Das willst Du nicht wissen. Ulrich Weibler

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Das willst Du nicht wissen - Ulrich Weibler

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Stoff-Serviette mit lautem Klatschen auf den Tisch und verschwand nach draußen.

      Das mächtige Schiff durchschnitt die großen Wellen ohne dass man irgendeine Form von Seegang verspürte. Es regnete noch leicht nachdem sie während des Abendessens durch ein heftiges Gewitter gefahren sein mussten. Der Boden lag voll mit umhergewehten Kissen, Gegenständen, ein zerrissener Sonnenschirm rollte langsam hin und her.

      Kai-Uwe lief aufgebracht an der Reling entlang. Bis er in einem dunklen Eck des Decks verharrte.

      Er sah wie sie angerannt kam. Keine normalen Schritte. Schnelle tippelnde.

      Sie musste ihn gesucht haben und kam nun direkt und mit stierem Blick auf ihn zu.

      „Sag mal, spinnst Du? Was hast Du Dir dabei gedacht?“, schmetterte sie ihm entgegen.

      Kurz vor ihm wäre sie zum Stehen gekommen. Aber Kai-Uwe machte einen Schritt auf sie zu, fasste ihr mit der rechten Hand zwischen die Beine, packte mit der linken den Stoff ihrer leichten, beinahe durchsichtigen Bluse am Rücken und warf sie, ihren eigenen Schwung nutzend, über die Reling.

      Kein Schrei. Nichts.

      Es dauerte ein wenig bis er hörte, wie ihr Körper im Meer aufklatschte.

      „Laura, meine geliebte Laura, ich habe es getan“, schluchzte er.

      Die Bilder, wie seine älteste Schwester angsterfüllt im Badezimmer zu ihrem Vater verschwand, von dem sie schon als ganz kleines Mädchen benutzt wurde, blitzten allzu deutlich auf. Wundersamerweise verschwanden sie aber alsbald. Genauso wie die Bilder seiner Mutter, die damals ganz genau wusste was geschehen würde und die sich immer nur grinsend in ihre Küche zurück zog und nie einschritt. Dafür hasste er sie. Abgrundtief. Noch mehr hasste er sie, als ihm Laura eines Tages erzählte sie würde ihr Geld nun als Prostituierte und Domina verdienen. So könne sie es den Männern heimzahlen was Vater ihr angetan hatte. Kai-Uwe musste sich an jenem Tag mehrfach übergeben.

      Damals, als es geschah, war er zu klein und zu feige um einzuschreiten. Nun wurde diese Schuld getilgt.

      Jetzt, an der Reling, atmete Kai-Uwe die durch den Regen endlich abgekühlte Luft ein, schlich durch einen naheliegenden Abgang auf das Deck mit den Spielautomaten und Billard-Tischen. Mit einem halbwüchsigen Jungen, der, einen Mitspieler suchend an der Wand lehnte, spielte er mehrere Runden Billard. Danach gesellte er sich zu Bernd an dessen Stammplatz in der Bar und spendierte in bester Stimmung mehrere Mojitos.

      Am nächsten Morgen meldete er mit unbewegter Miene seine Mutter als vermisst.

       Verflucht

      „Reinhold! Mach das nicht!“, rief ihm der Vater hinterher.

      Doch da knallte bereits die Tür ins uralte eiserne Schloss.

      Mit weit ausholenden Schritten ging Reinhold am Kehrstaller-Hof vorbei. Sein Blick verriet ihm, dass sich weder in der Kammer im ersten Obergeschoss noch in der Küche oder im Stall etwas bewegte. Also war auch Matze nicht da.

      Matthias Kehrstaller wuchs zusammen mit ihm in dem kleinen Weiler auf. Der Weiler bestand nur aus ein paar Häusern. Jedoch gehörten viele weit verstreute Höfe mit dazu. In der Grundschule waren sie wenigstens fünfzehn Mädchen und Jungen. Die ganzen Jahre hinweg. Selbst später, in der Schule im Tal.

      Matze war von Anfang an ein wenig stärker und größer als alle anderen. Mithin wuchs er in die Rolle des Platzhirsches hinein. Kam man ihm in die Quere gab es Ärger. Oft genug setzte es Schläge. Ein gutes Dutzend ausgeschlagener Zähne ging inzwischen auf sein Konto.

