Was ich glaube. Arnold Mettnitzer

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Was ich glaube - Arnold Mettnitzer

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im Hintergrund. Im Vordergrund pflügt ein Bauer sein Feld und ein Hirte blickt zum Himmel, so als wolle der Maler zum Ausdruck bringen, dass unabhängig von dem, was hier geschieht, die Erde sich weiterdreht. Der Lauf der Natur bleibt vom Einzelschicksal unbeeindruckt.

      Am 20. Juli 1969 schaffen es Armstrong, Aldrin und Collins, sich der Sonne zu nähern und auf dem Mond zu landen. Um 21 : 17 Uhr MEZ setzt die Landefähre „Eagle“ auf der Mondoberfläche auf. Sechs Stunden später, am 21. Juli 1969 um 3 : 56:20 Uhr MEZ, betritt Neil Armstrong als erster Mensch die Mondoberfläche. Es ist der bislang bedeutendste Moment in der Geschichte der Raumfahrt. „Ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein großer Schritt für die Menschheit!“ Armstrongs Satz wird zum geflügelten Wort, das bei der Fernsehübertragung der Mondlandung rund 600 Millionen Menschen live miterleben.

      Ich bin damals knapp siebzehn Jahre alt. Unser Nachbar weckt mich und meine Brüder um drei Uhr nachts. Staunend sitzen wir vor dem einzigen Fernsehgerät weit und breit. Seither fühle ich mich als Weltbürger, der, wenn er nur will, Anteil nehmen kann an dem, was „draußen“ in der Welt vor sich geht. Seither fasziniert mich ein Denken aus der Vogelperspektive, das sich einen Überblick zu schaffen vermag und sich nicht von allzu vielen Kleinigkeiten in Geiselhaft nehmen lässt. In dieser Zeit bin ich Gymnasiast in Wien. Und ich erinnere mich an Pater Suso Braun, einen damals bekannten Rundfunkprediger, der in der Pfarrkirche Maria Hietzing in Wien die menschliche Leistung der Mondlandung hervorhebt, dabei aber auch vor dem Schicksal des Ikarus warnt und seinen Zuhörern die Winzigkeit des Menschen vor Augen zu führen versucht. „Vom Weltall aus betrachtet“, führt er aus, „ist die Erde ein stecknadelkopfgroßes Etwas. Auf diesem kleinen Stecknadelkopf stehst du in der Früh vor dem Spiegel und kämmst dir deine Haare. Wie lächerlich!“ Uns Jugendliche beeindruckt das damals nicht sehr. Wir sind ganz von der Größe des menschlichen Eroberungsgeistes und seinen Möglichkeiten in den Bann gezogen. Heute aber denke ich immer wieder einmal an Suso Brauns Gedanken. Er vergisst nicht, wenn er von Dädalus erzählt, auch an Ikarus zu erinnern. Beide wollen hoch hinaus. Der eine in die Freiheit, der andere in die Unendlichkeit. Dem einen gelingt sein Vorhaben, der andere scheitert. Jeder Mensch kennt beides. Dädalus und Ikarus stehen für archetypische Erfahrungen, an denen der Mensch zum Weltbürger reift. An der Dädalus-Erfahrung erweitert er seinen Horizont und findet durch Grenzüberschreitung seinen Weg in die Freiheit. Durch die Ikarus-Erfahrung reift er, indem er lernt, zu den Irrtümern in seinem Leben zu stehen, sein Wachstum und seine Identität gerade auch daraus zu begreifen.

      Als Juri Gagarin von seiner ersten Weltraumexpedition zurückkehrt, sagt er triumphierend, er habe da oben Gott nicht finden können. Das wohl auch deshalb, weil er danach auch gar nicht gesucht hat. Ich kann den Kosmos durchfahren und berauscht von den technischen Möglichkeiten nichts finden. Ich kann aber auch auf dieser Fahrt, je mehr ich nachdenkend mir meiner Kleinheit bewusst bleibe, vor lauter Staunen ganz außer mir sein, wie schön, geheimnisvoll und groß diese meine Welt ist. Was ist das für eine Welt? Welcher gigantische Geist steckt da dahinter? Und mehr noch: In dieser Welt, in diesem Kosmos gibt es auch einen Platz für mich. Das ist der andere Zugang! Der Mensch wird nie aufhören, seinen Horizont zu erweitern und die Grenzen, an die er gerät, überwinden zu wollen. Wir sind und bleiben „Horizont-Überschreiter“, Neugierige bis zum letzten Atemzug. Die Aufgabe des Menschen scheint darin zu bestehen, Mut zu machen, Mauern niederzureißen und Zäune zu überspringen. Seit der Landung des ersten Menschen auf dem Mond ist in den Köpfen vieler Menschen vieles möglich geworden. Horizontüberschreitung bedeutet aber nicht nur hoch hinauszuwollen, es bewirkt bei Menschen mit Herz auch eine neue Kultur, mit beiden Beinen auf dem Boden zu bleiben.

