Buddenbrooks. Thomas Mann
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»Weißt du noch …«, sagte sie, »vor einundeinhalb Jahren? Beim Schützenfest?…«
Er unterbrach sie entzückt …
»Gott, ja, einundeinhalb Jahre!… Ich hielt dich für eine Italienerin … Ich kaufte eine Nelke und steckte sie ins Knopfloch … Ich habe sie noch … Ich nehme sie mit nach Amsterdam … Was für ein Staub und eine Hitze war auf der Wiese!…«
»Ja, du holtest mir ein Glas Limonade aus der Bude nebenan … Ich erinnere das wie heute! Alles roch nach Schmalzgebäck und Menschen …«
»Aber schön war es doch! Sahen wir uns nicht gleich an den Augen an, was für eine Bewandtnis es mit uns hatte?«
»Und du wolltest mit mir Karussell fahren … aber das ging nicht; ich mußte doch verkaufen! Die Frau hätte gescholten …«
»Nein, es ging nicht, Anna, das sehe ich vollkommen ein.«
Sie sagte leise: »Und es ist auch das Einzige geblieben, was ich dir abgeschlagen habe.«
Er küßte sie aufs neue, auf die Lippen und die Augen.
»Adieu, meine liebe, gute, kleine Anna!… Ja, man muß anfangen, Adieu zu sagen!«
»Ach, du kommst doch morgen noch einmal wieder?«
»Ja, sicher, um diese Zeit. Und auch übermorgen früh noch, wenn ich mich irgend losmachen kann … Aber jetzt will ich dir eines sagen, Anna … Ich gehe nun ziemlich weit fort, ja, es ist immerhin recht weit, Amsterdam … und du bleibst hier zurück. Aber wirf dich nicht weg, hörst du, Anna?… Denn bis jetzt hast du dich nicht weggeworfen, das sage ich dir!«
Sie weinte in ihre Schürze, die sie mit ihrer freien Hand vors Gesicht hielt.
»Und du?… Und du?…«
»Das weiß Gott, Anna, wie die Dinge gehen werden! Man bleibt nicht immer jung … du bist ein kluges Mädchen, du hast niemals etwas von heiraten gesagt und dergleichen …«
»Nein, behüte!… daß ich das von dir verlange …«
»Man wird getragen, siehst du … Wenn ich am Leben bin, werde ich das Geschäft übernehmen, werde eine Partie machen … ja, ich bin offen gegen dich, beim Abschied … Und auch du … das wird so gehen … Ich wünsche dir alles Glück, meine liebe, gute, kleine Anna! Aber wirf dich nicht weg, hörst du?… Denn bis jetzt hast du dich nicht weggeworfen, das sage ich dir …!«
Hier drinnen war es warm. Ein feuchter Duft von Erde und Blumen lag in dem kleinen Laden. Draußen schickte schon die Wintersonne sich an, unterzugehen. Ein zartes, reines und wie auf Porzellan gemalt blasses Abendrot schmückte jenseits des Flusses den Himmel. Das Kinn in die aufgeschlagenen Kragen ihrer Überzieher versteckt, eilten die Leute am Schaufenster vorüber und sahen nichts von den beiden, die in dem Winkel des kleinen Blumenladens voneinander Abschied nahmen.
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