Der kleine Ritter (Herr Wolodyjowski). Henryk Sienkiewicz
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Wolodyjowskis Freunde hatten daraus günstige Vorzeichen für seine Heirat geweissagt. Aber das Schicksal hatte es anders beschlossen.
1. Kapitel.
An einem schönen Herbsttage saß unter dem schattigen Dache seiner Laube Herr Andreas Kmiziz, trank zum Vesper seinen Met und blickte durch die mit dichtem Hopfen bewachsenen Stäbe auf seine Gattin, die auf dem schön gefegten Stege vor der Laube auf und nieder ging.
Frau Kmiziz war über die Maßen schön. Ihr helles Haar umrahmte ein freundliches, fast engelhaftes Gesicht. Langsam und vorsichtig schritt sie einher, denn sie war erfüllt von Ernst und Segen.
Herr Andreas Kmiziz schaute ihr mit furchtbar verliebten Blicken nach. Wohin sie sich wandte, folgte sein Auge ihr mit einer solchen Anhänglichkeit, wie dasjenige eines Hundes seinem Herrn zu folgen pflegt. Von Zeit zu Zeit lächelte er, denn er war überaus froh bei ihrem Anblick und strich den Schnurrbart in die Höhe, und dann zeigte sich immer in seinem Gesicht der Ausdruck loser Schelmerei. Man sah, der Ritter war von Natur ein Schalk und mußte wohl in jüngeren Jahren so manchen tollen Streich verübt haben.
Die Stille im Garten wurde nur durch den Widerhall herabfallender überreifer Früchte und durch das Summen der Insekten unterbrochen. Das Wetter war wunderbar schön geworden. Es war im Anfang des September. Die Sonne glühte nicht mehr zu heiß, warf aber noch immer reichlich ihre goldenen Strahlen. In diesen Strahlen glänzten die roten Äpfel durch das grüne Laub in so großer Zahl, daß es aussah, als seien die Bäume ringsherum mit Früchten beklebt. Die Zweige der Pflaumenbäume bogen sich unter der Last ihrer Früchte, die wie mit grauem Wachs umhüllt schienen.
Die ersten Fäden der Spinnweben, die sich von Ast zu Ast zogen, schwankten bei dem leisen Wehen eines Windes, der nicht einmal die Bäume rauschen machte. Vielleicht mochte auch dies herrliche Wetter Herrn Kmiziz mit solcher Heiterkeit erfüllen, denn sein Antlitz leuchtete immer mehr auf. Endlich trank er seinen Met aus und sagte zu seiner Gattin:
»Komm doch einmal her, Olenka![A] Ich will dir etwas sagen.«
»Nur nicht etwas, was ich nicht gern höre,« entgegnete sie.
»Bei Gott nicht! Höre nur!«
Bei diesen Worten faßte er sie um die Hüfte, legte seinen Schnurrbart an ihr helles Haar und flüsterte:
»Wenn es ein Knabe sein wird, soll er Michael heißen.«
Sie aber wandte das Gesicht, das ein wenig rot geworden war, ab und flüsterte:
»Du hast doch versprochen, nichts dagegen einzuwenden, daß er Heraklius heiße.«
»Ja, siehst du, wegen des Wolodyjowski.«
»Aber geht nicht das Andenken des Großvaters vor?«
»... Und meines Wohltäters ... hm, gewiß ... Aber der zweite muß Michael heißen, es geht nicht anders.«
Hier erhob sich Olenka und versuchte sich aus den Händen Kmiziz' zu befreien; er aber zog sie noch kräftiger an sich und begann sie auf Mund und Augen zu küssen, indem er immer und immer wiederholte:
»Du mein Sonnenschein, mein Tausendschön, mein einzig Geliebtes!«
Das weitere Gespräch unterbrach ein Bursche, der sich am Ende der Straße zeigte und eilig auf die Laube zuschritt.
»Was willst du?« fragte Kmiziz, indem er seine Frau losließ.
»Herr Charlamp ist gekommen; er wartet im Zimmer,« antwortete der Bursche.
»Sieh, da ist er schon selbst!« rief Kmiziz, als er den Mann gewahrte, der auf die Laube zukam. »Du lieber Gott, wie sein Bart grau geworden ist! Willkommen, teurer Freund, willkommen, alter Kriegskamerad!«
Er stürzte aus der Laube und eilte Herrn Charlamp mit ausgebreiteten Armen entgegen. Aber Herr Charlamp verneigte sich erst tief vor Olenka, die er vor langen Jahren am Hofe von Kiejdan bei dem Fürst-Wojewoden von Wilna gesehen hatte, dann drückte er ihre Hand an seinen riesigen Schnauzer, und nun erst warf er sich Kmiziz um den Hals und schluchzte an seiner Schulter.
»Beim Himmel, was ist Euch!« rief der erstaunte Hausherr.
»Dem einen hat Gott den Segen gegeben,« antwortete Charlamp, »den er dem anderen entzieht. Meiner Trauer Ursache aber kann ich nur Euch allein erzählen.«
Hier blickte er Frau Olenka an; sie aber erriet, daß er in ihrer Gegenwart nicht sprechen wolle, und sagte zu ihrem Manne:
»Ich will den Herren Met herausschicken; jetzt lasse ich euch allein.« Kmiziz zog Herrn Charlamp in die Laube, bot ihm auf der Bank einen Platz und rief:
»Was ist dir? Brauchst du Hilfe? Auf mich kannst du zählen wie auf einen Bruder.«
»Mir fehlt nichts,« antwortete der alte Soldat, »ich brauche auch keine Hilfe, solange ich mit dieser Hand und mit diesem Degen schaffen kann; aber unser Freund, der würdigste Ritter der Republik, ist in schwerer Not, und ich weiß nicht, ob er noch atmet.«
»Bei allen Wunden Christi! Wolodyjowski ist ein Unglück widerfahren?«
»So ist's,« antwortete Charlamp, und seine Tränen flossen in neuen Strömen. »Wisse, Freund, Fräulein Anna Borschobohata hat dieses Jammertal verlassen.«
»Sie ist gestorben!« schrie Kmiziz auf und faßte sich mit beiden Händen an den Kopf.
»Wie ein Vogel vom Pfeil getroffen.«
Es trat eine Pause des Schweigens ein. Nur die herabfallenden Äpfel schlugen hier und da schwer auf den Boden, und Charlamp stöhnte immer vernehmlicher, da er seine Tränen hemmen wollte. Kmiziz aber rang die Hände und wiederholte, beständig mit dem Kopfe schüttelnd:
»Du lieber Gott, du lieber Gott, du lieber Gott!«
»Wundere dich nicht über meine Tränenströme!« begann endlich Charlamp; »denn wenn dir auf die bloße Nachricht von dem Ereignis der Schmerz unerträglich die Brust zusammenschnürt, was soll ich erst, der ich ihr Hinscheiden und ihr Leiden gesehen habe, das alles Maß überstieg.«
Jetzt trat der Diener ein, der eine Kanne und ein zweites Glas brachte; ihm folgte Frau Olenka, die ihre Neugier