Werden wir auf dem Mars leben?. Группа авторов

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handelt. Verfassungen sind ein Schutzmechanismus gegen eine allzu leichtfertige Entdemokratisierung, aber – so zeigt es die Geschichte des 20. Jahrhunderts – keine für politische Brandstifter unüberwindbare Feuermauer. Weder entsteht Demokratie automatisch noch ist sie für immer und ewig gesichert. Im Gegenteil: Man muss sie auch im 21. Jahrhundert stets neu erkämpfen und sorgsam bewahren.

      Geschieht das in ausreichendem Ausmaß? Oder gibt es zunehmend antidemokratische Entwicklungen, die das Ende unserer Demokratie bedeuten können? Welche Anforderungen bestehen überhaupt, damit sich die jeweilige Heimatgemeinde, Niederösterreich, Österreich und EU-ropa zu Recht als demokratisch bezeichnen dürfen? Übrigens leben, so die Daten der renommierten NGO Freedom House, nur rund 40 Prozent der Weltbevölkerung in demokratischen Ländern. Parallel dazu kritisieren internationale Studien zunehmend Einschränkungen der politischen und zivilen Freiheit, was auch Länder auf dem europäischen Kontinent – etwa Polen und Ungarn sowie Russland und die Türkei – betrifft.

      Außer Streit stehen als allgemeine Voraussetzung für Demokratie zwei Grundprinzipien: Das erste Prinzip betrifft die Kontrolle der politischen Entscheidungsträger, insbesondere durch das Volk mittels allgemeiner, freier, gleicher und geheimer Wahlen. Bereits hier könnte man diskutieren, warum ein immer größerer Teil der Wohnbevölkerung nicht mitstimmen kann. Staatsbürger anderer EU-Länder sind in Österreich nur bei Gemeinderatswahlen wahlberechtigt, hier länger lebende Bürger von Drittländern gar nicht. Ebenso zu beachten ist eine Trennung der Staatsgewalten der Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung. Bei uns sind Parlamente – Nationalrat und Landtage – gegenüber der Regierung relativ schwach, anderswo wird oft die Justiz durch die Regierungsmehrheit beeinflusst oder gar entmachtet.

      Das zweite Grundprinzip umfasst gemeinsame politische Rechte für alle Bürger sowie die Wahrung der elementaren Menschenrechte durch die Gesellschaft – etwa den Schutz persönlicher Freiheit und der körperlichen Unversehrtheit sowie die Meinungs-, Presse-, Religions-, Vereins- oder Versammlungsfreiheit usw. Da erleben wir Tag für Tag heftige Auseinandersetzungen, ob und inwieweit solche Rechte im Interesse anderer Ziele der Sicherheit beschränkt werden. Beispiele sind ein mögliches Verbot oder die Einschränkung von Versammlungen trotz Demonstrationsfreiheit oder die staatliche Sammlung personenbezogener Informationen trotz Datenschutz.

      Merkmal von Demokratien ist drittens aber genauso, dass eine Demokratisierung gesellschaftlicher Teilsysteme – etwa des Bildungsbereichs und der Arbeitswelt – gefördert wird. Zweifellos ist (Nieder-)Österreichs Demokratie einerseits durchaus führend, wenn man die Schuldemokratie und innerbetriebliche Demokratie in den Arbeitsbeziehungen anführt. Zugleich zeigen die im Alltag keinesfalls vollständige Gleichstellung von Männern und Frauen sowie Ungleichheiten in den realen Möglichkeiten für politische Beteiligung zwischen Eliten und benachteiligten Bevölkerungsgruppen bestehende Demokratiedefizite auf.

      All das muss sorgsam beobachtet werden, die wirkliche Gefahr für den Bestand der Demokratie sind jedoch Einstellungen eben dieser Bevölkerung und deren politische Verdrossenheit. Rund zwei Drittel der Wähler in Österreich sind nach Wahlforschungsdaten der Meinung, dass Parteien – egal welche – nicht ihre Anliegen vertreten, sondern bloß Eigeninteressen. Die Unzufriedenheit mit Regierung und Opposition ist oft gleichermaßen groß. Das Vertrauen in öffentliche Institutionen und demokratische Prozesse sinkt. Bis zu knapp 40 Prozent befürworten sogar unter bestimmten Umständen die Rückkehr eines „starken Mannes“.

      Hinzu kommt der Faktor, dass Medien – Stichwörter: „Fake News“ und „Lügenpresse“ – an Glaubwürdigkeit verlieren, weil einerseits radikale Populisten das bewusst forcieren; andererseits fehlt oft die Mediennutzungskompetenz, um die Seriosität von Quellen eigenständig und kritisch beurteilen zu können. Diese Umstände in Verbindung mit Defiziten in der politischen Bildungsarbeit verhindern, dass antidemokratische Absichten speziell in „sozialen Medien“ und generell im Internet sich inhaltlich selbst disqualifizieren. Die Ausgangsthese des virtuellen Netzes als freien Diskussionsraum, wo die Mehrheitsmeinung extremistische Minderheitsmeinungen ins Abseits stellt – ohne dass es dafür besonderer Regularien bedarf –, hat sich nicht bewahrheitet.

