Der kleine Ritter (Herr Wolodyjowski). Henryk Sienkiewicz
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Читать онлайн книгу Der kleine Ritter (Herr Wolodyjowski) - Henryk Sienkiewicz страница 16
Frau Makowiezka machte wirklich ein sehr schlaues Gesicht, das übrigens gar nicht zu ihrem einfältigen, redlichen Aussehen paßte, und sagte:
»Man hat so über dies und jenes nachgedacht, wie es uns Frauen ja gewöhnlich nicht an Schlauheit fehlt. Mein Mann soll hier zur Wahl herkommen, und ich habe die Mädchen vorher mitgenommen, weil die Tataren jeden Augenblick kommen können. Sollte aber daraus etwas Glückliches für Michael entstehen, so gelobe ich eine Wallfahrt zu Fuß zu einem Wunderbilde.«
»Es wird geschehen,« sagte Sagloba.
»Beide Mädchen sind aus großem Hause, beide vermögend, und das bedeutet etwas bei den heutigen schweren Zeiten ...«
»Mir brauchte man so etwas nicht zweimal zu sagen. Michaels Vermögen hat der Krieg verzehrt, obwohl ich weiß, daß er ein paar Groschen bei großen Herren stehen hat. Wir haben manchmal ausgezeichnete Beute gemacht, und obgleich das dem Hetman abgeliefert wurde, so wurde doch manches davon geteilt, wie man bei uns Soldaten sagt, frisch vom Säbel weg. Auf Michaels Teil kam manchmal so viel, daß, wenn er alles hätte aufbewahren wollen, er heute ein schönes Vermögen hätte. Aber der Soldat denkt nicht an das Morgen und genießt das Heut', und Michael hätte alles durchgebracht, wenn ich ihn nicht immer zurückgehalten hätte. Ihr sagt also, gnädige Frau, daß die Mädchen von hohem Stande seien?«
»In der Drohojowska fließt Senatorenblut. Zwar unsere Grenzkastellane sind nicht gerade Krakauer, und es gibt manchen, von dem man in der Republik nicht spricht; aber wer doch einmal auf dem Senatorenstuhl gesessen hat, der vererbt auch seinen Glanz seinen Nachkommen. Was aber die Ahnen betrifft, so steht die Jesiorkowska fast noch höher als die Drohojowska ...«
»Ich bitte, bitte, ich selbst leite meinen Stammbaum von einem Könige der Massageten her, und darum höre ich gern von Stammbäumen.«
»Aus einem so hohen Neste ist nun die Jesiorkowska nicht, aber wenn Ihr hören wollt ... denn wir hier von unseren Gegenden können jedermanns Haus an den Fingern herzählen ... Nun, sie ist eine Verwandte der Potozkis, der Jaslowizkis und der Laschtschs. Seht, das war so ...«
Hier richtete die Frau Truchseß die Falten ihres Kleides und setzte sich bequemer, um in der beliebten Erzählung sich nicht unterbrechen zu müssen; dann breitete sie die Finger der einen Hand aus, bereitete den Zeigefinger der anderen zur Aufzählung der Urväter und Urmütter vor und begann:
»Die Tochter des Herrn Jakob Potozki, Elisabeth, von seiner zweiten Frau Jaslowizka, heiratete Herrn Johann Smiotanko, den Bannerträger von Podolien ...«
»Ich hab's mir gemerkt,« sagte Sagloba.
»Aus dieser Ehe wurde Herr Nikolaus Smiotanko geboren, gleichfalls Bannerträger von Podolien.«
»Hm, schönes Amt.«
»Dieser war verheiratet in erster Ehe mit Dorohosto ... nein, mit einer Roschynska ... nein, mit einer Woronitsch ... ei daß doch, ich hab's vergessen!«
»Gott hab' sie selig, wie sie auch geheißen hat,« sagte Sagloba ernst.
