Leitfaden Growth Marketing. Tomas Herzberger
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Genau das macht ein moderner Marketer: Er setzt in hoher Zahl kleine und große Abwandlungen bestehender Prozesse in die Welt und schaut, was beim Kunden ankommt. Neu ist, dass heute die meisten Interaktionen digital ablaufen und damit eine Unmenge von Daten produziert werden, die nur darauf warten, ausgewertet zu werden.
In der Evolution bekommen die besseren Mutanten mehr zu fressen und wachsen schneller, während für die erfolglosen nichts mehr übrig bleibt. Sie verhungern und können keinen Nachwuchs mehr zeugen.
Im digitalen Marketing wird dazu anders als bei der Evolution noch eine göttliche Instanz benötigt: Ein Marketingmanager analysiert die durch die Varianten erzeugten Daten und schaltet alle erfolglosen Varianten gnadenlos ab. Bei den erfolgreichen Varianten dagegen wird nachgefüttert, sprich das Budget erhöht. Und je schneller dieser Trial-Error-Zyklus durchlaufen wird, desto erfolgreicher ist das Growth Marketing.
Die Digitalisierung der Kundenbeziehung
4,5 Milliarden Menschen weltweit sind online. Vor fünf Jahren waren es nur 3,4. Die Starlink-Satelliten des Tesla-Gründers Elon Musk bringen das Internet jetzt auch in die Wüste und in den Urwald. Facebook, China Mobile, MTN, Orange, Vodafone und Telecom Egypt legen gerade ein dickes Glasfaserkabel, um 23 afrikanische Staaten besser anzubinden. In Italien liegt der Preis pro Gigabyte mobiler Daten bei 38 Cent, in Israel bei 11 Cent. Seit vielen Jahren vollzieht sich ein langsamer Wandel von klassischen Kommunikationskanälen hin zu digitaler Kommunikation. WhatsApp sendet täglich 100 Milliarden Nachrichten, in Brasilien kann man bequem mit WhatsApp bezahlen. In Kenia nutzt mehr als die Hälfte der Bevölkerung den Mobile-Payment-Dienst M-Pesa. Die aktuelle Krise zwingt Verbraucher wie Unternehmen, diesen Weg zu beschleunigen. Die Einschränkungen im öffentlichen Leben und im öffentlichen Raum lassen keine Wahl: Es muss auch digital gehen.
Und es geht: 23 Millionen indische Schüler im Staat Maharashtra arbeiten jetzt auf einer Lernplattform von Google. Die Qualifizierte Elektronische Signatur (QES) hat sich in den vergangenen 20 Jahren nicht durchgesetzt, doch plötzlich steigt das Interesse rasant.
Großeltern, die jahrelang E-Commerce nur von Hörensagen kannten, bestellen online und merken, dass das sogar bequemer ist. Unternehmen, die sich lange gegen Homeoffice gesträubt haben, stellen erstaunt fest, dass Mitarbeiter zu Hause manchmal sogar produktiver sind. Geschäftsreisende erleben, dass Videokonferenzen zwar kein Ersatz für persönliche Treffen sind, aber oft eine äußerst sinnvolle Ergänzung. Kurz: Wir alle merken, dass es auch anders geht.
Digitales Marketing boomt
Kontinuierlich steigt die Zeit, die Menschen online sind. Wenn mehr Menschen mehr Zeit im Internet verbringen, steigt das Angebot an Werbeplätzen. Der beste Zeitpunkt, ins Programmatic Advertising einzusteigen. Seit 2013 hat sich das Geschäft mit der datengetriebenen Werbung fast verzehnfacht. Klassische Werbebuchung ist laut aktuellen Zahlen ein Auslaufmodell. 77 Prozent der Banner werden inzwischen programmatisch ausgespielt. Die Umsätze mit programmatischer Werbung in Europa sind laut IAB im vergangenen Jahr um 23 Prozent auf insgesamt 23 Milliarden Euro gestiegen.
