Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten. Sigmund Freud
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I. Einleitung.
Wer einmal Anlass gehabt hat, sich in der Literatur bei Ästhetikern und Psychologen zu erkundigen, welche Aufklärung über Wesen und Beziehungen des Witzes gegeben werden kann, der wird wohl zugestehen müssen, dass die philosophische Bemühung dem Witz lange nicht in dem Maße zu teil geworden ist, welches er durch seine Rolle in unserem Geistesleben verdient. Man kann nur eine geringe Anzahl von Denkern nennen, die sich eingehender mit den Problemen des Witzes beschäftigt haben. Allerdings finden sich unter den Bearbeitern des Witzes die glänzenden Namen des Dichters Jean Paul (Fr. Richter) und der Philosophen Th. Vischer, Kuno Fischer und Th. Lipps; aber auch bei diesen Autoren steht das Thema des Witzes im Hintergrunde, während das Hauptinteresse der Untersuchung dem umfassenderen und anziehenderen Problem des Komischen zugewendet ist.
Man gewinnt aus der Literatur zunächst den Eindruck, als sei es völlig untunlich, den Witz anders als im Zusammenhange mit dem Komischen zu behandeln.
Nach Th. Lipps (Komik und Humor, 1898)1 ist der Witz „die durchaus subjektive Komik“, d. h. die Komik, „die wir hervorbringen, die an unserem Tun als solchem haftet, zu der wir uns durchwegs als darüberstehendes Subjekt, niemals als Objekt, auch nicht als freiwilliges Objekt verhalten“ (S. 80). Erläuternd hierzu [2] die Bemerkung: Witz heiße überhaupt „jedes bewusste und geschickte Hervorrufen der Komik, sei es der Komik der Anschauung oder der Situation“ (S. 78).
K. Fischer erläutert die Beziehung des Witzes zum Komischen mit Beihilfe der in seiner Darstellung zwischen beide eingeschobenen Karikatur. (Über den Witz, 1889.) Gegenstand der Komik ist das Hässliche in irgend einer seiner Erscheinungsformen: „Wo es verdeckt ist, muss es im Licht der komischen Betrachtung entdeckt, wo es wenig oder kaum bemerkt wird, muss es hervorgeholt und so verdeutlicht werden, dass es klar und offen am Tage liegt.... So entsteht die Karikatur“ (S. 45). — „Unsere ganze geistige Welt, das intellektuelle Reich unserer Gedanken und Vorstellungen, entfaltet sich nicht vor dem Blicke der äußeren Betrachtung, lässt sich nicht unmittelbar bildlich und anschaulich vorstellen und enthält doch auch seine Hemmungen, Gebrechen, Verunstaltungen, eine Fülle des Lächerlichen und der komischen Kontraste. Diese hervorzuheben und der ästhetischen Betrachtung zugänglich zu machen, wird eine Kraft nötig sein, welche im stande ist, nicht bloß Objekte unmittelbar vorzustellen, sondern auf diese Vorstellungen selbst zu reflektieren und sie zu verdeutlichen: eine gedankenerhellende Kraft. Diese Kraft ist allein das Urteil. Das Urteil, welches den komischen Kontrast erzeugt, ist der Witz, er hat im stillen schon in der Karikatur mitgespielt, aber erst im Urteil erreicht er seine eigentümliche Form und das freie Gebiet seiner Entfaltung“ (S. 49).
Wie man sieht, verlegt Lipps den Charakter, welcher den Witz innerhalb des Komischen auszeichnet, in die Betätigung, in das aktive Verhalten des Subjekts, während K. Fischer den Witz durch die Beziehung zu seinem Gegenstand, als welcher das verborgene Hässliche der Gedankenwelt gelten soll, kennzeichnet. Man kann diese Definitionen des Witzes nicht auf ihre Triftigkeit prüfen, ja man kann sie kaum verstehen, wenn man sie nicht in den Zusammenhang einfügt, aus dem gerissen sie hier erscheinen und man stände so vor der Nötigung, sich durch die Darstellungen des Komischen bei den Autoren hindurch zu arbeiten, um von ihnen etwas über den Witz zu erfahren. Indes wird man an anderen Stellen gewahr, dass dieselben Autoren auch wesentliche und allgemein gültige Charaktere des Witzes anzugeben wissen, bei welchen von dessen Beziehung zum Komischen abgesehen ist.
