Pink - 2 Gesichter. Paul Lester
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Auf „Just Like A Pill“ spielt Pink auf ihren Drogenmissbrauch als Teenager an und benutzt Betäubungsmittel als Metapher für gestörte Beziehungen. Beim Song „My Vietnam“ zieht sie eine Analogie zu den Kriegserfahrungen des Vaters in Vietnam (am Ende lodert Jimi Hendrix’ „Star-Spangled Banner“ auf, ein wichtiger Song für die Frontsoldaten in Vietnam) und benutzt das Bild einer Schlacht, um ihre turbulente Erziehung darzustellen, wobei sie ihr Selbstbild als „wandelndes Pulverfass“ entwirft: „Mother was a lunatic, she liked to push my buttons … Never liked school that much … They keep dropping bombs and I keep score.“
Mit „Family Portrait“ dokumentiert Pink ihre Herkunft noch plastischer. Sie durchleuchtet auch den letzten Winkel ihrer kaputten Familie, die Scheidung der Eltern und die dadurch verursachte Zerrüttung. „Mama, please stop cryin’ … your pain is painful … I told daddy you didn’t mean those nasty things you said … It ain’t easy growing up in World War 3 …“ Der Text kann als Beschreibung des Familienkonflikts interpretiert werden, aber auch als ein schillerndes Kapitel einer Rock-Autobiografie. Die Worte vermitteln solch eine Eindringlichkeit, dass ihre Familie wie am Boden zerstört war, als sie den Song hörte.
„Es hat der ganzen Familie wehgetan, aber gleichzeitig für reinen Tisch gesorgt. Danach ging es uns allen besser.“ Ihre Mutter war trotzdem über die Zeile in „My Vietnam“ tief verletzt, in der sie als „Wahnsinnige“ beschrieben wird. „Meine Mum war eine Zeit lang verdammt sauer. [Aber] wir haben uns dann ausgesprochen. Ich mag es nicht, Sachen unter den Teppich zu kehren – man muss die Dinge beim Namen nennen und damit klarkommen.“ Wie Pink der Sun 2008 berichtete, lag ein wichtiger Effekt von M!ssundaztood darin, dass sie eine unvergleichliche Offenheit an den Tag legte und von diesem Zeitpunkt an immer authentisch blieb. Das ist ein wichtiges Charakteristikum, das sich in ihrer Musik zeigt und das die Leute so schätzen.
„Ich bekam den Brief eines 13-jährigen Mädchens. Sie schrieb, dass der Großvater ihre Mutter vergewaltigte. Dann erzählte sie weiter, dass ihre Mutter gerade gestorben sei und der alte Mann jetzt sie vergewaltige. Durch meine Musik jedoch schöpfe sie Kraft zum Weiterleben. Sie bat mich, niemals damit aufzuhören, da sie ihr Hilfe und Rückhalt gebe.“
Einige Jahre später beschrieb Pink „Family Portrait“ so: „Das Stück reißt mir auch heute noch die Seele aus dem Leib. Es ist die ehrlichste Nummer, die ich jemals komponiert habe. Es ist genau der Song, der die Verbindung zwischen mir und so vielen jungen Leuten herstellte, die diesen schmerzhaften Prozess durchmachen oder durchgemacht haben. Genau aus diesem Grund ist die Nummer so wertvoll.“
Pink schrieb zusammen mit Perry folgende Songs: „Family Portrait“, „Just Like A Pill“, „My Vietnam“, „Don’t Let Me Get Me“, „Get The Party Started“, „Dear Diary“ (Textauszug: „I’ve been a bad girl for so long“), „Eventually“ (Textauszug: „This life is lonely when everbody wants something“), „Lonely Girl“ (Textauszug: „I can remember the very first time I cried“) und „Gone To California“ (in dem Song macht sie sich zur Westküste auf, da die „city of brotherly love“ – Philadelphia, in dessen Umgebung sie aufwuchs – für sie „Schmerzen und Verletzungen“ bedeutet). Alle Songs verdeutlichen große Empathie für psychisch kranke und leidende Menschen und ein profundes Verständnis der dunklen Seite des Menschseins. Darüber hinaus hatte das Album für Pink eine weitere wichtige Funktion, denn sie stellte sich ihren Dämonen, ohne einen Schritt zurückzuweichen, und enthüllte mit erschreckender Offenheit Einzelheiten ihrer schwierigen Vergangenheit.