      Harmloser klingend und dennoch gefährlich sind politische Enttäuschungen im Alltag, beispielsweise als Unverständnis gegenüber langwierigen Verhandlungsund Entscheidungsprozessen der Politik und einer komplexen Verwaltung. Dies führt ebenfalls zu Rufen nach autoritären und totalitären Strukturen. Begünstigt wird ein solches Stimmungsklima durch die Beschleunigung des Lebens in der modernen Kommunikationsgesellschaft. All das gefährdet Demokratien nicht unbedingt in ihrem Bestand – sie verlieren jedoch eindeutig an Qualität.

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      Überlebt die EU?

       // ULRIKE GUÉROT

      Die kurze Antwort ist: Nein, zumindest nicht in ihrer bisherigen Form. Die etwas differenzierte Antwort wäre zu sagen: Die EU stirbt oder ist vielleicht schon tot, aber so viel Europa wie heute war noch nie. Vielleicht befinden wir uns in einem Prozess der „schöpferischen Zerstörung“, wie der österreichische Ökonom Franz-Josef Schumpeter das nannte: den Wechsel von einer Epoche zur nächsten.

      Von der Banken- zur Eurokrise, von der Spar- zur Flüchtlingspolitik, vom Brexit zum nächsten Showdown der griechischen Schuldenkrise: Seit Jahren kommt die EU aus dem Krisenmodus nicht heraus. Die fünf Szenarien zur Zukunft der EU, die Jean-Claude Juncker Anfang März 2017 der europäischen Öffentlichkeit vorgestellt hat, wirken schal und abgestanden, noch bevor sie ernsthaft breit und intensiv diskutiert worden wären. Kein Wunder, denn z. B. ein „Weiter so mit der EU“ (Szenario Nummer 1) ist wirklich nicht prickelnd. Das alles ist schlimm genug, ist doch die EU, ist der Euro immer noch unserer größter Garant für Sicherheit und Freiheit, Demokratie und Prosperität auf dem Kontinent, europäische Krise hin oder her. Dass mit nationalistischen und populistischen Parolen irgendwas besser würde, vermag niemand ernsthaft zu behaupten. Was also tun angesichts des fortgeschrittenen Darbens der EU? Europa neu denken – und genau das passiert!

      Es ist tatsächlich interessant, wie schnell sich Stimmungen und Situationen drehen. Noch zu Jahresende 2016 hätten viele wohl keinen Pfifferling mehr auf Europa gegeben. Norbert Hofer war in der Hofburg knapp verhindert worden, in Ungarn und Polen wurden sehendes Auges Demokratie-Abbau betrieben, ohne dass die EU irgendwie aktiv einschreiten konnte. Sorge ging um bezüglich rechtspopulistischer Voten in den Niederlanden und vor allem in Frankreich. Die griechisch-italienische Bankenkrise schwelte. Dazu die auswärtigen Bedrohungen: ISIS, Syrien, Putin, Russland, Türkei, eine mutlose EU umzingelt gleichsam von einem „ring of fire“, einem Ring autoritärer Versuchung. Und dann kamen Schlag auf Schlag der „#;pulseofeurope“, eine Schlappe für Geert Wilders in den Niederlanden und der Wahlsieg Emmanuel Macrons in Frankreich.

      Und plötzlich ist ein eindeutiger Stimmungswandel mit Blick auf Europa spürbar. Wo die Briten den 100 Milliarden entgegenzittern, die der Brexit kosten könnte, scheint der europäische Kontinent auf seine Füße zu fallen. Macron, kaum gewählt, wartete mit energischen Vorschlägen zu einer parlamentarischen Neubegründung der Eurozone auf – und, siehe da, er erfuhr unverhofft mehr Zustimmung als man noch vor kurzem hätte vermuten dürfen. Gleichzeitig ist bereits in der Latenz eine neue deutsch-französische Dynamik für Europa – vor allem in zwei Politikfeldern, nämlich in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik und in der Europolitik – erkennbar, die den Weg zu einer europäischen Emanzipation bahnen könnte. Und wem hat die EU das zu verdanken? Unter anderem Donald Trump und seinem unflätigem Benehmen auf dem G-7-Treffen im Frühjahr 2017.

      So langsam wird Vielen in Europa klar, dass der einstige „Westen“ bald der Vergangenheit angehören könnte. Europa könne sich auf niemanden mehr richtig verlassen, so verließ Angela Merkel ungewohnt scharf verlauten. Das sind neue Töne – und sie könnten Europa guttun.

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