Energiewende. Friedrich Schröder
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Ich bin davon überzeugt, dass Sonne, Wind und Bioenergie weltweit einen guten Beitrag zur Energieversorgung leisten können. Ob der bei uns eingeschlagene Weg der Königsweg zur Energiewende ist, darf bezweifelt werden. Welche Maßnahmen unserem Klima gut tun, darüber scheiden sich die Geister. Sonne und Wind sind mittlerweile akzeptiert, wenngleich ihre Verfügbarkeit nicht kalkulierbar ist. Ein Energiekonzept allein auf Wetterprognosen abzustellen hieße, auf Sand zu bauen.
Die Weltbevölkerung wächst, aber das weiß doch jeder. Alle Menschen haben Hunger: nach Nahrung und Energie. Und hier tut sich ein Konflikt auf: Dürfen wir einerseits Nahrungsmittel wie Mais vernichten, um daraus Energie zu erzeugen? Fragt jemand sein Spiegelbild: Wenn ich mir jetzt die Haare föhne, verhungert dann gerade ein Kind? Wäre das vor diesem Hintergrund nicht widersinnig, an anderer Stelle Hungersnot und Elend auf dieser Erde zu beklagen?
Energie ist Lebensqualität. Wer sie bezahlen kann, bekommt sie. Zwar stöhnen wir Verbraucher über immer höhere Preise. Doch wer Autofahren, Wäschewaschen oder Fernsehen will, muss den Preis für Strom und Kraftstoff zahlen, der auf dem Preisschild steht. Aber sind das immer Wettbewerbspreise, die wir bezahlen müssen? Beim Strom ganz sicher nicht.
Die Politik versprach uns mit der Einführung des Wettbewerbs auf dem Strommarkt günstigere Preise. Diese Versprechen sind jedoch ins Gegenteil verkehrt worden. Natürlich könnten die Strompreise deutlich niedriger sein, wenn Vernunft statt Emotionen die Energiewendestrategen geleitet hätte. Von Europapolitik und vom Markt getrieben, hat man die bestehende Elektrizitätswirtschaft quasi mit der Brechstange umgebaut. Ohne Masterplan, ohne Zeitplan – parteienübergreifend hatten eher Ideologen als Fachleute das Wort.
Dass die Politik die heutigen Strompreise beherrscht, hat planwirtschaftliche Züge. Was aber hat Planwirtschaft in einem angeblich freien Markt zu suchen? Die Kräfte des Marktes können doch nur dann wirken, wenn ehrlicher Wettbewerb herrscht und Wettbewerbshüter über ihn wachen.
Und dann sind da noch jene Populisten, die sich für die dezentrale Energieversorgung starkmachen. Aber könnt ihr euch vorstellen, dass Frau Trittin das Frühstücksspiegelei für ihren Jürgen in einem Sonnenofen auf dem Balkon brät? Dezentrale Energieversorgung ist da angebracht, wo es keine umfassende Energieinfrastruktur gibt. Ganz sicher machen gasbetriebene Blockheizkraftwerke (BHKW) etwa zur Versorgung größerer Wohneinheiten Sinn. Sie kommen allerdings nicht ohne Netzanschluss aus, denn auch BHKWs arbeiten nicht störungsfrei und wo sollte der Ersatzstrom herkommen, wenn nicht aus dem öffentlichen Netz.
Hochindustrialisierte Länder wie Deutschland kommen ohne energetische Kompaktlösungen nicht unbeschadet in die Zukunft. In Deutschland baut man zuverlässige Kompaktlösungen ohne Not ab. Konventionelle Erzeugungsanlagen werden zugunsten der Regenerativen bis in die Unwirtschaftlichkeit zurückgefahren, bekommen den Status der kalten Reserve. Der Atomausstieg ist für sich genommen eine Katastrophe. Bis 2022 soll das letzte Kernkraftwerk abgeschaltet sein. Weder Harrisburg 1979 noch Tschernobyl 1986 schafften es, Deutschland zum Ausstieg aus der Kernenergie zu bewegen, obwohl ausstiegsorientierte Sozialdemokraten und Grüne dazu tendierten. Erst als 2011 im 9.000 Kilometer entfernten Fukushima ein Tsunami die atomare Katastrophe auslöste, hatten die Angstprediger hierzulande ihren großen Auftritt.
