Chefvisite. Die unerwartete Rückkehr des Auferstandenen. Albrecht Gralle

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Chefvisite. Die unerwartete Rückkehr des Auferstandenen - Albrecht Gralle

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kann missverständlich sein“, nickte er. „Bei meiner Auferstehung wurde ja keine Leiche neu belebt. Bei mir war es eher eine Verwandlung. Aber die Evangelien erzählen das doch alles: das leere Grab, die Begegnungen im Garten oder die beiden Wanderer auf dem Weg nach Emmaus, die Szene am See Genezareth – fremd und dann doch wieder bekannt …“

      „Den meisten fällt es schwer, an so etwas zu glauben“, sagte ich und fragte: „Aber warum kommst du nackt aus dem Himmel? Gibt es da keine Kleider?“

      „Doch schon, aber die bewegen sich nicht nach irdischen Regeln. Sie gehorchen der Schwerkraft des Himmels, und das würde hier komisch aussehen. Sie fangen an zu flattern, wenn es hier windstill ist, weil sie sich nach deinen Stimmungen richten. Sie wechseln die Farben, wenn dir danach ist. Das würde auffallen. Auch die Engel mussten sich irdische Kleider besorgen, wenn sie auf der Erde sichtbar wurden und nicht gleich auffallen wollten.“

      „Das wusste ich nicht.“

      „Jedenfalls“, sagte Jeschua, „es war kein Zufall, dass du mir begegnet bist. Irgendjemand sollte alles einmal aufschreiben. Ich finde, es ist an der Zeit, dass es einen Bericht über meine Wiederkunft gibt und über andere Ereignisse, die sich anbahnen. Ich werde übrigens daran arbeiten, dass sich dieses Buch überall verbreitet.“

      „Ich kann nicht schreiben“, sagte ich.

      „Dann such dir jemand, der das für dich erledigt. Ich werde dir dabei helfen. Mach dir auf alle Fälle Notizen.“

      „Wieso gerade ich?“, fragte ich weiter.

      „Darauf werde ich nicht antworten“, sagte Jeschua. „Aber bilde dir nicht ein, dass du deshalb etwas Besonderes bist.“

      Ich merkte, dass es keinen Sinn hatte, an dieser Stelle weiterzubohren und steuerte auf ein neues Thema zu: „Ich dachte immer, deine Wiederkunft geschieht mit Macht und Herrlichkeit, mit Trompeten und Posaunen, und so weiter.“

      „Meine Wiederkunft in Macht und Herrlichkeit steht auf einem ganz anderen Blatt. Das verborgene Reich Gottes ist noch nicht vollendet und muss noch weiterwachsen, bis die Zeit reif ist für den Durchbruch meiner letzten Wiederkunft. Das Potenzial der Menschen“, fuhr er fort, „ist noch längst nicht ausgeschöpft. Sie sind nicht so böse und so dumm, wie immer behauptet wird. Schließlich sind sie Ebenbilder Gottes. Und meine Erlösung hat viele positive Kräfte auf dieser Erde freigesetzt, Samenkörner, die ausreifen müssen. Aber ab und zu muss ich doch nach dem Rechten sehen, damit sich die Dinge im Sinne des Reiches Gottes entwickeln und sich der ganze Aufwand mit der Passionsgeschichte gelohnt hat.“

      „Aber warum dann dieses ganze Gerede von der Wiederkunft?“

      „Nun, es ist gut, das Ziel zu kennen, und übrigens erscheine ich jedes Mal in Macht und Herrlichkeit bei allen, die mit mir verbunden sind und sterben und damit in den Himmel entrückt werden. Ich zeige ihnen ihr neues Zuhause, wie ich es versprochen habe. Insofern ereignet sich die Wiederkunft in Macht und Herrlichkeit jeden Tag bei Tausenden von meinen Freunden, wenn sie hinüberwechseln. Aber eben noch nicht so bald auf der Erde. Das braucht noch Zeit.“

      „Und wieso“, fragte ich, „wussten wir nichts von deinen heimlichen Wiederkünften?“

      „Oh“, sagte er lächelnd und rührte in seinem Kaffee, „ihr hättet es wissen können. Es steht alles geschrieben.“

      „Wo denn?“, fragte ich.

