Wiederbelebte Geschichten. Grete Ruilre

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Wiederbelebte Geschichten - Grete Ruilre

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wieder Paris. Aber alle Wege waren nicht schrecklich für ihn, denn da war Bella, sie bedeutete ihm Heimat. Neunundzwanzig Jahre lebten sie zusammen. Als Bella 1944 in Amerika starb, verstummte Chagall.

      Es dauerte fast ein Jahr, ehe er sich wieder erhob, wieder malen konnte.

      Was viele nicht wissen: Bella schrieb Erzählungen, die Chagall bildlich darstellen konnte.

      Fast zu allen Erzählungen malte er Bilder – von Russland, Märchen, Pferden, Vätern, Landschaften und zu Religiösem. Bella war für mich seine Inspiration.

      Ich wurde sogar an meinen Mann erinnert. »Erzähle«, sagte er oft zu mir. Wenn ich einmal nichts erzählte, fürchtete er, ich sei krank.

      Chagall heiratete später wieder. Es war nie mehr wie zuvor.

      Ein kurzer Aphorismus zu diesem Text (von mir): »Glückliche Menschen sind ideenreich.«

      Das zerplatzte Geschenk

      Wir wohnen außerhalb der Stadt, nahe am Waldrand, in einem hübschen Dorf. Hier gibt es sie noch: Die unberührte Natur! Füchse, Rehe, Wildschweine und viele seltene Vogelarten wurden hier heimisch. Nur ein Geschäftsviertel haben wir nicht. Um einzukaufen, fahre ich deshalb einmal in der Woche mit dem Bus in die naheliegende Stadt.

      Auch heute war ich wieder unterwegs.

      Meine Einkaufsliste ist lang. Bald kommt die Station, wo ich aussteigen muss. Schon von weitem sah ich eine große Menschenmenge auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Meine Neugier war geweckt! Rasch überquerte ich die Straße und fragte eine Dame: »Was ist denn hier los, wird ein Fest gefeiert?«

      »Ja, wissen Sie es nicht? Die neue Bankfiliale wird heute eröffnet. Es gibt gratis Würste und Freibier!« Auf dem Trottoir vor der Bank waren viele Tische und Bänke aufgestellt. Die Leute saßen da und verzehrten die herrlich duftenden, knusprig gebratenen Würste genüsslich. Manche tranken dazu ein kleines, helles Bier. Aber auch die ganz Kleinen wurden nicht vergessen. In Reih und Glied warteten die Kinder geduldig, bis sie zu dem freundlichen Mann kamen, der die bunten Luftballons mit Gas füllte. Ihre zarten Händchen umfassten die Schnur des Luftballons und ließen sie nicht mehr los. Manche baten den liebenswerten Mann sogar: »Bitte! Binde mir den Ballon um das Handgelenk, damit er mir ja nicht davonfliegen kann.«

      Erst dann konnten sie beruhigt zu ihrem farbenfrohen Ballon hinaufschauen. Ach, wie können diese Kindergesichter noch strahlen! War ich nicht erst auch noch so klein gewesen?

      Kindheitserinnerungen kamen zurück. In Gedanken versunken stand ich da. Nun war es aber allerhöchste Zeit für meine Einkäufe. Als ich im Begriff war weiterzueilen, tippte mir jemand von hinten auf die Schulter. Ich drehte mich um. Liebevolle blaue Augen schauten mich an.

      Es war ein Clown, mit weißer Halskrause, in einem bunten Flicken-Gewand. Er sagte: »Ich habe Sie beobachtet. Wie konnten Sie sich über die Kinder freuen! Zwar bin ich für die Kinder da, aber Sie möchte ich auch beschenken. Bleiben Sie noch einen kurzen Moment stehen.« Umständlich kramte er aus seinen Hosentaschen ein großes dickes Röhrchen hervor. Er schüttelte es kräftig. Dann nahm er den Deckel ab, tauchte den Pustering in das Seifenwasser, zog ihn wieder heraus und blies große Seifenblasen in die Luft. Danach folgten viele, viele kleine Blasen. Dabei betrachtete er mich immer wieder mit seinen freundlichen Augen. Einen Moment lang waren wir beide in einer farbig schillernden Welt von runden Seifenblasen eingehüllt.