Dass Angst ein schlechter Ratgeber ist, begriffen die Japaner schnell. In Deutschland wurde die Angst vor dem Atom, nicht zuletzt über die Schreckensbilder in den Medien, dosiert verabreicht. Der Ruf nach dem sofortigen Ausstieg aus der Kernenergie wurde bei uns immer lauter. In Japan ist der Eindruck der atomaren Panne unterdessen verblasst. Der von der alten Regierung gefasste Ausstiegbeschluss aus der Kernkraft wurde von der neugewählten Regierung unter Shinzo Abe gekippt. Der Bau neuer Kernkraftwerke sei Industrieminister Toshimitsu Motegi zufolge nicht ausgeschlossen.
Deutschland ist nicht der Nabel der Welt
Die Weltbevölkerung wächst mit hoher Geschwindigkeit. 1960 lebten lediglich 3 Milliarden Menschen auf dieser Erde, heute sind es gut 7,3 Milliarden. Auch wenn es jetzt schon wissenschaftliche Annahmen gibt, dass irgendwann in hundert Jahren die Weltbevölkerung schrumpfen wird, so rechnet man im Jahre 2050 mit 9,55 Milliarden Menschen. Und alle brauchen Energie.
Diesem Wachstum stehen bekannte Energiereserven mit statistischen Reichweiten an Öl für rund 40 Jahre, Gas rund 60 Jahre, Uran und Thorium rund 60 Jahre, Steinkohle rund 160 Jahre und Braunkohle rund 220 Jahre zur Verfügung. Natürlich sind die vermuteten Primärenergieressourcen weit größer; die größten Steinkohlevorkommen ruhen in Nordamerika, Russland und China. Das ändert nichts an der Tatsache, dass die Frage beantwortet werden muss, wie diese Energien verteilt werden sollen, wer die Energiemarken ausgibt.
Es sind vor allem die fossilen Primärenergien, auf die die wachsende Weltbevölkerung zugreifen wird. Immer mehr Kohle und Gas werden zu Strom. Immer mehr Autos schlucken die Ölvorräte. Immer mehr Klimagase werden an die Umwelt entlassen. Veraltete Kraftwerke werden in Industrieländern demontiert und in Dritt- und Schwellenländern wieder aufgebaut. Veraltete, bei uns ausgediente benzin- und dieselfressende Kraftfahrzeuge werden gewinnbringend in diese Länder exportiert. Wer verhindert eigentlich den Handel mit den ausgemusterten energieverzehrenden und umweltbelastenden Wracks? Wenn wir es wirklich ernst meinen, dann muss Klimaschutz ganzheitlich greifen. Dann müssen unsere Gesetzgeber und übergreifend jene in der EU dafür sorgen, dass beispielsweise der Export alter Kraftwerke und alter Kraftfahrzeuge sofort unterbunden wird. Das wäre ein gutes Beispiel grenzüberschreitenden Klimaschutzes. Wenn Dritt- und Schwellenländer Kraftwerke brauchen, dann sollen sie solche bauen, die effektiv und umweltschonend arbeiten. Wir können ihnen dabei mit gezielter Entwicklungshilfe technisch und finanziell unter die Arme greifen. Was wir dort investieren, kommt uns allen und unserer Umwelt zugute.
Die Ziele der deutschen Politik hinsichtlich des Klimaschutzes und des sparsamen Umgangs mit Energie haben die Bürger verstanden. Der Wille, diese Ziele zu unterstützen, ist vorhanden. Allerdings ist es für die Bürger schwer, den Politikern zu folgen, weil sie keine einheitliche Sprache sprechen und oft eher Panik verbreiten als verbindliche Informationen zu geben. Vor dem Hintergrund der verbreiteten Hektik gilt es, Ruhe zu bewahren. Denn um die ehrgeizigen Umweltziele zu erreichen, bedarf es Zeit, die wir uns nehmen müssen, um die besten Konzepte umsetzen zu können. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass Deutschland wie jedes andere Industrieland den Schwankungen der internationalen Märkte und den Vorgaben der EU ausgesetzt ist.
Deutschland hat bislang kraftvoll auch schwierigste Aufgaben gelöst. Die Kehrseite: Deutschland ist gründlich, was die EU angeht und reagiert sensibel bis ängstlich, wenn es um Katastrophen geht:
Wir bewältigten die Wiedervereinigung.
Wir bekamen 1991 das Stromeinspeisungsgesetz (StromEinspG).
Deutschland knickte vor Europa ein und peitschte die Liberalisierung des Strommarktes durch, sodass unsere europäischen Partner vor lauter Staunen nicht Schritt halten konnten.
Über allem schwebte die Apokalypse Erderwärmung wie ein Fallbeil und mit ihr wuchs die Angst, dass in 100, 500 oder 1.000 Jahren Hannover unter Wasser stehen könnte.
Es gab den Ausstieg unter Rot-Grün, den Wiedereinstieg und unter dem Eindruck Fukushima schließlich den Wiederausstieg