Freund unter Feinden. Группа авторов

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Mann, der niemandem etwas Böses getan hatte, schaute mich völlig hilflos an, als wenn er fragen wollte, ob ich ihm denn nicht helfen könnte. Er ließ alles geduldig über sich ergehen, ohne sich auch nur mit einem Wort zu rechtfertigen. Ich konnte diesen Anblick nicht mehr ertragen und lief fort, so schnell ich nur laufen konnte.

      In dieser Nacht fand ich keinen Schlaf, denn ich sah immer nur den Hilfe suchenden Blick meines Schneiders vor mir. Ich kam mir wie ein erbärmlicher Verleugner und Verräter vor und hatte danach nicht einmal mehr den Mut, ihm die restlichen 20 Mark zu bringen, die ich ihm ja noch schuldete. So sehr schämte ich mich, diesem Menschen noch einmal unter die Augen treten zu müssen, obwohl ich ihm so gerne gesagt hätte, wie abscheulich ich dies alles empfunden hatte. Ich zahlte ihm das restliche Geld per Zahlungsüberweisung mit der Post ein. Doch mein Gewissen ließ mich nicht zur Ruhe kommen und ich überlegte ständig, wie ich diesem armen Mann wohl helfen könnte. Aber ich sah einfach keine Möglichkeit und ich dachte eigentlich nie daran, dass ich diesem Mann je noch einmal begegnen würde.

      Jener Abend, an dem ich all das Schreckliche miterlebt hatte, war allerdings nur der Anfang der Reichskristallnacht gewesen. In dieser schrecklichen Nacht wurden in Berlin die Synagogen angezündet und in einem großen Teil der jüdischen Geschäfte die Schaufenster eingeschlagen. Auch in meinem Geschäft sah es verheerend und trostlos aus. Wie konnte so etwas geschehen?

      Ich musste mich schmerzlich daran erinnern, wie, zwei Tage nachdem mein Vater begraben worden war, am 30. Januar 1933 die Zeit des Nationalsozialismus unter der Führung von Adolf Hitler begonnen hatte. Bis spät in die Nacht hinein hatte es Fackelzüge der SA gegeben, die sich durch alle Straßen von Berlin bewegten. Damals hatte ein ganz neuer Zeitabschnitt gerade hier in Berlin begonnen. Doch die Mieter in unserem Haus und die meisten Bewohner unserer Straße hatten sich mit dieser neuen Regierung und mit Adolf Hitler als Reichskanzler nicht identifizieren können. Der Bezirk Mitte war der Bezirk in Berlin gewesen, wo die Nationalsozialisten am wenigsten Stimmen bekommen hatten. Unser Haus Köpenickerstraße 35 war sogar als die „Rote Burg“ bezeichnet worden. Ja, schon nach wenigen Tagen waren einige unserer Hausbewohner von der SA abgeholt worden und wir hatten sie nie wieder gesehen. Wie wir später erfahren hatten, waren sie in das Konzentrationslager Oranienburg im Norden von Berlin gebracht worden. Im Grunde war ich beinahe froh gewesen, dass mein Vater vorher gestorben war, denn auch er war wohl auf der Liste der SA gestanden, und eine Festnahme und den Abtransport in ein Konzentrationslager hätte meine Mutter damals sicherlich nicht überlebt.

      Von da an hatten wir auf der Hut sein müssen, denn überall gab es jetzt Spitzel, die nur darauf warteten, Menschen den Nazis auszuliefern. Das hatte schon in der Schule begonnen, und ganz besonders schlimm war es in den staatlichen Organen sowie bei den Behörden. So sollten nach Möglichkeit die Erwachsenen in die Partei oder in die SA, die Jugendlichen in die Hitlerjugend und die Kinder dem sogenannten Jungvolk beitreten. Mein Bruder und ich hatten uns in der ganzen Zeit, auch in den kommenden Jahren, aus allem raushalten können und wir hatten es immer verstanden, zum Nazisystem Abstand zu halten. Wir hatten aber auch nur Freunde und Bekannte, die so wie wir gesinnt waren, und so ist es uns nicht allzu schwergefallen, unsere bisherige Gesinnung zu bewahren. Wenn wir uns jedes Jahr einmal, am 1. Mai, am Tag der Arbeit, im Lustgarten neben dem Berliner Dom zum Aufmarsch hatten versammeln müssen, so waren wir die Ersten, die unbemerkt wieder verschwunden waren. In den ganzen Jahren bis zum Kriegsausbruch 1939 hatte ich sonst an keiner politischen Veranstaltung teilgenommen und hatte auch den Führer, wie Adolf Hitler genannt wurde, nie in Berlin gesehen. Und jetzt war ich echt froh, Berlin für ein halbes Jahr verlassen und meinen Arbeitsdienst antreten zu können. Doch diese schreckliche Reichskristallnacht würde ich in meinem ganzen Leben nicht vergessen können.

