Geeinte Menschheit. Die (d.i. Mira Alfassa) Mutter
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Geeinte Menschheit - Die (d.i. Mira Alfassa) Mutter страница 2
* * *
Kapitel 1
Die Unausweichlichkeit menschlicher Einheit
Worte Sri Aurobindos
Heute dringt das Ideal einer geeinten Menschheit, mehr oder weniger verschwommen, immer stärker in den Vordergrund unseres Bewusstseins. Wenn im menschlichen Denken ein Ideal auftaucht, ist das stets ein Zeichen dafür, dass die Natur eine bestimmte Absicht verfolgt. Sie braucht dabei gar nicht immer die Absicht zu haben, das Ideal zu verwirklichen. Manchmal zeigt es nur einen Versuch an, dem vorläufig noch ein Fehlschlag bestimmt ist. Denn die Natur ist in ihren Methoden langsam und geduldig. Sie greift Ideen auf und verwirklicht sie zur Hälfte. Dann lässt sie sie am Wegrand liegen, um sie in einer späteren Epoche in einem besseren Zusammenhang wieder aufzugreifen. Sie erprobt die Menschheit, ihr denkendes Instrument, sie testet, inwieweit jene schon zur Harmonie fähig ist, die sie erträumt. Sie erlaubt dem Menschen, seine Ideen auszuprobieren, selbst wenn er dabei versagt, damit er daraus lernt und ein anderes Mal besser zum Ziel kommt. Ist das Ideal in den Vordergrund des Denkens gedrungen, muss gewiss der Versuch zu seiner Verwirklichung gemacht werden. Das Ideal einer geeinten Menschheit wird wahrscheinlich eine entscheidende Rolle unter den die Zukunft bestimmenden Kräften spielen. Denn die intellektuellen und die materiellen Umstände unseres Zeitalters haben diese Einung vorbereitet, zwingen sie uns geradezu auf. Hier sind es besonders die naturwissenschaftlichen Entdeckungen, die unsere Erde so klein gemacht haben, dass ihre gewaltigsten Reiche nur noch als Provinzen eines einzigen Landes erscheinen.
Aber die Gunst der materiellen Umstände könnte dem Ideal auch einen Fehlschlag bereiten. Wenn nämlich die materiellen Verhältnisse eine weitreichende Umwandlung begünstigen, aber Herz und Mental der menschlichen Rasse, besonders das Herz, nicht wirklich darauf vorbereitet sind, kann man einen Misserfolg voraussagen. Es sei denn, die Menschen sind rechtzeitig weise und nehmen die innere Umwandlung zusammen mit der äußeren Umgestaltung auf sich. Der menschliche Intellekt ist jedoch gegenwärtig durch die Naturwissenschaft so stark mechanisiert worden, dass er die Umwälzung, auf die er sich selbst immer mehr einstellt, vermutlich in der Hauptsache oder allein mit mechanischen Mitteln durch soziale und politische Anpassungen durchzuführen versucht. Nun kann aber nicht die Einheit der Menschheit, weder überwiegend noch ausschließlich, durch soziale und politische Maßnahmen so zustande gebracht werden, dass sie von Dauer ist und Segen bringt.
*
Worte Sri Aurobindos
Die äußere Vereinigung mag, möglicherweise in relativ kurzer Zeit – was aber noch gar nicht sicher ist –, zustande kommen, weil die unentrinnbare Zielstrebigkeit des Wirkens der Natur in der menschlichen Gesellschaft dorthin geht. Sie arbeitet auf immer umfassendere Verbände hin und muss darum unfehlbar zu einer totalen Zusammenfassung der Menschheit in einem geschlosseneren internationalen System gelangen.
Bei diesem Wirken verlässt sich die Natur auf zwei Kräfte als ihre Vollzugsmittel, die sich kombinieren, um den umfassenderen Zusammenschluss unvermeidlich zu machen. Die erste Kraft ist die fortschreitende Annäherung gemeinsamer Interessen, zumindest gegenseitige Verflechtung und Wechselbeziehung der Interessen in immer weiterem Umkreis. Dieser Vorgang verwandelt die alten Trennungen in Hindernisse und in eine Ursache von Schwäche, Hemmung und Reibung. Zusammenstoß und Konflikt, die aus dieser Reibung entstehen, werden verheerend für alle, selbst für den Sieger, der für seine Gewinne einen zu hohen Preis bezahlen muss. Da aber der Krieg immer komplexer und unheilvoller wird, sind selbst die erwarteten Gewinne nur mit immer größeren Schwierigkeiten zu erzielen, und der Erfolg wird immer problematischer. Weil aber die Einsicht in die Gemeinschaft oder Verflochtenheit der Interessen zunimmt und die Menschen immer unwilliger werden, die Konsequenzen von Zusammenstoß und verheerendem Krieg auf sich zu nehmen, werden sie geradezu gedrängt, jedes Mittel zur Milderung der Spaltungen zu begrüßen, die zu so großem Unheil führen. Wenn man aber dem Zug zur Milderung der Trennungen einmal definitive Form gegeben hat, ist damit eine Bewegung in Schwung gebracht, die zu einer immer enger werdenden Union treibt. Wenn die Natur mit diesen Mitteln nicht zu ihrem Ziel gelangen kann und die Gegensätzlichkeit zu groß ist, als dass der Zug zur Vereinigung siegen kann, wird die Natur andere Mittel verwenden wie Krieg, Eroberung und zeitweilige Vorherrschaft eines machtvollen Staates oder Imperiums oder die Bedrohung durch eine solche Herrschaft, die die Bedrohten zwingt, ein engeres System der Einung anzunehmen. Diese Mittel und Kraft äußeren Zwanges benutzte die Natur schon, um die Nation-Einheiten und die nationalen Imperien zu schaffen. Im Grunde sind es – wenn auch durch die Umstände und in ihrer Arbeitsmethode abgewandelt – dieselben Mittel und dieselbe Kraft, die die Natur anwendet, um die Menschheit zur internationalen Vereinigung zu führen.