»In zweiter Ehe heiratete er eine Laschtsch.«
»Welches waren die Konsequenzen dieser Ehe?«
»Die Söhne starben ihnen.«
»Jede Freude dieser Welt ist zweifelhaft.«
»Und von den vier Töchtern hat die jüngste, Anna, einen Jesiorkowski geheiratet, der zuletzt, wenn ich nicht irre, Schwertträger von Podolien war.«
»Ja, das war er, ich erinnere mich,« sagte Sagloba mit voller Sicherheit.
»Aus dieser Ehe, seht Ihr, stammt Baschka.«
»Ich erkenne das auch daraus, daß sie in diesem Augenblick mit Ketlings Mörser zielt.«
Fräulein Drohojowska und der kleine Ritter waren im tiefen Gespräch, und Fräulein Baschka zielte wirklich zum Vergnügen mit dem Mörser in der Richtung des Fensters.
Frau Makowiezka begann bei diesem Anblick zu zittern und zu kreischen.
»Sie können sich gar nicht vorstellen, was ich mit diesem Mädchen leide; der reine Heidemak!«
»Wenn doch alle Heidemaken so wären — ich ginge bald zu ihnen.«
»Sie hat nichts im Kopf als Waffen, Pferde, Krieg. Einmal lief sie aus dem Hause zur Jagd auf Enten mit der Flinte. Sie kommt mitten in das Röhricht und sieht, das Röhricht bewegt sich auseinander, und der Kopf eines Tataren taucht auf, der sich durch das Röhricht in das Dorf schleichen wollte. Eine andere wäre erschrocken, aber das Ding, — wie es Euch losschießt, und der Tatar, patsch! ins Wasser auf der Stelle. Denkt Euch, sie hat ihn hingestreckt! Und womit? Mit Entenschrot!«
Hier begann Frau Makowiezka wieder sich zu schütteln und zu lachen über das Abenteuer mit dem Tataren; dann fügte sie hinzu:
»Aber was wahr ist: sie hat uns alle gerettet, denn es war eine ganze Schar im Anzuge. Da sie aber zurückkam und Alarm schlug, hatten wir Zeit, mit dem ganzen Gesinde in den Wald zu flüchten. Bei uns geht's immer so.«
Saglobas Gesicht glänzte in solchem Entzücken, daß er sogar einen Augenblick das Auge schloß; dann sprang er auf, eilte zu dem Mädchen hin und küßte es, ehe es sich's versah, auf die Stirn.
»Das von einem alten Soldaten für den Tataren im Röhricht!« sagte er.
Das Mädchen warf kühn seinen blonden Kopf zurück.
»Was? Ich habe es ihm eingetränkt!« rief es mit seiner frischen Kinderstimme, die so seltsam klang bei dem Inhalt ihrer Worte.
»Du mein lieber, kleiner Heidemak!« sagte Sagloba gefühlvoll.
»Aber was bedeutet so ein Tatar! Ihr Herren habt ihrer tausend niedergehauen, und Schweden und Deutsche und die Ungarn Rakoczys! Was bedeute ich neben euch, neben solchen Rittern, die ihresgleichen in der ganzen Republik nicht haben. Ich weiß wohl, oho!«
»Wir lehren Euch den Degen führen, wenn Ihr solchen Mut habt. Ich bin schon ein wenig schwerfällig; aber Michael, er ist auch ein Meister.«
Das Mädchen sprang bei diesem Vorschlag in die Höhe, dann küßte es Sagloba auf den Arm, knickste dem kleinen Ritter zu und sagte: »Ich danke für das Versprechen! — ein wenig kann ich's schon.«
Wolodyjowski aber war im tiefen Gespräch mit Christine Drohojowska; er antwortete daher zerstreut:
»Wie Ihr befehlt, mein Fräulein.«
Sagloba setzte sich wieder mit strahlendem Gesicht zur Frau Truchseß.
»Meine liebe gnädige Frau,« sagte er, »ich weiß sehr wohl, wie süß türkische Früchte sind, denn ich habe lange Jahre in Stambul gehaust; aber auch das weiß ich, daß es viele gibt, die ihrer begehren. Wie kommt es,