Der kleine Ritter (Herr Wolodyjowski). Henryk Sienkiewicz

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Der kleine Ritter (Herr Wolodyjowski) - Henryk Sienkiewicz

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gedacht, daß Ihr mir böse seid!«

      »O Gott,« rief Wolodyjowski, »ich wäre nicht würdig, einen Blick von Euch zu empfangen, wenn ich dies getan hätte. Aber nicht das war es.«

      »Was war es denn?« fragte Christine und richtete wieder ihre Augen auf ihn.

      »Ich will aufrichtig sprechen, denn ich denke, die Aufrichtigkeit ist immer mehr wert als die Verstellung. Aber ... aber das vermag ich nicht auszusprechen, wieviel Trost Ihr mir ins Herz gegossen habt, und wieviel Dankbarkeit ich für Euch empfunden habe!«

      »O, daß es doch immer so bliebe!« antwortete Christine, indem sie über der Arbeit die Hände kreuzte.

      Und Michael erwiderte in tiefer Traurigkeit:

      »O, wenn es doch, wenn es doch so bliebe! Aber mir hat Herr Sagloba gesagt — ich spreche zu Euch wie zu einem Priester — mir hat Sagloba gesagt, daß die Freundschaft mit Frauen ein gefährlich Ding ist, denn leicht, wie die Glut unter der Asche, kann sich ein heißeres Gefühl darunter verbergen. Ich aber habe gedacht, Sagloba könne recht haben und — verzeiht, Fräulein, einem schlichten Soldaten, ein anderer würde es vielleicht feiner sagen können — mir, mir blutet das Herz, daß ich Euch in den letzten Tagen zurückgesetzt habe ... Und das Leben wird mir schwer, schwer.«

      Bei diesen Worten bewegte sich Michaels Schnurrbart so schnell hin und her, wie kein Käfer seine Fühlhörner bewegt.

      Christine ließ den Kopf sinken, und zwei kleine Tränen flossen über ihre Wangen.

      »Wenn Euch das Ruhe geben kann, und Ihr glaubt, daß meine schwesterliche Neigung nichts nütz ist, so will ich sie verbergen ...«

      Und wieder flossen zwei Tränen über ihre rosigen Wangen. Aber dieser Anblick zerriß Michael das Herz.

      Er sprang auf Christine zu und ergriff ihre Hände. Ihr Stickrahmen fiel von ihrem Schoß bis in die Mitte des Zimmers; der Ritter aber achtete nicht darauf, er drückte nur die warmen, weichen Sammethände an seine Lippen und wiederholte:

      »Weint nicht, Fräulein, um Gottes willen, weint nicht!«

      Er hörte aber auch nicht auf, die Hände zu küssen, als Christine, wie das Menschen zu tun pflegen, wenn sie Kummer haben, ihre Hände auf dem Kopfe zusammenlegte; im Gegenteil, er küßte sie um so heißer, bis die Wärme, die aus Kopf und Stirn strahlte, ihn wie Wein berauschte und seine Sinne verwirrte.

      Dann wußte er selbst nicht, wie und wann seine Lippen auf ihre Stirn geraten waren und sie noch heißer küßten. Dann gelangten sie auf ihre weinenden Augen, und alles tanzte um ihn her. Dann fühlte er jenen zarten, weichen Flaum über ihrem Munde, dann berührten sich ihre Lippen und drückten sich lang und kräftig aneinander. Es wurde still im Zimmer, nur die Uhr tickte in gemessenem Ernste.

      Plötzlich hörte man im Flur Bärbchen trampeln, und ihre kindliche Stimme rief:

      »Die Kälte, die Kälte!«

      Wolodyjowski sprang von Christine zurück wie ein Luchs, der von seinem Opfer aufgescheucht wird, und in diesem Augenblick stürzte Bärbchen lärmend ins Zimmer und wiederholte unaufhörlich:

      »Die Kälte, die Kälte!«

      Da stolperte sie plötzlich über den Stickrahmen, welcher mitten im Zimmer lag; sie blieb stehen und blickte verwundert bald auf das Körbchen, bald auf Christine, bald auf den kleinen Ritter und sagte:

      »Was, habt Ihr aufeinander gezielt wie mit dem Wurfspieß?«

      »Und wo ist Tantchen?« fragte Fräulein Drohojowska, indem sie sich bemühte, aus ihrer wogenden Brust einen ruhigen, natürlichen Ton hervorzubringen.