Aus diesem Grund wurde M!ssundaztood als das In Utero des Teen-Pop bezeichnet, eine Referenz an das Nirvana-Album, das Kurt Cobain vor seinem Suizid einspielte. Als Beispiel einer musikalischen Therapie und Selbstanalyse, als Arbeit einer Künstlerin, die ihre Vergangenheit überwindet und erwachsen wird, kann es mit Jagged Little Pill verglichen werden, einer Platte, die Alanis Morissette machte, als sie sich von ihrem Status einer am Reißbrett kreierten Popmusikerin emanzipierte. Tatsächlich kommentierte die Entertainment Weekly, dass „Pink die Verwirrung junger Mädchen mit größerer Genauigkeit und Sorgfalt einfängt als Alanis Morissette.“
Robert Christgau, das selbsternannte „‚Akademische Oberhaupt‘ der US-Rockkritik“, beschrieb die Songs auf M!ssundaztood als „offenherzig und ehrlich, düster, niedergeschlagen – und, okay, manchmal auch ein wenig unbeholfen, was sie zweifellos realistischer erscheinen lässt. Trotz Pinks dreister Äußerung, dass sie nicht so schön ist wie die ‚verdammte Britney Spears‘, tritt ihre Angst vor dem Prominent-Sein in den Hintergrund und lässt den glaubwürdigen persönlichen Schmerz erkennen, der in der tatsächlich stattgefundenen familiären Zerstörung wurzelt. Dieser Schmerz wird durch den künstlerischen Ausdruck im Zaum gehalten und gebändigt.“
Trotz dieses Kommentars kann die Musik aber nicht als Depri-Rock bezeichnet werden. Die Stärke von M!ssundaztood liegt in der Fähigkeit Pinks, ihre persönlichen Erfahrungen – die Leiden, die sie als Kind in einer kaputten Familie ertragen musste, und die damit verbundenen qualvollen Erinnerungen – einem Publikum leicht zugänglich zu machen, das trotz der harten Botschaft mit der Musik seinen Spaß hat. Das Album ist von Beginn bis zum Ende ein melodischer Genuss. „Get The Party Started“ hätte als Opener nicht besser gewählt sein können und ist eine genauso gute Tanznummer wie Cyndi Laupers „Girls Just Want To Have Fun“. „18 Wheeler“ kracht aus den Boxen wie härtester Redneck-Rock – auf diesem Track kann man deutlich den Grund dafür hören, warum Pink als Hauptdarstellerin für das Biopic über Janis Joplin in die nähere Auswahl kam. (Die Originalversion des Tracks enthielt viele Schimpfwörter, die aber gelöscht wurden, um den Parental-Advisory-Sticker zu vermeiden, der sicherlich den Umsatz beeinträchtigt hätte. Von dem Song existiert keine unzensierte Fassung, doch während ihrer Tourneen singt Pink den ursprünglichen Text.) Der Titeltrack im mittleren Tempo kann ideal als Eröffnungssong einer heißen Party gespielt werden, während „Numb“ mehr als nur eine leichte Ähnlichkeit zu Nirvanas epochalem Grunge-Rock erkennen lässt. „Misery“ hingegen ist ein guter, alter Blues-Rock-Party-Song, bei dem es Pink gelingt, Note für Note dem legendären Steven Tyler von Aerosmith das Wasser zu reichen.
Mit M!ssundaztood hatte Pink ein Album produziert, das seine Wirkung durch eine verblüffende Mischung verschiedenster Sounds und Stile entfaltet, die eigentlich nicht miteinander harmonieren, aber trotz aller Gegensätzlichkeit ein großes Ganzes bilden. Es sprüht vor Fantasie, denn Popsongs mit melodiösen Hooks stehen neben glitzernden Dancefloor-Hymnen und Stadion-Balladen (mit der obligatorischen „Feuerzeuge in die Luft“-Ansage) und werden durch leichte Metal-Anklänge ergänzt. Durch die Produktion gelang es, den Biss der Rockmusik mit dem Glamour des Soul und dem einpeitschenden Rhythmus des Rap zu vereinen, und so eine erstaunliche Bandbreite von Songs in einem in sich geschlossenen Werk zu vereinen. Das Album wurde auch für Linda Perry zu einem Triumph, da es ihr gelungen war, Pinks unterschiedliche Facetten in rauer und gefühlvoller Form zu präsentieren und zusätzlich die sprühende Lebensenergie einzufangen. Diese Art einer Performance wirkte ansprechend und fesselnd. Pink hatte ihr vorläufiges Ziel erreicht – sie war eine Sängerin, die leicht den Pfaden des R’n’B hätte folgen können, aber innerlich spürte, dass das nicht der Weg zu ihrem wahren Selbst ist.
Ein Journalist bemerkte: „Seit langer, langer Zeit gab es im Mainstream kein Album mehr, das eine solche Lebendigkeit oder Ausstrahlung hat.“ Sogar Rob Sheffield von Spin, der nicht so überzeugt