Schutz von Kulturgut. Daniela Vogt

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und die Bedeutung gemeinsamer Werte und einer gemeinsamen europäischen Kultur waren sich schon die Europapolitiker der ersten Stunde einig. Bereits im Vertrag über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zusammenarbeit und über kollektive Selbstverteidigung vom 17. März 1948 (Brüsseler Vertrag, Westeuropäische Union) hieß es in Artikel III: »Die Hohen Vertragschließenden Teile werden gemeinsam jede Anstrengung unternehmen, um ihre Völker zu einem besseren Verständnis der Grundsätze, welche Grundlage ihrer gemeinsamen Zivilisation bilden, zu führen und durch gegenseitige Übereinkommen oder sonstige Mittel den kulturellen Austausch zu fördern.«

Info Info: Vertrag über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zusammenarbeit und über kollektive Selbstverteidigung vom 17. März 1948 Der Vertrag ist heute vielfach in Vergessenheit geraten, auch wenn immer wieder versucht wird, ihn wiederzubeleben. Von Bedeutung war der Vertrag zwischen 1948 und 1958, als auf seiner Grundlage und aus seinen Mitgliedern heraus der Europarat sowie die Europäischen Gemeinschaften 1951 bzw. 1957 gegründet wurden; bis 1972 war er wichtigstes Forum zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften und Großbritannien, mit dessen Beitritt zu den Europäischen Gemeinschaften am 1. Januar 1973 der Vertrag faktisch bedeutungslos geworden ist. 1992 wurde der Vertrag erstmals in einem Vertragsdokument der Europäischen Union (im Vertrag über die Europäische Union) erwähnt, 1997 wurde die Zusammenarbeit verstärkt und 2001 wurde das Ziel ausgesprochen, die Organisation in die Europäische Union zu integrieren; geschehen ist dies aber bis heute nicht. Die WEU kann als aufgelöst betrachtet werden. Der Rat der Westeuropäischen Union ist formal seit 13. November 2000 nicht mehr zusammengetreten.

      Mit der Fusion der anfänglich drei europäischen Gemeinschaften EGKS (Montanunion), EWG und EURATOM zur Europäischen Gemeinschaft (EG) 1967, über die Vollendung des Binnenmarktes Ende 1992 und dem Wandel der EG zur Europäischen Union (EU) bis hin zur Überwindung der Teilung Europas mit der Osterweiterung wird deutlich: Europa und der europäische Einigungsprozess leben bis heute von der Vielfalt, von den Gegensätzen und von der Konkurrenz regionaler und nationaler Identitäten; das Europamotto »In Vielfalt geeint« weist darauf hin (Verfassung der Europäischen Union, 2005).

      [28]Das Ziel der Kulturpolitik der EU ist laut Artikel 167 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ex-Art. 151 (1) EGV) »einen Beitrag zu Entfaltung der Kulturen der Mitgliedstaaten unter Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt sowie gleichzeitiger Hervorhebung des gemeinsamen kulturellen Erbes« zu leisten. In Absatz 2 wird die Rolle der Europäischen Union im Kulturbereich definiert, indem die EU die Tätigkeit der Mitgliedstaaten fördert, koordiniert und ergänzt. Insbesondere werden die »Verbesserung der Kenntnis und Verbreitung der Kultur und Geschichte der europäischen Völker sowie Erhaltung und Schutz des kulturellen Erbes von europäischer Bedeutung« als Bereiche der europäischen Kulturförderung genannt (Amtsblatt der Europäischen Union 2010/C 83/121). Die EU unterstützt nicht nur Maßnahmen zur Erhaltung des kulturellen Erbes, sondern fördert auch die Zusammenarbeit und den länderübergreifenden Austausch zwischen den kulturellen Einrichtungen der Mitgliedstaaten und Drittländern. Beispielsweise vergibt die EU regelmäßig Preise für Werke in den Bereichen kulturelles Erbe, Architektur, Literatur, Musik und Film wie den Mies-van-der-Rohe-Preis für zeitgenössische Architektur, den Europa-Nostra-Preis zum Kulturerbe, den Prix Media im Bereich Film und den European Borderbreakers Awards im Bereich Musik sowie das Kulturerbe-Siegel. Außerdem setzt sich die EU gemeinsam mit anderen Organisationen für die Bekämpfung von Problemen wie dem illegalen Handel mit Kulturgütern ein (Verordnung (EG) Nr. 116/2009).

Merke Merke: Mit der 2005 unterzeichneten UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen hat sich die EU verpflichtet, die kulturelle Vielfalt als ein wesentliches Element ihrer Außenpolitik zu berücksichtigen und in internationalen Beziehungen eine neue und aktivere kulturelle Rolle für Europa aufzubauen.

