Peter Grant - Ein Leben für Led Zeppelin. Mark Blake
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Durch seine Tätigkeit im Murrayʼs lernte Grant auch noch einen weiteren gelegentlichen Auftraggeber kennen. Nach Peters Tod enthüllte Mickie Most, dass sein Freund als Leibwächter für den berüchtigten Peter Rachman, einen Vermieter von Elendsquartieren, tätig gewesen war, der im Murrayʼs Mitglied war und ebenfalls zu Christine Keelers Liebhabern zählte.
In den späten Fünfzigerjahren hatte sich der polnische Flüchtling Rachman über einhundert Immobilien in Notting Hill und Umgebung angeeignet. Viele dieser Objekte vermietete er an Immigranten aus der Karibik, die bei anderen Vermietern abgeblitzt waren. Rachman empfand sich selbst als Retter dieser Community, doch die Behörden sahen das anders. Ihnen zufolge war er ein Slumlord, der Prostituierte auf den Strich schickte, Leute einschüchterte, um an die Mieten zu kommen, und Mieter auf die Straße setzte.
Rachmans Inkasso-Truppe umfasste auch etliche Wrestler, Boxer und Nachtclub-Türsteher – und Grant war einer von ihnen. Anfang der Sechzigerjahre bestand eine direkte Verbindung zwischen dem windigen Vermieter und vielen Vertretern der Randbereiche der Unterhaltungsindustrie.
Der Radio-DJ Nicky Horne traf Grant in den Siebzigerjahren, stolperte jedoch schon als Teenager in den späten Sixties über diese Connection. „Ich arbeitete für den DJ Emperor Rosko“, erzählt er. Roskos Manager war einer der ehemaligen Türsteher im 2iʼs, Henry Henroid. „Henry schien sehr gut vernetzt zu sein mit den Jungs im Westen Londons. Ich trank mit ihnen allen im Moscow Arms in Bayswater. Da stand ich, ein 18 Jahre alter Depp, mit all diesen Gangstern.“ Die Stammkundschaft des Moscow Arms umfasste auch Peter Grants späteren Bodyguard, den Schauspieler und Kriminellen John Bindon, sowie Jimmy Houlihan, laut Horne „ein wunderbarer Charakter, der einst für Peter Rachman Mieten eingetrieben hatte“.
Doch nicht alle von Grants Jobs erforderten grobe Muskelkraft. „Ich wollte ein Schauspieler sein“, gestand er 1989. „Aber ich war nie wirklich gut genug.“ Dennoch hatte Grant etliche Auftritte in britischen Filmen und Fernsehserien der ausklingenden Fünfziger- und frühen Sechzigerjahre. So sah man ihn im Polizeidrama Dixon of Dock Green, als Cowboy in einer Folge der Benny Hill Show, als Barmann in Simon Templar (mit Roger Moore in der Titelrolle) und als „Araber mit einer langen Säge“ in einer Kindersendung mit dem Titel Crackerjack.
Er ergatterte sogar eine kleine Rolle als Kellner in einer Pantomimen-Nummer mit dem amerikanischen Vaudeville-Star Eddie Vitch. „Wir traten zusammen bei einem TV-Special mit Connie Francis auf“, verriet Grant später Malcolm McLaren.
1958 feierte Peter sein Filmdebüt, als er im Schwarzweiß-Drama Die Letzte Nacht der Titanic einen Matrosen spielte. Grant wurde zu winterlichen Nachtaufnahmen an den Ruislip Lido im Westen Londons bestellt. Auf dem Stausee schwammen ein Modell des Ozeanriesen sowie ein paar Rettungsboote.
Der Hauptdarsteller Kenneth More spielte den zweiten Offizier der RMS Titanic, Charles Lightoller. Als die Statisten sich weigerten, ins eiskalte Wasser zu hüpfen, bot More an, es als erster zu tun. „Ich habe niemals eine solche Kälte verspürt“, sagte er. „Es war, als würde man in eine Gefriertruhe springen. Der Schock ließ die Atemluft aus meinem Körper entweichen. Es schien, als würde mein Herz zu schlagen aufhören. Ich fühlte mich erdrückt, war nicht mehr in der Lage, einen Gedanken zu fassen.“
Während er nach Luft rang, versuchte More die Statisten zu warnen, es ihm bloß nicht gleichzutun, doch da war es bereits zu spät. Irgendwo in dieser Szene auf dem Deck des havarierten Schiffs – oder auch schon im kühlen Nass – war ein 22 Jahre alter Peter Grant zu sehen.
