Kalte Zukunft. Benjamin Blizz
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Читать онлайн книгу Kalte Zukunft - Benjamin Blizz страница 14
»Miss Meinhard?« Ein schüchtern wirkender Mann mit kurzem, schütterem Haar hob wie ein Schuljunge die Hand. Manchen Menschen sah man ihren Einfluss einfach nicht an. »Wir haben Ihr Unternehmen bereits bei diversen Projekten unterstützt und sind jedes Mal aufs Neue fasziniert von Ihrem Ideenreichtum, aber ich fürchte, ich muss Ihrem Enthusiasmus dieses Mal einen Dämpfer verpassen.«
Er schwieg verlegen. Estella bedeute ihm, fortzufahren, auch auf die Gefahr hin, dass er das Vorhaben in ein schlechtes Licht rücken könnte.
»Sie haben vollkommen recht, dass wir mit fossilen Energiequellen unseren Energiebedarf nicht mehr lange decken können, doch Sie sollten bedenken, dass natürliche, unbegrenzte Energiequellen oft nur mit erhöhtem Aufwand und entsprechenden Maschinen gefördert werden können und dass die Förderung nicht selten, wenn auch indirekt, ins Ökosystem eingreift.«
»Was wir an der einen Stelle nehmen, fehlt uns an der anderen«, ergänzte Lennard Frank, und auch Thalia Morgan sprang auf das Thema an.
»Wir bringen die Biorhythmen unserer Erde durcheinander«, sagte sie und wischte sich mit einer Stoffserviette die Mundwinkel ab. »Unsere Ökosysteme sind ohnehin schon stark belastet, an vielen Stellen sogar überlastet. Wenn wir nun unkontrolliert darin eingreifen, könnten die Folgen verheerend sein.«
»Welch ein Dilemma!«, ertönte ein Zwischenruf. Böse Blicke wanderten zu David Meier.
»Eine Zwickmühle, mit der sich unser Unternehmen seit Jahren auseinandersetzt«, sagte Estella, »weswegen wir unsere Forschung auch auf andere Bereiche ausgeweitet haben.«
»Was meinen Sie mit ›andere Bereiche‹?« Shane reagierte blitzschnell. Als Journalist musste man den richtigen Moment abpassen, bevor sich einmal geöffnete Tore wieder verschlossen.
Estella hielt sich vage. »Sie verstehen sicherlich, dass sich einige Projekte noch in der Testphase befinden und ich Ihnen darüber leider keine genaueren Auskünfte geben darf.«
Gerade wollte Shane erneut nachhaken, als Frank intervenierte. »Ich für meinen Teil denke, dass das Projekt, weshalb wir hergekommen sind, ein guter Anfang ist. Wir werden sowieso niemals alle Probleme auf einmal lösen können. Deswegen sollten die Kraftwerke so umweltschonend und effizient wie möglich geplant werden. Mit meiner Unterstützung können Sie jedenfalls rechnen«, sagte er an Estella gerichtet und nahm Shane damit den Wind aus den Segeln.
»Danke, Mr. Frank«, entgegnete sie und setzte ihren Vortrag fort, der, je länger sie sprach, umso enthusiastischer wurde. Man konnte sehen, wie sie förmlich auftaute und ihre Unsicherheit abschüttelte.
Als sie zum Ende kam, waren alle ruhig geworden. Estella lehnte sich erleichtert zurück, und als hätte sie damit ein Startsignal gegeben, fluteten die Kellner erneut den Saal. Der Hauptgang, die lang ersehnte knochige Ente, wurde aufgetischt.
Kapitel 9
Wie ein Schatten glitt die Gestalt durch die langen Reihen der Solarkollektoren, ging geschickt den Überwachungskameras aus dem Weg und mied offene und einsehbare Stellen. Shadow hatte ein ganz bestimmtes Ziel und er würde es auch erreichen.
Soeben verschwanden die letzten Strahlen der untergehenden Sonne am Horizont und nur noch das klare, reflektierte Licht des Mondes und das der Sterne erhellte die Szenerie.
Shadow fröstelte. Zu lange schon saß er zwecks Tarnung in klimatisierten Räumen und überwachte Anzeigen und Messkurven. Das machte ihn weich und schwächlich, und manchmal ertappte er sich dabei, wie er sich ein dauerhaftes Leben in dieser Welt vorstellte und darüber fast seine wahre Bestimmung und seine Heimat vergaß.
