Zucchero. Massimo Cotto

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Zucchero - Massimo Cotto

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Intoleranz geschieht, ist keine physische Angst. Sie ist anderer Natur. Wenn ich singe: »Christus, wir sind in Deinen Händen, bitte klatsch nicht in die Hände«, meine ich, dass ich mir nicht sicher bin, ob es richtig ist, dass alle auf die Religion vertrauen, denn manch einen kann sie auch erdrücken. Ich empfinde es als wichtig, dass die zwischenmenschliche Chemie stimmt. In »Pronto« setze ich meine Angst vor allem und jedem, ohne Ausnahme, musikalisch um. Ich fürchte mich vor den Amerikanern, den Engländern, den Italienern, den Moslems und auch den Christen.

      Kehrst du oft nach Roncocesi, deinem Geburtsort, zurück?

      Leider nur selten, ich fürchte mich auch ein wenig davor, zur Genossenschaft zurückzukehren und dort auf die Erzkommunisten zu treffen. Ich behalte lieber meine Erinnerungen. Ich sehe noch die Busse vor mir, die nach Moskau aufbrechen.

      »Cuba libre« bringt die Utopie der Blumenkinder von San Francisco mit einer weiteren großen Utopie, der von Che Guevara und Fidel, zusammen.

      Das Lied habe ich schon vor Einsetzen der gesundheitlichen Probleme bei Castro geschrieben. Die Zeit der beiden Utopien war eine intensive, wichtige Zeit für mich. Die Flower-Power-Bewegung hat meine Jugend geprägt, und das taten auch die Ideen des Che, der an eine gerechtere Welt glaubte. Der erste Traum ging schon vor Jahren zu Ende, und im Moment ist auch der zweite dabei, es ihm gleichzutun. Bei den Mamas und Papas und Canned Heat hört man eine Flöte. Es steckt eine Idee dahinter, die auf »California dreaming« Bezug nimmt, ein auf den ersten Blick studentisches und einfaches Stück, das jedoch jene sehr ernsten Bestandteile enthält, die meine Träume genährt haben. Ich liebe Kuba schon seit jeher und auch den Respekt, den die Kubaner gegenüber Kultur und Musik an den Tag legen. Der Umstand, dass die spanische Plattenfirma dieses Lied nicht als Single wollte, mutet merkwürdig an. Sie dachten nämlich, es enthielte viele Doppeldeutigkeiten. Sie konnten nicht glauben, dass die Zeilen: »Ich mag Lasagne« und »Ich mag Bologna«, was für »Mortadella« steht, in keinster Weise irgendwelche Anspielungen enthalten.

      »Bacco Perbacco« ist eines der typischen energiegeladenen ersten Stücke auf deinen Alben. Ich hätte ihm »Occhi« vorgezogen, aber vielleicht ist deine Strategie für den Einstieg immer dieselbe: Die Zuhörer ganz buchstäblich zu bewegen.

      Mir gefallen die Lieder, die einen zum Tanzen und Schwitzen bringen. Wenn ich bei meinen Konzerten sehe, wie das Publikum tanzt, füllt sich mein Herz mit Freude. Um es in Bewegung zu bringen, braucht es einen obsessiven und wiederkehrenden Rhythmus. Ich dachte an die Singles von Creedence Clearwater Revival. »Occhi« ist auf der Straße entstanden, als ich plötzlich in zwei wunderschöne Augen blickte. Wie oft kommt es vor, dass man von den Augen einer Unbekannten verzaubert wird? Man möchte ihr eigentlich folgen, aber dann kehrt man doch zu seinem Leben zurück. Das habe ich auch getan und ein Lied darüber geschrieben.

      »Quanti anni ho« ist deinem Sohn gewidmet.

      Blu ist dem sehr ähnlich, wie ich als Kind war. Bis vor Kurzem war mir das gar nicht bewusst, aber jetzt, da er herangewachsen ist, habe ich festgestellt, dass er viel von meinem Wesen übernommen hat. Er ist und bleibt die einzige Person, die mich in eine andere Dimension bringen kann. Wenn ich mit ihm über die Wiesen gehe, so wie meine Großmutter Diamante mit mir, scheint es mir, als ob ich in die Vergangenheit zurückkehren würde. Ich erkenne mich in seinem Schweigen und seinem Blick wieder. Mag sein, dass wir wenig miteinander sprechen, aber das Zusammensein mit ihm lässt mich auftanken. Es erfüllt mich mit himmlischen Sphären, mit strahlenden Tagen, mit Leben. »Quanti anni ho« ist das erste Lied, das ich für das neue Album geschrieben habe.

      Was erwartest du dir von ihm?

      Dass er bodenständig aufwächst und nicht wie die Kids in Amerika, wo man als gescheitert gilt, wenn man nicht reich und gut gekleidet ist. Und ich würde mir wünschen, dass er nicht politisch korrekt ist, sondern dass er ab und zu ausflippt. Besser rebellisch und unzufrieden als zahm und auf heuchlerische Weise glücklich.