      Ich war glücklich! »Vielen Dank für das wunderschöne Geschenk«, sagte ich zu dem Clown.

      Er sagte nur: »Ich wusste, es würde Ihnen gefallen.« Dieses besondere Geschenk werde ich nie vergessen, obwohl es lautlos zerplatzte und sich in Nichts auflöste.

      Der einsame Schwan in seiner Märchenwelt

      Wir hatten Ferien im Südtirol. In einer Broschüre lasen wir, dass es in Kurtatsch ein großes Weingut gebe. Dazu gehöre das Castel Turmhof, mit einem Märchengarten. Alles Märchenhafte bezaubert mich! »Da müssen wir unbedingt hingehen«, sagte ich zu Walter. Ob der Garten öffentlich sei? »Nein. Aber Morgen um elf Uhr gibt es eine Führung. Treffpunkt ist der Vorhof des Schlosses.« Wir waren pünktlich. Aber niemand kam.

      Hier gebe es doch eine Jausenstation, meinte Walter. Dort fragten wir, an wen wir uns wenden müssten. Im gemütlichen Hof, mit Holztischen und Bänken, saßen viele Menschen, verzehrten genüsslich den feinen Tiroler Speck und tranken dazu den Hauswein. Als die Wirtin kam, fragte Walter: »An wen muss ich mich wenden, wir wollen den Märchengarten besichtigen?«

      »Warten Sie hier, ich werde mit dem Hausherrn telefonieren.«

      Wenig später erschien ein gutaussehender, älterer Herr. Aufrecht, ganz aristokratisch, kam er mit einem Gehstock in der Hand auf uns zu.

      »Sie wollen in den Märchengarten?«, fragte er. Dabei schaute er uns prüfend von oben bis unten an. »Sie sind nur zu zweit?« Er überlegte sich, ob er zusagen sollte.

      »Ich wäre sehr glücklich, wenn wir den Märchengarten sehen könnten«, sagte ich.

      »Also gut, dann gehen wir«, meinte der Herr. »Ich führe sie jetzt in meinen Privatbereich.«

      Bedächtig ging er vor uns her, bis zu einem schmiedeeisernen Seitentor. Aus seiner Westentasche nahm er einen langen, uralten Schlüssel und schloss auf.

      Eine schmale Treppe führte hinab, zu einem wunderschönen See. Dieser war umgeben von jahrhundertealten Eiben, Kiefern, dunklen Tannen und Fichten.

      Vor dieser Kulisse am See erhob sich eine skurrile Märchenbergwelt. Von den Bergen stürzten kleine Wasserfälle in den See. In den Höhlen der Bergwelt lebten Fabelwesen und Tiere. Ein Tatzelwurm schaute uns entgegen, eine Schlange, ein Adler, ein Uhu und ein dürrer Steinbock.

      Poseidon stieg aus dem See, mit dem Dreizack in der Hand, ihm folgte Aphrodite. Sie erstrahlte in Schönheit und Liebe. Unter einem Felsvorsprung entdeckten wir ein schwarzes Boot. Den Bug zierte ein weißer Schwan. Wir dachten an Wagners Lohengrin und waren verzaubert.

      Diese wundersamen Figuren waren allesamt aus Tropfstein gemeißelt worden, von einem Vorfahr, der sich außer dem Weinbau auch der Kunst verschrieben hatte.

      Unerwartet leise schwamm majestätisch ein weißer Schwan auf uns zu. Er war neugierig und begleitete uns auf dem Weg am Rande des Sees.

      »Wie traurig er aussieht, er ist ja so alleine«, sagte ich.

      »Das war nicht immer so«, antwortete der Schlossherr. »Setzen wir uns doch auf die Bank hier am See, ich werde ihnen alles erzählen.« Und er begann: »Ich hatte einmal zwei Schwäne gekauft. Es sollten Mann und Frau sein, aber ich wurde betrogen: Es waren nämlich zwei Männchen. Sie stritten sich ständig!

      Hansel, der noch da ist, war der Stärkere. Er plagte seinen Artgenossen so sehr, dass ich ihn zurückbringen musste.

      Dann habe ich dem Hansel ein Weibchen gekauft, das wir Gretel nannten. Hansel nahm seine Schwänin

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