Zweitens wirkt hier aber auch die Kraft eines gemeinsamen einigenden Empfindens. Dieses kann auf zwei Arten arbeiten: Es kann vorausgehen als Ursache oder mitwirkender Grund, oder es kann später eintreten als festigendes Ergebnis. Im ersten Fall entsteht das Empfinden für eine umfassendere Einheit bei bisher getrennten Vereinigungen. Es veranlasst sie, nach einer Form der Vereinigung zu suchen, die primär durch die Kraft dieses Gefühls und die zugrundeliegende Idee zustande kommt, sekundär durch diese Kraft der Empfindung als innere Hilfe zu anderen, mehr äußeren Ereignissen und Ursachen. Es ist zu bedenken, dass diese Empfindung in früheren Zeiten nur ungenügend wirksam wurde, unter den kleinen Sippen- oder Gebiets-Nationen. Die Vereinigung musste gewöhnlich durch äußere Umstände bewirkt werden, im Allgemeinen durch die gröbsten von ihnen, nämlich durch Krieg und Eroberung, durch die Vorherrschaft des mächtigsten Volkes unter vielen kriegerischen oder benachbarten Völkern. Später hat aber die Kraft des Gefühls zur Einheit, zumal wenn es von einer klaren politischen Idee unterstützt wurde, zu immer größerem Erfolg geführt. Die umfassenderen nationalen Zusammenschlüsse sind durch einfachen Akt der Föderation oder Union erwachsen, wenn ihm auch manchmal ein gemeinsamer Kampf um die Freiheit oder Vereinigung im Krieg gegen einen gemeinsamen Feind vorausgegangen ist. So sind die Vereinigten Staaten, Italien und Deutschland zu ihrer Einheit zusammengewachsen. Auf friedlicherem Wege einten sich die Föderationen von Australien und Südafrika. In anderen Fällen, besonders bei den früheren nationalen Zusammenschlüssen, ist jedoch das Gefühl zur Einung hauptsächlich oder völlig als Ergebnis vorausgegangener formaler äußerer oder mechanischer Vereinigung entstanden. Um dieses Gefühl heranzubilden und um es wachsen zu lassen, ist der seelische Faktor unentbehrlich. Ohne ihn kann es keine gesicherte und dauernde Union geben. Wenn ein solches Gefühl fehlte, wenn man versäumte, es heranzubilden, und wenn man es nicht lebendig, natürlich und zwingend genug machen konnte, war das die Ursache der Gefährdung von Zusammenschlüssen, wie in Österreich-Ungarn, und der Kurzlebigkeit der alten Imperien. Es wird, wenn sich die Umstände nicht ändern, auch den Zusammenbruch oder die Auflösung der heutigen großen Imperien herbeiführen.
Das Drängen der Kräfte auf eine Art internationaler Weltorganisation, das zu einer möglichen fernen Vereinigung führt, wird durch den Druck von Bedürfnis und Umwelt, durch äußere Umstände durchgesetzt. Heute tritt es zunehmend deutlich als Idee oder inneres Verlangen hervor, obwohl die Ursachen, die es unvermeidlich machen, schon seit geraumer Zeit am Werk sind. Gleichzeitig wird durch die äußeren Umstände ein Empfinden gefördert und angeregt, ein kosmopolitisches, internationales Gefühl, das zwar noch nebelhaft und idealistisch vage ist, aber das Wachsen der formalen Union beschleunigen mag. Für sich allein wäre dieses Gefühl nur ein unzureichendes Mittel, um eine mechanische Union, die man schafft, zu festigen und zu erhalten. Denn es kann kaum so unmittelbar und zwingend sein wie das Nationalgefühl. Es müsste Kraft und Halt hauptsächlich aus der Zweckmäßigkeit der Union beziehen. Die Erfahrung in der Vergangenheit beweist aber, dass das bloße Bedürfnis nach Zweckmäßigkeit letzten Endes nicht stark genug ist, um dem Druck ungünstiger Umstände, wiedererstarkenden alten oder wachsenden neuen