiesen besondere und eigene Merkmale auf, die es zur Schaffung eines organischen Ganzen zu kombinieren gelte.131

      Gehen die meisten in Ebrards Kirchenbuch enthaltenen Formulare auf die eine oder andere alte Agende zurück, so finden sich darin auch vereinzelte zeitgenössische |32| Texte. Diese entnahm Ebrard einerseits einer Sammlung von Festgebeten, die in Zürich von einer Kommission erarbeitet und 1845 von der Synode offiziell angenommen wurde,132 andererseits einem Band mit Predigten seines früheren Lehrers an der Erlanger Fakultät Johann Christian Krafft.133 Ebrard bettete schließlich auch eigene liturgische Entwürfe, darunter ein ganzes Abendmahlsformular,134 in seine Sammlung ein.

      Das Reformirte Kirchenbuch wird eröffnet durch eine umfangreiche Einleitung, die auch die kommentierte Bibliographie der benutzten Quellen enthält. Darauf folgen sieben Kapitel, die Gebetssammlungen und Formulare für verschiedene Gottesdienstformen bzw. liturgische Handlungen im weiteren Sinne enthalten:

      1 Der sonntägliche Hauptgottesdienst (wobei ein Predigtgottesdienst gemeint ist).

      2 Die »Nebengottesdienste« (zu denen etwa die Wochengottesdienste, die in der französisch-reformierten Tradition am Donnerstagnachmittag stattfanden, aber auch die »Kinderlehre«135 gehören).

      3 Die Festgottesdienste (Predigtgottesdienste zu besonderen Anlässen).

      4 Formulare zur Abendmahlsfeier und Taufspendung.

      5 Formulare für »Handlungen der Kirchenregierung«, die Ebrard zufolge »zwar liturgischer Natur, aber nicht integrierende Theile des Gemeinde-Cultus sind.«136

      6 »Benediktionshandlungen«

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