      Beim Arbeitsdienst

      Niemals vorher hätte ich geglaubt, dass ich einmal so gerne meinen Arbeitsdienst antreten würde. Aber ich brauchte einfach eine neue Umgebung und wollte vergessen können. Die letzten Tage hatten mich so geschockt, dass ich mich darauf freute, Berlin für einige Zeit verlassen zu können. Mein Arbeitsdienstlager war in Segendorf, 12 Kilometer von Neuwied im Rheinland, am Rande des Westerwaldes. Es war wunderschön auf einer Anhöhe am Waldrand gelegen. Unsere Arbeitsaufgabe bestand darin, ein Waldstück zu roden und nutzbares Ackerland daraus zu machen.

      Es war eine Arbeit, die nicht leicht war, aber dennoch Spaß machte. Wir waren den ganzen Tag in der frischen Luft und bekamen einen guten Appetit, woran es mir bis dahin meistens gefehlt hatte. Zugleich wurden wir auch militärisch geschult, wenn auch nur mit dem Spaten, aber Disziplin musste sein. Für viele von uns war es sicherlich kein Fehler, ein wenig Ordnung zu lernen. Mir fiel das allerdings ziemlich leicht, und so wurde ich schließlich sogar als Vorbild wegen meiner Schrankordnung und meines Bettenbaus hingestellt. Die ganze Abteilung, und das waren immerhin 160 Mann, musste meinen Schrank und meinen Bettenbau besichtigen und ich war bald im ganzen Lager bekannt. Dies stärkte schon mein Selbstvertrauen und tat mir sichtlich gut. Wahrscheinlich lag es an meinem Beruf, denn als Dekorateur war ich gewohnt, alles exakt und dekorativ zu gestalten.

      Ich konnte jedoch noch einen weiteren Titel erwerben. Jeden Morgen wurden fünf Männer zum Kartoffelschälen in die Küche abkommandiert, sodass jeder einmal mit dieser Arbeit drankam. Da ergab es sich fast von selbst, dass man den schnellsten Kartoffelschäler ermitteln wollte. Jeder musste zehn etwa gleich große Kartoffeln schälen, wobei die Zeit gestoppt wurde. Obwohl ich gar nicht damit gerechnet hatte, konnte ich mir den Titel als Meister im Kartoffelschälen holen. Wenn dieser Titel auch kein ruhmreicher war, so durfte ich doch feststellen, dass ich dadurch so manche Vergünstigung hatte. Ich gehörte sogar zu den zehn Auserwählten, die zu Weihnachten fünf Tage in Urlaub fahren durften, was ich natürlich auch gerne in Anspruch nahm. So traf ich am Abend des 23. Dezembers an meinem zwanzigsten Geburtstag in Berlin ein und konnte zusammen mit meinem Bruder Werner bei meinem Stiefbruder Willy und seiner Familie sowohl meinen Geburtstag als auch das Weihnachtsfest feiern. Damals wusste ich noch nicht, dass es die letzte Feier in Berlin sein sollte. Am 27. Dezember musste ich wieder zurückfahren und hatte mich schnell wieder eingelebt. Doch meine Zeit im Arbeitslager verging sehr schnell und ich war froh, als ich am 1. April wieder im Zug saß und Berlin in Sicht war.

      Die Einberufung

      Als ich an einem Samstagabend im August vom Geschäft nach Hause kam, war ich nicht wenig erschrocken, einen Bescheid mit der Einberufung zum Militärdienst vorzufinden. So sollte ich mich schon zwei Tage später am Montag um neun Uhr morgens auf einer Sammelstelle in Berlin-Charlottenburg melden. Ich war völlig am Boden zerstört, denn ich konnte nicht einmal mehr meine Firma davon in Kenntnis setzen, sodass mein Bruder Werner dies am Montag für mich erledigen musste.

      Es erschien mir alles so unendlich trostlos, bis mein Freund Kurt mich am Sonntag aufsuchte und mir berichtete, dass auch er einen Einberufungsbefehl für Montag zur gleichen Sammelstelle bekommen hatte. Das war für mich ein Lichtblick, denn geteiltes Leid war eben nur noch halbes Leid, und so sah schon alles nicht mehr ganz so dunkel aus. Also trafen wir am Montag gegen Mittag in Rathenow in der Mark Brandenburg, etwa 90 Kilometer von Berlin entfernt, in einer Kraftfahrerkaserne ein. Dort sollte eine Kraftfahrerkompanie neu aufgestellt werden.

      Wir waren tagelang in einer riesigen Fahrzeughalle untergebracht und mussten auf einem Strohsack auf dem Boden schlafen, bis wieder Räume in der Kaserne frei wurden. Dann wurden wir in drei Züge mit jeweils sechs Gruppen aufgeteilt. Jede Gruppe bestand aus 12 Mann und kam auf ein Zimmer. Wir wurden der Größe nach aufgeteilt, und da Kurt und ich fast gleich groß waren, kamen wir auch zusammen auf ein Zimmer. Er schlief im Etagenbett oben und ich unten. So wurden wir zusammen gedrillt, bis uns der Schweiß aus den Poren floss, und haben alles miteinander gemeinsam erlebt. In dieser Zeit wurden wir auch beide als Kraftfahrer ausgebildet und bekamen den Führerschein der Klasse eins. Später sollten wir als Kraftradschützen, kurz Kradschützen genannt, bei der motorisierten, beweglichen, leicht bewaffneten und kämpfenden

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