Gesammelte Werke. Aristoteles

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dies also nicht der Fall ist, so kann man mit voller Wahrheit sagen, dass kein selbstständiges Ding zu den Bezogenen gehört. Vielleicht ist es schwer, über diese Fragen sich bestimmt auszusprechen, wenn man sie nicht wiederholt erwogen hat; aber wenn man die Bedenken über einzelne Fälle erörtert, so ist dies nicht unnütz.

      Achtes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Beschaffenheit nenne ich das, wonach etwas so oder so beschaffen genannt wird. Die Beschaffenheit gehört zu den Worten, welche in mehrfachem Sinne gebraucht werden. Als die eine Art sollen die Eigenschaften und Zustände gelten. Die Eigenschaft unterscheidet sich von dem Zustande dadurch, dass sie viel anhaltender und dauerhafter ist. Solcher Art sind die Kenntnisse und die Tugenden; denn die Kenntnisse scheinen zu dem Bleibenden und schwer Veränderlichen zu gehören, selbst wenn sich Jemand dieselben auch nur in massiger Weise erworben hat, sofern nur nicht Krankheit oder sonst etwas der Art eine grosse Veränderung bewirkt. Dasselbe gilt von den Tugenden, z.B. von der Gerechtigkeit, von der Selbstbeherrschung und jeder anderen solchen; sie unterliegen nicht leicht einer Veränderung oder einem Wechsel. Als Zustände gelten dagegen die, welche veränderlich sind und schnell wechseln, wie z.B. die Wärme, die Erkältung, die Krankheit, die Gesundheit und anderes der Art. Der Mensch verhält sich zu ihnen in einer gewissen Weise; aber er verändert sich dabei schnell und geht aus der Wärme in einen kalten Zustand und aus dem Gesundsein in das Kranksein über und ebenso ist es mit den andern Zuständen, sofern nicht von diesen Zuständen etwan einer durch die Länge der Zeit eingewurzelt und unheilbar geworden oder nur schwer zu verändern ist, wo man dann denselben mehr für eine Eigenschaft erklären wird. Es erhellt also, dass man nur diejenigen Beschaffenheiten Eigenschaften nennen mag, die längere Zeit anhalten und schwer veränderlich sind. Wenn Jemand eine Wissenschaft nicht genau inne hat, sondern sie leicht wieder vergisst, so nennt man das keine Eigenschaft von ihm, obgleich er sich irgendwie zu den Kenntnissen, sei es schlechter oder besser, verhält. Sonach unterscheiden sich also die Eigenschaften von den Zuständen dadurch, dass die einen sich leicht verändern und die andern dauerhafter und schwer veränderlich sind. Die Eigenschaften sind auch Zustände, aber die Zustände sind nicht nothwendig Eigenschaften; denn wer eine Eigenschaft hat, verhält sich auch irgendwie zu derselben; aber die, welche sich irgendwie verhalten, haben deshalb nicht allemal eine Eigenschaft.

      Eine zweite Art von Beschaffenheiten sind die, wonach Jemand als geschickt zum Faustkampf, oder als geschickt zum Laufen oder als gesund oder stark bezeichnet wird; überhaupt gehört dazu alles, was sich auf ein natürliches Vermögen oder Unvermögen bezieht; denn diese Bestimmungen werden nicht wegen irgend eines Zustandes Beschaffenheiten genannt, sondern weil in ihnen ein natürliches Vermögen oder Unvermögen enthalten ist, vermittelst dessen etwas leicht bewirkt wird, oder kein Erleiden statt hat. So heissen z.B. die Faustkämpfer und die Läufer nicht deshalb so, weil sie sich irgendwie verhalten, sondern weil sie ein natürliches Vermögen haben, etwas leichter zu vollbringen; ebenso heisst man gesund, weil man ein natürliches Vermögen hat, vermöge dessen man von eintretenden Ereignissen nicht leicht etwas erleidet, und man heisst krank, weil man in dieser Hinsicht unvermögend ist und von Zufälligkeiten leicht etwas erleidet. Ebenso verhält es sich mit dem Harten und Weichen; denn man nennt etwas hart, weil es das Vermögen hat, nicht leicht zu zerreissen, und weich, weil ihm dieses Vermögen fehlt.