      Durch die europäische Kulturpolitik soll die europäische Kunst- und Kulturszene für die Bürger sicht- und erfahrbar werden, wobei mittels Förderung wie dem Programm »Kreatives Europa« langfristig die kulturelle Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsländern unterstützt und ein europäischer Kulturraum geschaffen werden soll. Seit der Annahme der Agenda für Kultur 2007 wird die politische, soziale und wirtschaftliche Bedeutung von Kultur zunehmend auch in strategischer Hinsicht wahrgenommen, um außenpolitische Ziele erreichen zu können. Eine der bekanntesten Auszeichnungen ist die Verleihung des Titels »Kulturhauptstadt Europas«. Bereits seit 1985 wird jedes Jahr eine Stadt, seit 2004 werden zwei Städte aus[29]gewählt. Langfristig bringt die Auszeichnung den Städten und ihren Regionen in gesellschaftlicher, wirtschaftlicher wie kultureller Hinsicht nachweislichen Nutzen. Die EU-Regionalpolitik unterstützt daher – über spezielle Fonds – strategische Investitionen im kulturellen Bereich, um Städte und Regionen attraktiver zu machen.

Bild 4: Blick auf Avignon, Kulturhauptstadt im Jahr 2000.

      Bild 4: Blick auf Avignon, Kulturhauptstadt im Jahr 2000.

      Das »Europäische Kulturerbe-Siegel« wird seit 2013 an Stätten »mit grenzüberschreitendem oder gesamteuropäischem Charakter« verliehen. Die Stätten werden von Land zu Land nach unterschiedlichen Maßstäben ausgewählt, wobei festgelegte Kriterien die Auswahl bestimmen. Demnach sind Stätten auszuzeichnen, die »Symbole und Beispiele der europäischen Einigung, der Ideale und der Geschichte der EU sind«. Der symbolische wie der pädagogische Wert der Stätten für Europa wiegen für die Auswahl mehr als kunsthistorische oder Denkmalschutz-Kriterien, denn das Kulturerbe-Siegel soll bestehende Kulturerbe-Initiativen ergänzen, z. B. die UNESCO-Welterbe-Liste, die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit und die Initiative »Kulturwege Europas« des Europarats. Doppelauszeichnungen sollen in jedem Fall vermieden werden. Des Weiteren werden seit 1985 die »Tage des europäischen Kulturerbes« ausgerichtet. Lokale Kulturstätte werden an jenen Tagen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, die normalerweise verschlossen sind.

      Weder im Einigungsvertrag noch in einem der vorgestellten Programmen werden konkrete Kriterien zur Bestimmung des europäischen Kulturerbes benannt. Neben der Betonung der europäischen Vielfalt ist zugleich die Herausstellung europäischer Werte und Gemeinsamkeiten in der Identitätsfindung Europas zu beobachten, [30]deutlich hervorgehoben durch das europäische Motto »In Vielfalt geeint«. Interessant ist die Zusammenarbeit alter Kulturregionen über die nationalen Grenzen hinweg, die oftmals durch Kriege und neue Grenzziehungen immer wieder geteilt wurden. Bestes Beispiel bietet hier Trentino-Südtirol-Tirol.

      1.3 Zur Definition von Kulturgut

      Kultur wirkt bei näherer Betrachtung sehr komplex und wenig fassbar. Es drängt sich die Frage auf, ob überhaupt von einer nationalen oder regionalen Kultur als geschlossenem und homogenem Kollektiv gesprochen werden kann, insbesondere bei Einbeziehung vieler heterogener Subkulturen. Was sich von außen betrachtet als homogen erweist, erweist sich bei näherem Hinsehen als sehr heterogen.

      Auch der Begriff Kulturgut ist nur schwer zu präzisieren, was sich unter anderem darin zeigt, dass es keine allgemein gültige Definition gibt. Dies unterstreichen die internationalen Begriffsbestimmungen zum Kulturgut, die in Abhängigkeit zum Schwerpunkt des jeweiligen Abkommens, zurückgehen auf die Kriterien in Artikel 1 der Haager Konvention (1954). Diese sehr allgemein gehaltenen Kriterien bieten zum einen großen Interpretationsspielraum und zugleich Mindeststandards für die Bestimmung eines Kulturguts. Zumeist präzisiert ein unabhängiges Gremium von Sachverständigen den Einzelfall. Die Entscheidung durch Gremien anhand festgelegter, sehr allgemeiner Kriterien, ist in erster Linie wissenschaftlich

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