Dolmetschen in der Psychotherapie. Mascha Dabić

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Dolmetschen in der Psychotherapie - Mascha Dabić Translationswissenschaft

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auch nur im Hinblick auf Kleidung und Begrüßungsrituale2.

      Ein Fremder macht im Aufnahmeland unterschiedliche Erfahrungen. Akthar spricht von „gemischten Gefühlen“, die die Ankunft eines Neulings bei Alteingesessenen hervorzurufen vermag, Gefühle, die sich auf der Skala zwischen paranoider Furcht und Idealisierung bewegen (S. 46). Somit würden Vorurteile und Fremdenhass einerseits und übertriebene Freundlichkeit (gefolgt von Enttäuschung und Ablehnung des Fremden) näher beieinander liegen, als man auf den ersten Blick glauben möchte, denn in beiden Reaktionsweisen manifestiert sich die Vorstellung, dass der Neuankömmling ein Träger für positive oder negative Projektionen ist: im positiven Szenario steht er für eine mögliche Weiterentwicklung der Gesellschaft, die einer Erneuerung bedarf, im negativen Szenario ist er ein Eindringling, der die vorhandenen wirtschaftlichen Ressourcen konsumiert und damit der bestehenden Gemeinschaft Schaden zufügt.

      Akthar zieht das Beispiel von Kafkas Roman Das Schloss heran, um das negative Szenario zu illustrieren: Der Landvermesser, der seine Arbeit im Schloss aufnehmen soll, ist mit massiver Feindseligkeit der Dorfbewohner konfrontiert.

      2.3.1.1 Die Rolle physischer Merkmale

      Migranten bringen also ihre kulturellen Konventionen mit, bzw. das Wissen um diese; in erster Linie ist es aber ihr eigener Körper, den sie in ein anderes Land, einen anderen Sprachraum, einen anderen Kulturraum mitbringen.

      Akthar weist darauf hin, dass der Aspekt des menschlichen Körpers in der Auseinandersetzung mit dem Thema Migration weitgehend ausgeklammert wird. Die Hautfarbe bzw. die Reaktion der Alteingesessenen auf die Hautfarbe des Migranten spielt eine wichtige Rolle bei der Reorganisation der Identität in der Migration (S. 49f.). Dies trifft insbesondere auf Kinder zu.

      Daran anschließend ist festzuhalten, dass der Umgang mit dem eigenen Körper ebenfalls variieren kann und kulturellen aber auch modischen Trends unterliegen kann: Welche Anforderungen an die körperliche Fitness werden gestellt?

      Auch die Kleidungskonventionen spielen eine Rolle, insbesondere für Frauen: Ist es in einer Kultur „normal“, seinen Körper zur Schau zu stellen, oder ist es im Gegenteil sozial gefordert, die Haut und die Haare zu bedecken und damit vor fremden Blicken zu schützen? Einem Migranten bleibt es nicht erspart, seine eigene Haltung zu den mitunter divergierenden Anforderungen zu entwickeln.

      Des weiteren thematisiert Akthar das Geschlecht und kommt zu dem Schluss, dass Frauen tendenziell leichter Anschluss an eine neue Gesellschaft bzw. Gemeinschaft finden als Männer, was u.a. daran liegt, dass sie sich tendenziell mehr um Kinder kümmern und damit automatisch mit anderen Müttern und MitarbeiterInnen entsprechender Institutionen in Interaktion treten (müssen), was dazu führt, dass die Notwendigkeit, Informationen auszutauschen, und die Neugier über die Scham siegen (S. 52).

      2.4 „Kulturelle Übersetzung“

      Ein weiterer Ansatz, der hier nicht näher ausgeführt wird, sondern lediglich Erwähnung finden soll, ist die „kulturelle Übersetzung“. Dieser ist im Kontext des translational turn zu sehen, im Zuge dessen sich das Übersetzen allmählich aus dem linguistisch-textlichen Paradigma herauslöst und zu einem neuen Grundbegriff der Sozial- und Kulturwissenschaften entwickelt hat, mit dem eine Kulturpraxis in einer Welt wechselseitiger Abhängigkeiten und Vernetzungen gemeint ist (Näheres zum translational turn vgl. Bachmann–Medick 2009: 238ff.). Im Zuge dieses Ansatzes werden postmoderne und postkoloniale Verhältnisse reflektiert, ebenso die Auswirkungen des Englischen als hegemonialer Weltsprache, Sprachenkonflikte, Ausgrenzungen von Minderheitensprachen und Ähnliches. Kultur selbst wird als „ein Prozess der Übersetzung verstanden – auch im Sinne eines neuen räumlichen Paradigmas von Über-Setzung“ (S. 247), Kulturen konstituieren sich also in der Überlappung und in den Verflechtungen unter den ungleichen Machtbedingungen der Weltgesellschaft.