Im Winter 1960 befand sich Grant unter den Statisten des romantischen Epos Cleopatra mit Elizabeth Taylor in der Hauptrolle. „Die Dreharbeiten fanden zunächst in den Pinewood Studios statt“, erzählte er. „Ich werde mich immer daran erinnern, wie sie jeden Tag mit einem Phantom 5 vorfuhr und einen Pelzmantel trug. Sie stieg aus dem Wagen, beschloss, dass es zu frostig war, und fuhr dann direkt zurück ins Hilton Hotel.“ Dieses Schauspiel wiederholte sich zwei Wochen lang, während sich das Wetter verschlechterte und die Temperaturen immer weiter in den Keller sanken. „Mir war das egal“, sagte Grant. „Ich bekam 15 Pfund am Tag, was damals ein Batzen Geld war.“
Die 300 Komparsen vertrieben sich die Zeit in einem Großraumzelt, tranken Tee und spielten eine Partie Karten nach der anderen. Viele von ihnen, darunter auch Grant, waren als Sklaven oder Soldaten kostümiert und braun geschminkt, um so etwas nahöstlicher zu wirken. „Ich spielte eine makedonische Wache und trug eine Rüstung aus Kunststoff“, sagte er.
Irgendwann erbarmte sich Elizabeth Taylor aber doch noch und kreuzte auf, um jene Szene zu drehen, in der Cleopatra in Rom eintrifft. Mim Scala, Stammgast im 2iʼs und später Film- und Theateragent, befand sich bei Grant, als Regisseur Rouben Mamoulian sie zum Drehort rief. „Peter Grant war ein großer Kerl, den ich aus Soho kannte“, erinnerte sich Scala. „Ich stand neben ihm in der ersten Reihe.“
Der Regisseur schwenkte auf einem Kran zu Scala und seinem riesenhaften Freund. Er lehnte sich nach vorne und teilte Scala ruhig mit, dass er zu klein wäre und sich nach hinten stellen sollte. Dann rief er Grant nach vorne. Weder Peter noch Mim waren in der fertigen Fassung des Films zu sehen. „Letzten Endes schafften wir es gerade einmal, sieben Minuten oder so zu drehen, bevor alles wieder verworfen wurde“, berichtete Grant. Mamoulian warf das Handtuch und Cleopatra wurde schließlich in Italien unter der Leitung eines neuen Regisseurs gedreht.
Grant machte in anderen Filmen eine bessere Figur, selbst wenn man ihn auch dort kaum zu sehen bekam. So war er etwa Anthony Quinns Körper-Double im Kriegsdrama Die Kanonen von Navarone von 1961. Die Kulisse der Handlung – die griechischen Berge und die Ägäis – wurde in den Pinewood Studios nachgebaut.
Ein gewaltiger Sturm wurde mithilfe von fast vier Millionen Liter Wasser, etlichen Windmaschinen und einem Flugzeugmotor inszeniert. Quinn wurde dabei umgeworfen und er verletzte sich am Rücken, als durch den Aufprall eine alte Kriegsverletzung wieder akut wurde. So kam anscheinend Peter Grant zum Zug.
Eine Zeitlang sprang Grant auch für den stattlichen britischen Schauspieler Robert Morley in Filmen ein, darunter auch in der Slapstick-Klamotte Diebe haben Vorfahrt von 1962. Morley spielte darin einen Feuerwehrhauptmann, zeigte jedoch Nerven, als er im offenen Feuerwehrwagen mit hoher Geschwindigkeit die Straßen entlang jagen sollte. Grant sprang für ihn ein: „Sie mussten mich ziemlich ausstopfen. Außerdem trug ich eine künstliche Glatze. Damals hatte ich ja noch Haare.“
Im selben Jahr trat Grant auch in Stanley Kubricks Comedy-Drama Lolita auf. „Alles, was ich tun musste, war, über das Set zu spazieren. Ich spielte einen Hotelpagen“, erklärte er. Allerdings bewegte er sich zu zackig für den anspruchsvollen Regie-Meister, der Grant „ordentlich die Leviten las“.
Zehn Jahre später schrieb Grant an Kubrick und fragte ihn, ob er es in Erwägung ziehen würde, die Regie bei jenem Projekt zu übernehmen, aus dem schließlich The Song Remains the Same hervorgehen sollte: „Und am Ende erinnerte ich ihn noch an den Vorfall von damals. Er schrieb zurück und sagte ab. Auch erinnerte er sich noch an meine Darbietung … er hoffte, ich wäre seit damals ein wenig besser geworden.“
Grants Auftritt in Lolita dauert nicht länger als ein paar Sekunden und man sieht in auch nur im Profil. Dennoch kann man ihn zumindest erkennen: Er trägt eine weiße Jacke und schlendert durch das Hotelfoyer, während Peter Sellers und Sue Lyons sich über die Rezeption lehnen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Grant allerdings schon jenes Objekt erstanden, das sein Arbeitsleben auf den Kopf stellen sollte. Der Teilzeit-Schauspieler, Türsteher, Wrestler und Geldeintreiber Peter Grant hatte sich einen Minibus zugelegt.