Die Kennzeichnung des Witzes bei K. Fischer, die den Autor selbst am besten zu befriedigen scheint, lautet: Der Witz ist ein spielendes Urteil (S. 51). Zur Erläuterung dieses Aus[3]druckes werden wir auf die Analogie verwiesen: „wie die ästhetische Freiheit in der spielenden Betrachtung der Dinge bestand“ (S. 50). An anderer Stelle (S. 20) wird das ästhetische Verhalten gegen ein Objekt durch die Bedingung charakterisiert, dass wir von diesem Objekt nichts verlangen, insbesondere keine Befriedigung unserer ernsten Bedürfnisse, sondern uns mit dem Genuss der Betrachtung desselben begnügen. Das ästhetische Verhalten ist spielend im Gegensatz zur Arbeit. — „Es könnte sein, dass aus der ästhetischen Freiheit auch eine von der gewöhnlichen Fessel und Richtschnur losgelöste Art des Urteilens entspringt, die ich um ihres Ursprunges willen „das spielende Urteil“ nennen will, und dass in diesem Begriff die erste Bedingung, wenn nicht die ganze Formel enthalten ist, die unsere Aufgabe löst. „Freiheit gibt Witz und Witz gibt Freiheit,“ sagt Jean Paul. „Der Witz ist ein bloßes Spiel mit Ideen“ (S. 24).
Von jeher liebte man es, den Witz als die Fertigkeit zu definieren, Ähnlichkeiten zwischen Unähnlichem, also versteckte Ähnlichkeiten zu finden. Jean Paul hat diesen Gedanken selbst witzig so ausgedrückt: „Der Witz ist der verkleidete Priester, der jedes Paar traut“. Th. Vischer fügt die Fortsetzung an: „Er traut die Paare am liebsten, deren Verbindung die Verwandten nicht dulden wollen“. Vischer wendet aber ein, dass es Witze gebe, bei denen von Vergleichung, also auch von Auffindung von Ähnlichkeit, keine Rede sei. Er definiert also den Witz mit leiser Abweichung von Jean Paul als die Fertigkeit, mit überraschender Schnelle mehrere Vorstellungen, die nach ihrem inneren Gehalt und dem Nexus, dem sie angehören, einander eigentlich fremd sind, zu einer Einheit zu verbinden. K. Fischer hebt dann hervor, dass in einer Menge von witzigen Urteilen nicht Ähnlichkeiten, sondern Unterschiede gefunden werden und Lipps macht darauf aufmerksam, dass sich diese Definitionen auf den Witz beziehen, den der Witzige hat, und nicht, den er macht.
Andere in gewissem Sinne miteinander verknüpfte Gesichtspunkte, die bei der Begriffsbestimmung oder Beschreibung des Witzes herangezogen wurden, sind der „Vorstellungskontrast“, „der Sinn im Unsinn“, „die Verblüffung und Erleuchtung“.
Auf den Vorstellungskontrast legen Definitionen wie die von Kraepe1in den Nachdruck. Der Witz sei „die willkürliche Verbindung oder Verknüpfung zweier miteinander in irgend einer Weise kontrastierender Vorstellungen, zumeist durch das Hilfsmittel der sprachlichen Assoziation“. Es wird einem Kritiker [4] wie Lipps nicht schwer, die völlige Unzulänglichkeit dieser Formel aufzudecken, aber er selbst schließt das Moment des Kontrastes nicht aus, sondern verschiebt es nur an eine andere Stelle. „Der Kontrast bleibt bestehen, aber er ist nicht so oder so gefasster Kontrast der mit den Worten verbundenen Vorstellungen, sondern Kontrast oder Widerspruch der Bedeutung und Bedeutungslosigkeit der Worte“ (S. 87). Beispiele erläutern, wie letzteres verstanden werden soll. „Ein Kontrast entsteht erst dadurch, dass ... wir seinen Worten eine Bedeutung zugestehen, die wir ihnen dann doch wieder nicht zugestehen können“ (S. 90).
In der Weiterentwicklung dieser letzten Bestimmung kommt der Gegensatz von „Sinn und Unsinn“ zur Bedeutung. „Was wir einen Moment für sinnvoll nehmen, steht als völlig sinnlos vor uns. Darin besteht in diesem Falle der komische Prozess“ (S. 85 u. ff.). „Witzig erscheint eine Aussage, wenn wir ihr eine Bedeutung mit psychologischer Notwendigkeit zuschreiben und indem wir sie ihr zuschreiben, sofort auch wiederum absprechen. Dabei kann unter der Bedeutung verschiedenes verstanden sein. Wir leihen einer Aussage einen Sinn und wissen, dass er ihr logischerweise nicht zukommen kann. Wir finden in ihr eine Wahrheit, die wir dann doch wiederum den Gesetzen der Erfahrung oder allgemeinen Gewohnheiten unseres Denkens zufolge nicht darin finden können. Wir gestehen ihr eine über ihren wahren Inhalt hinausgehende logische oder praktische Folge zu, um eben diese Folge zu verneinen, sobald wir die Beschaffenheit der Aussage für sich ins Auge fassen. In jedem Falle besteht der psychologische Prozess, den die witzige Aussage in uns hervorruft und auf