      »E di grazia plena« …

      Es war in der Nacht, gegen ein Uhr. Plötzlich hatte ich es im Ohr. Ich setzte mich ans Klavier, und in einer Stunde war es fertig. Darin findet sich eine Zeile, die ich geschrieben habe, um eine Lücke zu füllen, sie lautet »Holy mother«; anschließend wurde mir klar, dass es, wenn ich eben das geschrieben hatte, auch einen Grund dafür geben musste. Es handelt sich um ein Gebet, wenn auch ein heidnisches. Ich dachte an eine Frau, so als wäre sie eine Madonna. Von außerordentlicher Anmut. Einst beeindruckte mich der Körper einer Frau, heute ist es ihre Anmut, die den Unterschied ausmacht.

      »Troppa fedeltà« ist ein seltsamer Titel. Und der Song hat die Struktur eines Liedes von Jovanotti.

      Ich befand mich in Bolgheri, im Studio mit Don Was. Ich war dabei, mich zu entscheiden, welche Lieder auf das Album sollten und welche nicht. Die Musik von »Troppa fedeltà« gefiel mir sehr, aber mir fehlte die Zeit, um einen Text zu schreiben. Da ruft Lorenzo an und sagt, er habe erfahren, dass ich gerade Aufnahmen mache und er gerne vorbeischauen würde, um Don Was kennenzulernen. Nur zu gern lade ich ihn ein. Als wir über das Stück sprechen, sage ich zu ihm: »Sieh mal, ich bin mir nicht sicher, ob ich es mit aufnehmen soll. Hättest du Lust, es zu überarbeiten – ganz ohne Verpflichtung?« Er ist einer, der positiv denkt, und so macht er sich an die Arbeit und hat im Nu seitenweise Worte zu Papier gebracht, aus denen dann, zusammen mit jenen, die ich bereits niedergeschrieben hatte, »Troppa fedeltà« wurde.

      Warum sprichst du von zu viel Treue?

      Was soll ich dir antworten? Ich bin nie treu gewesen. Seit Jahren lebe ich das Leben eines Musikers. Von Anfang an sagten die Älteren zu mir: »Du wirst noch sehen, dass man hier außer Singen auch andere Dinge tut.« Zu meinen Frauen habe ich immer gesagt: »So bin ich nun mal, verbucht es unter Inventar; aber ihr sollt wissen, dass ich immer nach Hause zurückkehre.« Manche von ihnen haben verstanden, dass vieles mehr Gerüchten denn Tatsachen entspricht, andere nicht. Ich hasse Heuchelei. Es würde für mich fürchterlichen Stress bedeuten, über längere Zeit eine heimliche Geliebte zu haben, da ich nicht lügen kann.

      Wie viele Stücke kamen nicht auf das Album?

      Ich hatte 35 zur Auswahl. Ich habe noch nie so viel geschrieben wie dieses Mal. Nach den Anfangsschwierigkeiten war ich nicht mehr zu bremsen. Gewöhnlich muss man unter 15, höchstens 16 Stücken 11 auswählen. Was mich betrifft, so ist die perfekte Anzahl von Liedern für ein Album acht, mehr ist ein zu großes Wagnis, und man riskiert Monotonie und Wiederholungen. Ich schaffe es nicht, mir Platten mit 16 oder 17 Stücken anzuhören. 11 ist ein guter Kompromiss zwischen den Erwartungen der Plattenfirma und der Fans und meiner Überzeugung.

      Welche Rezensionen zu Fly würdest du dir wünschen?

      Ich würde gerne hören, dass es ein harmonisches und authentisches Album ist. Weißt du, man sagt, dass die Bauern dazu gut sind, die Felder zu bearbeiten – aber man braucht dafür auch einen hellen Kopf. Man muss sich mit dem Wechsel der Jahreszeiten und den verschiedenen Mondphasen auskennen. Ich baue Musik an.

      Es gefällt mir, die Saat auszubringen und den Dingen beim Wachsen zuzusehen. Und dann ernten zu können. Eins ist sicher, um das Aussäen und die Ernte gut zu bewerkstelligen, braucht man schon Talent.

      Deine Tochter Irene wird dich bei deiner Tour begleiten und unterstützen.

      Was soll ich sagen? Es wäre mir lieber gewesen, sie wäre Tierärztin geworden, aber sie hat so großes Talent, dass es ein Verbrechen wäre, sie zu Hause zu lassen. Das Problem ist der Rahmen. Sie wird das Glück haben, eine Bühne und ein großes Publikum zu haben, aber was ist mit denjenigen, die weniger Glück haben und die nicht aus Künstlerfamilien stammen? Wie gelingt heutzutage einem jungen Musiker der Durchbruch? Die Radiosender spielen ihre Lieder nur, wenn sie sofort einen Hit landen. Ich hoffe, das wird sich ändern.

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