Erfahrungen in einem sozialen Netzwerk. Edith Zeile
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Nach der Veröffentlichung seines Romans „The Broken Wings“ (1912), der auch im Orient gelesen wird, schreibt ihm die libanesische Dichterin May Ziadek einen begeisterten Brief. Dies ist der Anfang einer 20-jährigen Brieffreundschaft, die erst mit dem Tode Gibrans 1931 endet.
May Ziadek entspricht seinem Frauenbild. Er bewundert die orientalische Frau in ihr, die sich von den Fesseln der Unterdrückung befreit hat. Sie beherrscht 8 Sprachen, darunter auch das Deutsche, unterhält in Kairo einen literarischen Salon und arbeitet als Journalistin.
Der Briefwechsel ist nur zum Teil erhalten, denn die Briefe der jungen Frau wurden von ihrer Familie nicht freigegeben.
Dennoch entsteht beim Lesen dieser Briefe der Eindruck, dass es sich hier um eine tiefe und innige Liebesbeziehung handelt.
„Ich denke jeden Tag und jede Nacht an Dich. Ich denke immer an Dich, und jeder dieser Gedanken enthält etwas Süßes und etwas Bitteres. Es ist merkwürdig, Miriam, immer wenn ich an Dich denke, flüstere ich Dir ins Ohr: 'Wirf alle Sorgen weg und gieße sie in mein Herz!'
Ich küsse Deine rechte Hand und Deine linke, und ich bitte Gott, dass er dich bewahre und segne, dass er dein Herz mit seinem Licht fülle und dass er dich erhalte als den Menschen, den ich am meisten liebe.“ (Liebesbriefe, S. 105)
Diese Liebe, die sich über die Welt der Sinne erhebt, begleitet diese beiden jungen Menschen, die sich nie sehen werden, bis zum Ende ihres Lebens.
In seinen Bildern versucht er, diese zarte ätherische Liebe darzustellen. Die nackten Körper von Mann und Frau scheinen zu schweben, sie gleiten umeinander, da ist Raum zwischen ihnen. Da ist kein Besitzergreifen, kein Überfall, keine Umklammerung, sondern verzauberte Seelen, die der Schönheit des anderen huldigen.
Immer wieder betont er in anschaulichen Bilder, wie wichtig es sei, in der Gemeinsamkeit einen „Zwischenraum“ zu erhalten:
„Steht zusammen, aber nicht zu nah.
Denn die Säulen der Tempel lassen Raum zwischen sich,
Und die Eiche und die Zypresse wachsen nicht im Schatten des anderen …“ (Der Prophet, S. 24).
„Eure Kinder sind nicht eure Kinder:
Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selbst.
Sie kommen durch euch, aber nicht von euch.
Und obwohl sie bei euch sind, gehören sie nicht euch.“ (Der Prophet, S. 25)
Im Rückblick auf sein Leben schreibt Khalil Gibran zwei Wochen vor seinem Tod:
„Ich selbst verdanke alles, was mein Ich ausmacht und zwar von der frühen Kindheit bis jetzt – der Frau.
Es war die Frau, die mir die Fenster meiner Blicke und die Tore meines Geistes öffnete. Ohne die Frau als Mutter, Schwester oder Freundin schliefe ich noch mit den Schlafenden …“
(Gibran, Liebesbriefe, S. 7)
Die Reise nach Beirut hat mir die Schönheit des Landes gezeigt, die sechs schlanken makellosen Säulen in Baalbek vor dem Hintergrund der Berge werde ich nie vergessen, aber die Worte von Khalil Gibran haben mir die Seele des orientalischen Menschen offenbart.
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