      Bei Buden & Nowotny (2008) wird der Begriff „kulturelle Übersetzung“ aus philosophischer und kulturtheoretischer Perspektive diskutiert, und zwar in Anlehnung an Walter Benjamins Essay „Die Aufgabe des Übersetzers“ vom Beginn der 1920-er Jahre. Die Autoren legen nun ihr Augenmerk auf die Perspektive der MigrantInnen, die sich in einer dramatisch realen Situation wiederfinden, die von der kulturtheoretischen Reflexion kaum berücksichtigt wird:

      Vielmehr sind sie (die MigrantInnen, Anm. M.D.) der kulturellen Übersetzung als einem ihnen vollkommen entfremdeten Prozess hilflos ausgeliefert, und zwar gewissermaßen als dessen rohes, menschliches Material. Doch vom Erfolg oder Misserfolg dieses kulturellen Übersetzens hängt ihr ganz konkretes existenzielles Schicksal ab. (Buden 2008: 12)

      Wagner versteht unter „kultureller Übersetzung“ die Übertragung von Vorstellungsinhalten, Werten, Denkmustern, Verhaltensmustern und Praktiken eines kulturellen Kontexts in einen anderen – eine Übertragung, bei der es also nicht um die Verschiedenheit von Sprachen geht und die auch durch literarische und filmische Repräsentation geleistet werden kann, aber auch durch Praktiken des täglichen Lebens und der Politik (2009: 1), und setzt sich kritisch mit der Aneignung des Begriffs „Übersetzung“ durch die Kulturwissenschaften auseinander. Wagner beschreibt den „Karriereweg“ der „kulturellen Übersetzung“ mit den „Stationen Emergenz, hegemoniale Präsenz und anschließender inflationärer Entwertung“ (ebda.)

      Eine eingehende Beschäftigung mit diesem Begriff kann hier nicht erfolgen, es sei lediglich darauf hingewiesen, dass der Begriff „Übersetzung“ auch mit anderen Bedeutungen aufgeladen sein kann, was neue Räume für eine Auseinandersetzung im Kontext der Kultur(en) eröffnet.

      2.5 Das Fremde

      Erdheim beobachtet, dass das Fremde und das Eigene in einem ähnlichen Verhältnis zueinander stehen wie das Unbewusste und das Bewusste: Das, was unbewusst ist, tendiert zum Bewusstsein, wobei sich das Bewusstsein dagegen wehrt und dennoch davon geprägt wird. Fremd ist folglich das, was einen auf eine merkwürdige Weise betrifft, ohne dass man es kennt, und somit ist es eine Ambivalenz von Angst und Faszination, die das Verhalten gegenüber dem Fremden prägt und zugleich die Haltung zu sich selbst bestimmt (Erdheim 2000: 167).

      Erdheim spricht ebenso wie Akhtar (2007) davon, dass die Kategorie des Fremden immer eine positive oder negative Betroffenheit auslöst, dass dem Fremden also mit Angst und Faszination zugleich begegnet wird, sodass diese Ambivalenz aus dem Fremden eine ideale Projektionsfläche macht. Erdheim plädiert für ein dynamisches Konzept der Kultur, das der Interaktion zwischen dem Bekannten, Vertrauten und dem Fremden Rechnung trägt: „Kultur ist nämlich das, was in der Auseinandersetzung mit dem Fremden entsteht; sie ist gewissermaßen das Produkt der Veränderung des Eigenen durch die Aufnahme des Fremden“ (2000: 178).

      Die Auseinandersetzung mit dem Fremden spielt sich in der Kunst, in der Wissenschaft und in der Religion ab, indem die etablierten Strukturen versuchen, das Fremde für die eigene Kultur fruchtbar zu machen, neue Formen zu schaffen und die kulturellen Grenzen zu erweitern. Erdheim greift außerdem den von Freud thematisierten Antagonismus zwischen Familie und Kultur auf und stellt der Familie (Ort der Aufwachsens, der Tradition, der Intimität im Guten und im Bösen) den erweiterten Begriff der Kultur entgegen (Ort der Innovation, der Revolution, der Öffentlichkeit und der Vernunft) (S. 182). Mit diesem Antagonismus im Hinterkopf ist es möglicherweise leichter nachzuvollziehen, warum MigrantInnen, denen es nicht gelingt, in den Institutionen und in der Öffentlichkeit des Aufnahmelandes Fuß zu fassen, mitunter einen Rückzug in die familiären Strukturen und in die tradierten Lebensweisen antreten.

      Der Psychoanalytiker Günther Bittner beschäftigt sich mit dem Fremden in einem alltäglichen und elementaren Sinn und stellt die Frage, ob das „Eigene“ ausgeschaltet werden müsse, um „dem Fremdseelischen Raum zu geben“ (2000: 199). Einerseits muss ein Psychoanalytiker sich selbst gut kennen, um, vereinfacht

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