Als Junge hatte er die Tage und Nächte immer im Freien verbracht, egal wie heiß oder kalt es gewesen war. Doch an diesem Abend spürte er, was es hieß, zu frieren. Der dünne Stoff seines schwarzen Pullovers vermochte ihn nicht zu wärmen, und er konnte es kaum erwarten, bald wieder in sein Quartier zurückzukehren.
Tagsüber war die Sahara glühend heiß, aber in der Nacht gab es keine Vegetation, die die gespeicherte Energie des Tages an die Umwelt abgab. Das helle Gestein und der fast weiße Sand besaßen eine viel zu hohe Albedo, als dass sie die Wärme hätten speichern können. Deswegen war es in der Wüste nachts lausig kalt.
Langsam bewegte sich Shadow weiter vorwärts und huschte zwischen zwei Kollektoren hindurch zur ersten Sammelstelle. Im Prinzip hasste er die Aufgabe, die vor ihm lag. Sie widersprach nicht nur seinen Prinzipien, sondern auch dem altehrwürdigen Kodex seines Volkes. Doch was blieb ihm anderes übrig als zu gehorchen – wenn ihm auf der einen Seite ein Haufen Geld winkte und auf der anderen der Tod drohte? Er hatte schlicht und ergreifend keine Wahl, also würde er tun, was er tun musste, das, was seine Auftraggeber seit Langem geplant hatten.
Schon seit Monaten weilte er unter den Mitarbeitern der Solarstromanlage, arbeitete Seite an Seite mit ihnen – und gleichzeitig gegen sie. Er war ihnen gegenüber unehrlich. Nur wenn er mit ihnen lachte, kam es von Herzen, und das versetzte ihm jedes Mal einen Stich. Wie konnte er Sympathie für den Feind empfinden? Aber respektierte nicht sogar Allah Mut und Tatkraft seiner Widersacher?
Shadow versuchte, nicht weiter darüber nachzudenken, solche Überlegungen führten zu nichts. Nicht seine religiösen Gefühle waren hier und jetzt von Bedeutung, sondern seine Kenntnisse der Physik, seine Bildung, die er an den Universitäten Europas erworben hatte und von der der Großteil seiner Landsleute nur träumen konnte. Zudem verfügte Shadow über konspirative Fähigkeiten, die ihn nahezu unentbehrlich für die Sache der Bewahrer machten. Wie viel Zeit und Geld war darin investiert worden, ihm eine perfekte Tarnung zu verschaffen? Die Bewahrer wollten keinen terroristischen Anschlag, keine offensichtliche Sabotage, sie wollten einen ›sauberen‹ Unfall. Deshalb war er hier und nicht einer der kaltblütigen Killer, die ihm schon so oft begegnet waren.
Leider hatten seine ersten Aktionen, obwohl er so behutsam wie möglich vorgegangen war, Aufmerksamkeit erregt, auch wenn er seine Spuren noch rechtzeitig hatte verwischen können. Trotzdem hatte Fritzsch Verdacht geschöpft, was dem Plan zum Verhängnis werden könnte. Von nun an durften Shadow keine Fehler mehr unterlaufen. Es musste absolut unwillkürlich aussehen, wenn er Erfolg haben wollte – haben musste, denn falls er versagte, würden sie ihn töten oder Schlimmeres mit ihm anstellen.
So war es nun einmal, wenn man für eine ebenjener Organisationen arbeitete. Man musste lernen, mit der Angst zu leben, akzeptieren, dass es einen irgendwann erwischen konnte. Es gab keine Sicherheiten, keine Garantien. Wer erstklassige Resultate ablieferte, wurde belohnt, wer sich Fehler erlaubte, bestraft. Shadow hatte sich bereits Fehler erlaubt, von denen seine Auftraggeber jedoch glücklicherweise noch nichts erfahren hatten, und wenn alles glatt lief, würde es auch so bleiben.
Er sah sich aufmerksam um. In einiger Entfernung trat ein Techniker in Overall soeben den Rückweg zum Kontrollzentrum an. Shadow hatte darauf geachtet, dass sich auch andere befugte Personen auf dem Gelände aufhielten, sodass er im Falle des Falles nicht der einzige Verdächtige war, der in Frage käme. Er war schließlich kein Anfänger!
Langsam näherte er sich dem Verteilerkasten, dessen Sicherungen er manipulieren musste, damit