Wer einen gut gepflegten E-Mail-Verteiler sein Eigen nennt, muss auch bei einem Lockdown nicht in Panik ausbrechen, denn plötzlich ist die elektronische Post der einzige Weg, direkten Kontakt mit Kunden aufzunehmen. Die Öffnungsraten der E-Mails schossen im Lockdown nach oben, weil es schlicht und einfach nichts anderes zu tun gab, als seine E-Mails zu lesen. Gleichzeitig sind einige Unternehmen dermaßen in Schockstarre verfallen, dass keiner sich darum gekümmert hat, laufende Kampagnen weiterzuführen. Im Ergebnis gab es weniger E-Mails und damit mehr Zeit für die verbleibenden Mails in der Inbox.
E-Mail, Social Media und Suchmaschinen
Nach wie vor sind es die Kanäle E-Mail, Social Media und Suchmaschinen, die die höchste Verbreitung haben. Die meisten großen und mittleren Unternehmen sind hier aktiv, wenn auch mit sehr unterschiedlicher Intensität (Abbildung 1).
Abb. 1: Anteil der Unternehmen, die diese Kanäle 2020 für die Kundenkommunikation einsetzen [1].
Auch die Professionalisierung des digitalen Marketing nimmt zu. 98,7 Prozent haben inzwischen sichere Webseiten (SSL) – vor einem Jahr waren es nur 95 Prozent [2]. Die Website wird zunehmend interaktiver – so bieten bereits 80 Prozent der Unternehmen ihren Kunden ein Log-in zum Mitgliederbereich an – im Vorjahr waren es nur 68 Prozent.
Von den digitalen Kanälen ist lediglich der Bereich Mobile Messenger auf dem Rückzug. Waren es 2019 noch 65 Prozent, die Messenger eingesetzt haben, so fiel der Anteil dieses Jahr auf 58 Prozent. Die Entscheidung seitens WhatsApp, den Versand von automatisierten Massenmailings ab Dezember 2019 zu verbieten, zeigt erste Auswirkungen – so verzichten, im Vergleich zum Vorjahr, sieben Prozent der Unternehmen auf die Kommunikation per Messenger. Das größte Minus ist in der Touristikbranche erkennbar, hier sank der Einsatz des Kanals von 82 Prozent (2019) auf 67 Prozent (2020). Statt also auf einen anderen Dienst auszuweichen oder von einer Push- auf eine Pull-Kommunikation umzuschwenken, stampfen einige Unternehmen das Thema Messenger vollständig ein.
Budgets verschieben sich zum digitalen Marketing
Die wenigsten Unternehmen streichen Budgets für die digitalen Kanäle. Im Gegenteil: Knapp die Hälfte erhöht ihre Ausgaben für Social-Media-Marketing und über zwei Drittel bei E-Mail und Suchmaschinen (Abbildung 2).
Abb. 2: Anteil der Unternehmen, die ihr Budget 2020 erhöhen oder beibehalten [1].
Lediglich die Dynamik der digitalen Transformation hat sich verändert. 2018 war das Wachstum der Digitalbudgets noch deutlich ausgeprägter als 2020. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Analyse im Januar, also vor Ausbruch der Pandemie, stattfand. Diese Zahlen haben sich möglicherweise wieder erhöht.
Seit 2018 ist ein leichter Abwärtstrend hinsichtlich der Steigerung der Marketingbudgets erkennbar: So rudern jährlich rund zwei Prozent der befragten Unternehmen zurück und verzichten darauf, das Werbebudget im neuen Jahr nochmals zu steigern. Der Anteil der Unternehmen, welche das Budget senken wollen, ist dieses Jahr sogar um vier Prozentpunkte gestiegen und liegt damit bei knapp 20 Prozent. Diese Entwicklung könnte auf eine sinkende Investitionsbereitschaft, kosteneffizientere Werbemaßnahmen, das Abstoßen von Marketingkanälen oder die Budgetverschiebungen in andere Unternehmensbereiche zurückzuführen sein. Am stärksten ist der Rückgang in der Tourismusbranche spürbar – hier verzichtet fast jeder Zehnte darauf, das Budget dieses Jahr weiter zu erhöhen.
Auf der anderen Seite gibt es viele Unternehmen, die das digitale Marketing noch nicht