      Eine dritte Art von Beschaffenheiten sind die leidenden Beschaffenheiten und die leidenden Zustände. Der Art sind z.B. die Süssigkeit, die Bitterkeit, die Säure und alles dem Verwandter auch die Wärme und die Kälte und die Weisse und die Schwärze. Dass sie Beschaffenheiten sind, ist klar; denn das, was sie angenommen hat, wird nach ihnen beschaffen genannt; so heisst der Honig dadurch, dass er die Süssigkeit angenommen hat, süss und ein Körper dadurch, dass er die Weisse angenommen hat, weiss. Ebenso verhält es sich mit den andern Beschaffenheiten dieser Art. Leidende Beschaffenheiten heissen sie nicht deshalb, weil die Dinge, welche diese Beschaffenheiten angenommen haben, selbst dadurch etwas erlitten hätten; denn der Honig heisst nicht süss, weil er etwas erlitten hat, und auch kein anderer Gegenstand deshalb so. Ebenso werden die Wärme und die Kälte nicht deshalb leidende Beschaffenheiten genannt, weil etwa die Dinge, welche sie angenommen haben, etwas erlitten haben, sondern sie heissen deshalb leidende Beschaffenheiten, weil jede der genannten Beschaffenheiten in Bezug auf die Sinne ein Leiden bewirkt. So bewirkt die Süssigkeit ein gewisses Leiden für den Geschmackssinn und die Wärme für den Gefühlssinn und ähnlich die andern Beschaffenheiten. Dagegen werden die Weisse und die Schwärze und die andern Farben nicht in gleichem Sinne, wie die vorgenannten, leidende Beschaffenheiten genannt, sondern deshalb, weil sie aus einem Leiden entstanden sind. Dass viele Veränderungen der Farben in Folge eines Erleidens entstehen, ist klar; denn wenn Jemand sich schämt, so wird er roth, und wenn er sich fürchtet, blass und ähnliches geschieht in andern Fällen. Hat also Jemand in Folge äusserlicher Ereignisse in natürlicher Weise so etwas erlitten, so wird er auch die entsprechende Farbe annehmen; denn der körperliche Zustand, welcher jetzt in Folge des Schämens entstanden ist, wird sich bei anderer Gelegenheit der natürlichen Körperconstitution gemäss in gleicher Weise wieder einstellen und deshalb wird auch dieselbe Farbe wieder zur Erscheinung kommen. Alle solche Zufälligkeiten, welche von gewissen, schwer veränderlichen und beharrenden Leidenszuständen ausgehen, heissen leidende Beschaffenheiten. Mag sich in Folge der natürlichen Körperconstitution eine Blässe oder eine Schwärze gebildet haben, die man dann Beschaffenheiten nennt (denn nun wird danach beschaffen genannt) oder mag diese Blässe oder Schwärze durch eine lange Krankheit oder durch Brand entstanden sein, so dass sie sich nicht leicht wieder verliert, sondern gar lebenslang sich erhält, so nennt man auch sie Beschaffenheiten; denn man wird auch hier demgemäss beschaffen genannt. Alles dagegen, was sich leicht wieder auflöst und schnell beseitigt werden kann, heisst ein Zustand, und nicht eine Beschaffenheit; denn man wird nicht danach beschaffen genannt. Weder der, welcher aus Scham erröthet, wird roth genannt, noch der, welcher, aus Furcht erblasst, blass, sondern man sagt eher, dass sie etwas erlitten haben; deshalb heissen diese Fälle leidende Zustände und nicht leidende Beschaffenheiten.

      In Uebereinstimmung hiermit spricht man auch von leidenden Beschaffenheiten und Zuständen bei der Seele. Alles was gleich von der Geburt in Folge schwer veränderlicher Zustände entsteht, heisst eine leidende Beschaffenheit, z.B. die Raserei, der Zorn und anderes Aehnliche; denn die Menschen werden darnach beschaffene genannt, nämlich zornige oder rasende Menschen. Ebenso heissen auch alle nicht natürlichen, sondern aus äusseren Zufällen entstandenen Beschaffenheiten so, insofern sie schwer zu vertreiben oder ganz unheilbar sind; denn man wird auch danach beschaffen genannt. Alles dagegen, was aus schnell wieder vergehenden Erregungen entsteht, heisst ein leidender Zustand, z.B. wenn Jemand, weil er geärgert wird, in Zorn geräth; man heisst dann nicht ein Zorniger, wenn man in solchem Zustande zornig wird, sondern es heisst mehr, dass man etwas erlitten habe. Solche Fälle heissen deshalb leidende Zustände und keine leidenden Beschaffenheiten.

      Die vierte Art der Beschaffenheit bilden die Figuren und die Gestalten der einzelnen Dinge; ferner neben diesen das Gerade und das Krumme und was sonst dem ähnlich ist; denn nach allen diesen einzelnen Bestimmungen wird etwas beschaffen genannt. So gilt das dreieckig-oder viereckig-sein als eine Beschaffenheit; ebenso das gerade-und das krumm-sein. Auch nach der Gestalt wird ein jedes beschaffen genannt. Auch das Lockere und das Dichte, sowie das Rauhe und Glatte scheint eine Beschaffenheit zu bezeichnen, indess dürften sie wohl nicht zu den Eintheilungen der Beschaffenheit gehören, vielmehr scheinen sie mehr eine Lage der Theile zu bezeichnen; denn etwas ist dicht dadurch, dass seine Theile nahe bei einander sind, und locker dadurch, dass sie von einander mehr abstehen; ferner glatt dadurch, dass seine Theile gleichsam in gerader Richtung liegen, und rauh dadurch, dass sie bald hervorragen, bald zurücktreten.

      Vielleicht fände sich wohl noch eine andere Art von Beschaffenheiten; indess sind die bisher erwähnten wohl die, welche am meisten so genannt werden.

      Beschaffenheiten sind also die erwähnten und beschaffen werden die Gegenstände

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