Die Doors, Jim Morrison und ich. Ray Manzarek
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Jim Morrison ging das genauso. Er hatte auf die eine oder andere Art dieselben Erfahrungen und Begegnungen mit der Kunst gehabt wie ich. All diese kleinen Erleuchtungsmomente sind ein Teil der Seele der Doors. Diese kleinen Momente von Licht, Klarheit und Inspiration brachten uns zusammen, und wir wollten sie auch in unsere Musik einbringen. Jim war ebenfalls begeistert von Tennessee Williams. Er liebte sein Gesamtwerk, und er war auf diesem Gebiet sehr beschlagen. Er sah sich selbst ein bißchen wie Chance Wayne. Auf dem College in Florida war „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ aufgeführt worden, wobei Jim die Bühnenausstattung übernommen hatte. Ob er auch selbst mitspielte, weiß ich nicht. Aber sein Bühnenbild war wirklich eindrucksvoll. Er nahm ein Dia mit einer Krebszelle – Big Daddy stirbt in dem Stück an Krebs – und projizierte es an die hintere Bühnenwand. Dann ließ Jim die Zelle während des Stücks ganz langsam, aber unaufhörlich vergrößern. Am Schluß des Stücks – wenn herauskommt, daß Big Daddy den Krebs nicht besiegt hat, sondern tatsächlich an der Krankheit stirbt – füllte diese Zelle die ganze Rückwand aus, sie pulsierte, sie fraß sich weiter … zerstörte alles. „Sie hatten ihn verschlungen!“
Jim faszinierten dieselben Dinge wie mich, und das war auch der Grund, weshalb er sich auf der Filmakademie einschrieb: Er hatte die gleichen Filme gesehen, Filme wie „Orfeu Negro“ und „Das siebte Siegel“. Er hatte gesehen, wie Max von Sydow als Ritter mit dem Teufel Schach um sein Leben spielte. Das Leben des Antonius Block. Jim liebte Bergman; die tristen, gespenstischen Landschaften des großen schwedischen Filmemachers – die inneren wie die äußeren. Den Existentialismus. Als würde alles durch ein dunkles Glas betrachtet. Aber auch den nie versiegenden Mut seiner Figuren, die sich immer wieder dem Leben stellten, die es zu leben wagten. Lebendig sein, und durch die Angst das Leben spüren … und die Einsamkeit. Jim hatte auch „Rashomon“ gesehen sowie „Sie liebten und sie schlugen ihn“ und all die anderen ersten Brecher der Nouvelle Vague, und er war verliebt. Verliebt in die Möglichkeit, daß er ein Künstler sein könnte. Verliebt in das Konzept der Freiheit! Sich frei ausdrücken zu können, frei denken zu können – er selbst sein zu können. Und als er dann schließlich entscheiden mußte, in welche Richtung er gehen wollte … als er in diesem elementar wichtigen Augenblick am Scheideweg stand … da wählte er die UCLA. Die Filmakademie. Genau wie ich.
You got to meet me at the crossroads.
Meet me at the edge of town.
Outskirts of the city.
You better come alone …
Das Kino faszinierte ihn ebenso wie mich. Für uns beide kamen hier alle Kunstformen zusammen. Hier trafen sich Theater, Fotografie, Musik, Schauspielerei, Schriftstellerei … alles. Und Experten gab es keine! Genies schon, aber keine Experten. Jim sagte mir: „Das ist das Gute am Kino, daß es keine Experten gibt. Jeder hat Zugang zum kompletten Werk. Die Filmgeschichte ist erst sechzig Jahre alt. Jeder kann die gesamte Geschichte kennen. Jeder kann ein Experte sein. Das liebe ich so am Kino.“ Und er hatte recht. Wenn man sich ausführlich damit beschäftigte, war die Kinogeschichte leicht verständlich. Wir konnten Experten werden … und Künstler … und freie Männer.
Das waren die Gründe, die mich zur kinematographischen Fakultät der UCLA geführt hatten, und die gleichen Dinge hatten auch Jim Morrison aus den Sümpfen Floridas zur versinkenden Sonne des Western Dream und zur UCLA gelockt. Wir mußten die Aufgabe meistern, unsere künstlerischen Erfahrungen in die Doors einfließen zu lassen: Wie waren all die tollen Ideen zu verwirklichen? Wie konnten wir die Dramatik, die emotionale Tiefe, das Pathos, die Freude, das Leid, die Angst im Rock ’n’ Roll-Kontext ausdrücken? Die Angst vor allem. Darum ging es bei den Doors.
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