      „Zum Beispiel bei Lukas. Da gibt es eine Szene auf dem Ölberg. Die Engel sagen sehr klar und deutlich am Tag der Himmelfahrt: Ihr Leute aus Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen wurde, wird genauso wieder herabkommen, wie ihr ihn jetzt habt in den Himmel entschwinden sehen.

      Da steht nichts von Pauken und Trompeten und Macht und Herrlichkeit. So still wie ich gegangen bin, genau so still werde ich immer wieder zu euch zurückkommen. Unerkannt, und nur von Einzelnen wahrgenommen. Man sollte das, was Engel sagen, wirklich einmal ernst nehmen.“

      „Wann war denn deine letzte Ankunft gewesen?“

      „Das vorletzte Mal vor ungefähr dreihundert Jahren. Eine Schwellenzeit in Europa: neues Denken, Freiheit des Einzelnen, der Aufschwung der Wissenschaften, Aufbrüche in den Kirchen. Dann war ich 1945 hier, als die Welt in Trümmern lag. Ich habe Hoffnung ausgesät bei Leuten, denen alles genommen worden war. Es gab viel zu tun … Fast war ich versucht, Ende der achtziger Jahre wiederzukommen, um die Ost-West-Barrieren abzubauen, aber es gelang uns auch so durch die intensive Arbeit des Heiligen Geistes – und durch Gorbatschow.“

      Er blickte auf eine altmodische Uhr an der Wand und sagte: „Du musst demnächst zurück, sonst wirst du vermisst. Wir treffen uns am Samstag in einer Woche in Hannover, bei der Marktkirche gegen Mittag. Dann sehen wir weiter.“

      Er reichte mir die Hand.

      Ich schüttelte sie. Sie war warm und vollgepackt mit Energie. Eigenartiges Gefühl.

      „Hast du denn Geld bei dir?“, fragte ich.

      „Kein Problem. Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden, da werde ich wohl ein bisschen Geld auftreiben können.“

      Das waren seine abschließenden Worte, die mir auf dem Rückweg in mein Quartier noch lange in den Ohren klingelten, vor allem quälte mich die Frage:

      Warum leben wir in dieser chaotischen Welt, wenn er doch alle Macht in Händen hat und alles ändern könnte? Aber das habe ich erst später begriffen.

       2

      Ansgar Kolnik fuhr den Wagen vor das Haus und stieg aus. Er beeilte sich, so schnell er konnte, nach oben in seine Wohnung zu kommen. Seit gestern war er wie elektrisiert. Sein einsames Leben als Witwer war bisher in ruhigen Bahnen verlaufen, denn mit seinen einundachtzig Jahren hatte er sich noch relativ gut gehalten. Er ging nur mit Stock, ohne Rollator, durch die Gegend, fuhr mit dem Auto kürzere Strecken. Und das Gehör funktionierte halbwegs. Erst vor Kurzem hatte er eine Hörhilfe beantragt.

      Sein Leben floss in einer geruhsamen Routine dahin. Er war inzwischen nicht mehr traurig über den Verlust seiner Frau, die vor fünf Jahren gestorben war. Jetzt, wo er seinen Haushalt einigermaßen selbst versorgte, mit der Tochter in der Nähe, verspürte er sogar ein gewisses Maß an Freiheit. Niemand versuchte, ihn von seinen Ideen abzubringen oder Verbesserungsvorschläge zu machen. Neulich hatte er in einer gemischten fröhlichen Runde gesagt: „Seitdem ich allein lebe, mache ich komischerweise alles richtig.“ Die Männer hatten alle gelacht, die Frauen weniger.

      Und so gingen die Tage gemächlich dahin. Bis gestern.

      Seit gestern wurde Ansgars Leben wieder aufregend, denn er hatte etwas entdeckt, und das hing mit dem Neubau gegenüber zusammen.

      Das Haus, das in seiner Straße gerade fertig geworden war, hatte ihn schon die ganze Zeit interessiert. Er hatte die Bauabschnitte genau verfolgt und fasziniert zugesehen, wie sich alles allmählich zusammenfügte und perfekter wurde. Fast zu perfekt, dachte er.

      Im Vorgarten hatte man Anfang September Rollrasen ausgelegt, zwei Zwergahornbäume gepflanzt, die schon drei Meter hoch waren, Büsche und Sträucher waren dazugekommen. Eine perfekte Rinne aus hellen Kieselsteinen umgab die Grundmauern. Schaukel und Klettergerüst wurden gesetzt.

      Das Haus machte

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