      »Tantchen kriecht aus dem Schlitten heraus,« antwortete gleichfalls mit veränderter Stimme Bärbchen, und ihre beweglichen Nasenflügel gingen lebhaft hin und her. Sie blickte noch einige Male auf Christine und Herrn Wolodyjowski, der inzwischen das Körbchen aufgehoben hatte; dann ging sie plötzlich aus dem Zimmer.

      Aber in diesem Augenblick schleppte sich die Frau Truchseß durch die Tür; auch Sagloba kam von oben herunter, und das Gespräch kam auf die Frau Kämmerer von Lemberg.

      »Ich habe gar nicht gewußt, daß sie die Patin des Herrn Nowowiejski ist,« sagte die Frau Truchseß, »der ihr viel gebeichtet haben muß, denn sie hat Bärbchen furchtbar mit ihm aufgezogen.«

      »Und was hat Bärbchen gesagt?« fragte Sagloba.

      »Ei was, Bärbchen, der Springinsfeld. Sie hat der Frau Kämmerer gesagt, er habe keinen Bart und ich keinen Verstand, und Gott wisse, wer von uns zuerst dazu komme.«

      »Das wußte ich wohl, daß sie ihre Zunge nicht verlieren würde, aber wer weiß, was sie in Wirklichkeit denkt? Frauenlist!«

      »Wie das Herz denkt, so spricht die Zunge — so steht's mit Bärbchen! Übrigens habe ich Euch schon gesagt, daß sie Gottes Willen noch nicht empfindet; eher Christine.«

      »Tantchen!« sagte plötzlich Christine.

      Das weitere Gespräch verhinderte ein Diener, welcher ankündigte, daß das Abendbrot bereit sei. Sie gingen also alle in das Speisezimmer; nur Bärbchen war nicht da.

      »Wo ist Bärbchen?« fragte die Frau Truchseß den Diener.

      »Das Fräulein ist im Stall. Ich habe dem Fräulein gesagt, daß das Abendbrot da sei; das Fräulein sagte »Gut!« und ging in den Stall.«

      »Sollte ihr etwas Unangenehmes begegnet sein? Sie war so lustig,« sagte Frau Makowiezka zu Sagloba gewendet. Da sagte der kleine Ritter, der ein unruhiges Gewissen hatte:

      »Ich will nach ihr sehen.«

      Und er ging hinaus; er fand sie wirklich gleich an der Stalltür auf einem Bund Heu sitzend. Sie war so in Gedanken versunken, daß sie ihn gar nicht bemerkte, als er eintrat.

      »Fräulein Barbara!« sagte der kleine Ritter und neigte sich über sie.

      Bärbchen fuhr zusammen, als sei sie aus dem Schlafe erwacht, und erhob zu ihm die Augen, in welchen Wolodyjowski zu seinem größten Erstaunen zwei Tränen, groß wie Perlen, bemerkte.

      »Ums Himmels willen, was ist Euch, Fräulein, Ihr weint?«

      »Ich denke gar nicht daran!« rief Bärbchen aufspringend, »ich denke gar nicht daran, — das kommt von der Kälte.«

      Und sie lachte heiter; aber dieses Lachen war ein wenig erzwungen. Dann zeigte sie, um die Aufmerksamkeit von sich abzulenken, auf ein Gitter, hinter welchem der Apfelschimmel stand, den Wolodyjowski von dem Hetman zum Geschenk erhalten hatte, und sagte lebhaft:

      »Ihr habt gesagt, man könne zu diesem Pferde nicht hineingehen? Wir wollen doch sehen.«

      Und ehe Michael sie zurückhalten konnte, sprang sie über das Gitter. Das wilde Tier begann sogleich sich zu bäumen, mit den Füßen auszuschlagen und die Ohren zu senken.

      »Um Gottes willen, er kann Euch töten!« schrie Wolodyjowski und sprang ihr nach.

      Aber Bärbchen hatte schon begonnen,

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