      Die Schule lag Jahre zurück. Matze Kehrstaller würde bald den Hof seines Vaters übernehmen müssen. Der war unheilbar krank. Selbst die besten Kräuterrezepte konnten ihn nicht mehr retten. Krebs, diese gottverfluchte Krankheit, raffte ihn dahin. Täglich fraß sich dieses unsägliche Etwas tiefer in den erschlaffenden Körper hinein. Matze schien von der Traurigkeit seiner Mutter und der Geschwister nicht erfüllt zu sein. Er kannte seine Position und hatte trotz all der miesen Umstände auf dem Hof das Lachen noch nicht verlernt.

      Der liebe Gott hatte ihn mit einem kräftigen Körper gesegnet, mit wilden schwarzen Haaren und einer stets sonnengebräunten Haut. Seine Stimme war nicht zu überhören. Und er konnte große Mengen von Bier oder Wein wegstecken, ohne dass er jemals unter einem Tisch gelandet wäre.

      Kein Wunder, dass ihn die Mädchen vergötterten. An jedem Finger eine. Und noch viel mehr. Bei den Festen im Tal nutzte er das aus. In seinem Weiler hielt er sich zurück. Für den Vater war keine gut genug. Doch Matze hatte klare Vorstellungen von seiner zukünftigen Partnerin. Das war die Anni.

      Anita stammte aus einem Hof weit oben in den Bergen. Der Gstreiner-Hof warf nicht sehr viel ab. Aber die Familie war stolz auf den viele hundert Jahre alten Hof und liebte das Leben in der Abgeschiedenheit. Auch Anita liebte das Leben auf dem Hof. Sie blickte aber, wie ihre Mutter ständig zu sagen pflegte, über den Tellerrand. Mode, Computer, moderne Kommunikation, auch Geschichte und Bücher gehörten zu den vielen Interessengebieten, die sie pflegte. Sie wollte Lehrerin werden.

      Anita besaß ein äußerst hübsches Gesicht, lange nachtschwarze Haare, eine Wespentaille und einen nicht unbeachtlichen Vorbau. Selbst beim manchmal noch notwendigen Melken der Kühe von Hand machte sie eine gute Figur. Sie wusste das, kokettierte jedoch nicht damit.

      Ihr Herz war noch unbewohnt. Sie wusste um ihre Attraktivität. Auch, dass der junge Kehrstaller hinter ihr her war. Allerdings konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen mit diesem in ihren Augen grobschlächtigen Kerl einen Bummel durch Mailand zu machen, in München in einem Biergarten zu sitzen oder auch nur mal unten im Tal in den Boutiquen zu stöbern. Deshalb schied er für sie aus.

      Im Weiler lebte aber ein junger Mann der sie viel mehr interessierte. Reinhold, der Sohn vom alten Mußner, war gebildet, kleidete sich cool, interessierte sich für Technik und wollte mal Ingenieur werden. Dazu studierte er seit einem Jahr in Bozen.

      Immer wenn sie sich begegneten, kribbelte es bei ihr. Noch nicht lange her hatte er sie am Ende eines Dorffestes zum Abschied ganz vorsichtig und sanft auf ihre Wange geküsst. Davon wünschte sie sich mehr.

      Und gestern war es endlich passiert.

      Man hatte sich beim Moosleitner-Wirt im Gasthaus getroffen. Ein bekannter Musiker kam vorbei und verabredete sich mit ein paar Mitstreitern aus den Höfen ringsum. Das sprach sich herum wie ein Lauffeuer. Anita nutzte die Gelegenheit und hoffte auf ein Treffen mit Reinhold. Schließlich waren Semesterferien.

      Stattdessen fing sie der Matze ab. Sein heftiger Parfümgeruch wurde bereits vom Biergeruch verdrängt. Sie schubste ihn zur Seite und machte eine abfällige Bemerkung. Sofort spürte sie seine düsteren Blicke. Hoffentlich war sie nicht zu weit gegangen.

      Reinhold kam etwas später und gesellte sich zu seinen Freunden. Er bemerkte Anita. Er dachte manches Mal nächtelang an das schöne Mädchen vom Gstreiner-Hof. Für ihn kam nur eine wie sie in Frage. Eine Frau, die ihre gemeinsame Heimat in den Bergen liebte, mit der man aber dennoch in die Welt ziehen konnte, in der Pomp und Flitter mehr zählten als die Werte eines harten Lebens im Gebirge. Dort, in jener Welt, würde er später mal seinen Beruf ausüben müssen. Er konnte sich jedoch beim besten Willen nicht vorstellen, später mal mit einem dieser oberflächlichen Püppchen zusammen zu sein, die er in der Universitätsstadt zu Hauf kennengelernt hatte.

      Reinhold gab sich einen Ruck. Er forderte

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