Hitzefest. Ilse König
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SPIELT DAS
KLIMA VERRÜCKT?
Studien zeigen, dass unser Temperatur-Klima nicht unbedingt verrückter ist als am Ende des 19. Jahrhunderts. Neu ist, dass heiße Wetterabschnitte zu- und kalte Phasen abgenommen haben. Dieser Trend zeichnete sich in den vergangenen vier Jahrzehnten klar und deutlich ab.
Es gibt beträchtlich mehr tropische Nächte, außergewöhnlich warme Tage, länger andauernde Hitzeperioden als früher, die Jahreshöchsttemperaturen haben zugelegt. In Sachen Kälte ist es genau umgekehrt: Die Extreme haben sich abgeschwächt.
In jüngster Vergangenheit wurden in Deutschland, Österreich und der Schweiz fast durchwegs Hitzerekorde gebrochen. Die drei heißesten jemals gemessenen Sommertemperaturen gab es in den 2000er- und 2010er-Jahren.
Die Zahl der heißen Tage mit mindestens 30 Grad ist im vergangenen Jahrzehnt deutlich gestiegen, selbst in Lagen über 1000 Metern Seehöhe.
KEINE GUTEN
AUSSICHTEN
„Diese Entwicklung setzt sich mit sehr großer Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahrzehnten fort. Bei weltweit unverändertem Ausstoß von Treibhausgasen werden Sommer, die heute extrem heiß sind, Ende des Jahrhunderts der Normalfall sein. Einzelne Hitzesommer werden dann noch extremer sein als heute“, sagt die Wissenschaft .
Darauf müssen wir uns einstellen. Bei konsequentem Klimaschutz könnte sich die Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten auf dem aktuell hohen Niveau stabilisieren, längerfristig verlangsamen. Im Worst-Case-Szenario der Wissenschaft sind bis Ende unseres Jahrhunderts durchschnittlich etwa 30 bis 70 Hitzetage in Wien, 30 bis 60 in Bern und 20 bis 35 in Berlin nicht ausgeschlossen. Die meisten von uns werden das wohl nicht mehr erleben. Aber bereits jetzt stellt sich für uns die Frage: Wie können wir möglichst hitzefest werden?
DIE EINEN FEIERN, DIE ANDEREN STÖHNEN
Bei heißem Wetter teilen wir uns in ZWEI FRAKTIONEN. Die einen genießen die pralle Sonne in vollen Zügen, fühlen sich bei Hitze richtig wohl und fit. Sehnen sie sogar herbei.
Andere hingegen können es an Sonnentagen kaum erwarten, dass der Abend kommt, die Sonne wieder untergeht und das Thermometer fällt. Sie freuen sich schon auf den nächsten kühlen Regentag.
Welcher Hitzetyp sind Sie? HITZEFAN, der erst aufblüht, wenn sich die Temperaturen nach oben bewegen? Der sich gerne ausgiebig in die Sonne legt und für den der Sommer eine himmlische Jahreszeit ist? Dem es scheinbar nie zu heiß wird? Oder HITZEMISANTHROP, der bei Hitze leidet, unverträglich wird und kein gutes Haar an der Sonne lässt? Schon eine nahende Hitzewelle kann ihm die Laune verderben. Die Lebensfreude der Hitzefans regt ihn auf, und erst die Mücken! Im Urlaub flüchtet er am liebsten in den kühlen Norden, wenngleich die Mücken dort im Sommer auch nicht ohne sind. Der Sommer: die Hölle auf Erden.
UNTERSCHIEDLICHES
HITZEEMPFINDEN
Wir kennen das: Wir sitzen an einem milden Sommerabend mit ein paar Leuten auf einer Terrasse. Wenn die einen bereits fröstelnd nach Schal oder Jacke kramen, fühlen sich die anderen bis spät in den Abend hinein kurzärmelig pudelwohl.
Woran liegt das? Das ist nicht nur Psychologie, sondern hat auch handfeste Ursachen. So empfinden Menschen Hitze oft sehr unterschiedlich. Je nachdem, ob sie Frau oder Mann, jung oder alt, groß oder klein, beleibt oder dünn, muskelbepackt oder schmächtig, fit oder untrainiert, gesund oder krank sind. Die Beschaffenheit unserer Haut spielt dabei ebenso eine Rolle wie unsere Behaarung, es macht einen Unterschied, ob wir mit einer Lockenpracht oder einer Glatze unterwegs sind. Ein hitzegewohnter Bauarbeiter oder ein sonnenentwöhnter IT-Mensch. Die einen vertragen Hitze besser, die anderen kommen schlechter mit ihr zurecht.
Für unsere Hitzeverträglichkeit mitentscheidend ist auch, wo wir leben. Menschen der nördlichen Hemisphäre sind hitzeempfindlicher als die, die im sonnigen Süden oder nahe dem Äquator aufgewachsen sind.
LAUT STUDIEN finden Mitteleuropäer 21 bis 24 Grad am angenehmsten, weiter nördlich liegt die individuelle Wohlfühltemperatur tiefer, weiter südlich höher.
Doch die Psychologie darf nicht unterschätzt werden. Es spielt durchaus eine Rolle, wie wir Hitze gegenüber eingestellt sind. Ob uns schon vor ihr graut, wenn wir bloß an sie denken. Oder heiße Tage als den Inbegriff eines richtigen Sommers empfinden. Im Urlaub haben wir meist eine größere Hitzetoleranz als im stressigen Alltag. Für viele gehören heißere Temperaturen zum Urlaubsfeeling einfach dazu.
ALLES
GEWÖHNUNGSSACHE?
Grundsätzlich ja, sogar an hohe Temperaturen und große Temperaturunterschiede können wir uns gewöhnen. Wer je aus der Winterkälte in die heiße Sonne gereist ist, weiß das. Uns zu akklimatisieren, dauert aber eine Weile. Wir managen das im Grunde auch regelmäßig im Übergang von den kälteren Jahreszeiten auf die heißen Sommermonate. Meist passt sich der menschliche Körper in ein bis zwei Wochen gut an die Hitze an. Im frostigen Norden dauert die Umgewöhnung um etliches länger.
Im Prozess der Akklimatisierung vergrößert sich nach und nach das Blutvolumen im menschlichen Körper, er schwitzt schneller und mehr. Das begünstigt die kühlende Verdunstung auf der Haut. Zugleich lernt der Körper, weniger Elektrolyte über den Schweiß auszuschütten, damit er die für ihn lebenswichtigen Stoffe nicht verliert. Die Körpertemperatur kann damit auf einem erträglichen Niveau gehalten werden, die Herzfrequenz reguliert sich automatisch herunter. Und schon lässt sich die Hitze besser verkraften.
Wer länger in einem heißen Land gelebt hat, tut sich auch anderswo bei Hitze leichter. Man hat im HITZEALLTAG gelernt, damit umzugehen. Eine vorübergehende Hitzewelle hierzulande kann einen dann nicht so schnell aus der Bahn werfen.
Wichtig ist daher auch, dass wir uns nicht nur in temperierten Räumen aufhalten. Das verringert unsere Anpassungsfähigkeit an Hitze (wie auch Kälte).
HITZE