      Dankesrede anlässlich der Verleihung des Berufstitels „Professor“

      am 29. April 2013 im Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur in Wien

      Thomas Bernhard erzählt, wie er sich auf dem Weg zur Verleihung des Grillparzer-Preises im „Sir Anthony“ am Kohlmarkt einen neuen Anzug kauft, diesen dann aber als doch nicht ganz passend nach der Feierstunde und dem anschließenden Essen in der „Gösser Bierklinik“ dem Herrenmodengeschäft zurückbringt und gegen einen um eine Nummer größeren eintauscht …

      Wir acht heute hier geehrten Kandidatinnen und Kandidaten sind in gut passenden festlichen Gewändern angetreten, um ehrenvolle Auszeichnungen entgegenzunehmen. Wir sehen darin nicht nur routinemäßig vollzogene und nobel umschriebene Alterserscheinungen, sondern in erster Linie Anerkennung und Wertschätzung für bisher erbrachte Leistungen.

      Es ist mir eine besondere Freude, dafür in unser aller Namen DANKE zu sagen: dem Herrn Bundespräsidenten, der Frau Bundesministerin mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, allen voran Ihnen, Herr Sektionschef Kurt Nekula, Frau Dr. Andrea Freundsberger für die akribische Ausarbeitung der Vorstellung der Auszuzeichnenden und Ihnen, Herr Amtsdirektor Dieter Rath, der Sie uns „die Frohe Botschaft“ der heutigen Ehrung überbracht haben.

      Aber ganz besonders und vor allen anderen gilt unser Dank den Menschen, durch deren Vorschlag und Initiative diese Auszeichnungen für uns in die Wege geleitet wurden. Ihre Wertschätzung und Initiative verdient nicht nur deshalb ein besonderes Danke, weil wir dadurch zu Ehren kommen, sondern weil das Mitdenken und Mitfühlen die Basis allen menschlichen Miteinanders ist. Nach nichts, sagen die Gehirnforscher, hätte der Mensch mehr Sehnsucht als nach dem anderen Menschen und danach, von ihm bemerkt, gesehen, anerkannt und wertgeschätzt zu werden. Nichts kränkt den Menschen mehr, als von anderen Menschen übergangen, übersehen, „nicht einmal ignoriert“ zu werden. Albert Einstein hat den hintergründigen Satz geprägt: „Fantasie ist wichtiger als Wissen.“ In allen Bereichen unserer Gesellschaft brauchen wir sie dringend, diese Fantasie, die Kreativität, die aus dem Mitdenken wächst und aus dem Engagement vieler Einzelner lebt.

      Die Frucht solcher Fantasie ist das Feuer der Begeisterung, das einlädt und ansteckt, aufweckt und mitreißt. Ein solches Feuer ist vor allem dort nötig, wo die Not am größten ist, zum Beispiel in der momentan geplanten Bildungsreform: Unsere Schulen brauchen Fachleute, daran besteht kein Zweifel. Es ist dabei eine sekundäre Frage, wo diese ausgebildet werden. Was aber in unseren Schulen die Schüler zuallererst brauchen, sind Fachleute, deren oberste Kompetenz darin besteht, das, was sie können, mit Liebe und Leidenschaft anderen zu vermitteln. Ohne diese Vermittlungskompetenz wird es sehr schwer sein, den zündenden Funken der Begeisterung für ein Stoffgebiet in jungen Menschen zu wecken. Bereits vor über fünfzig Jahren hat Ingmar Bergman Verantwortliche davor gewarnt, seelenruhig zuzusehen, wie hochgebildete junge Menschen ihre Bildungsanstalten als „Analphabeten des Gefühls“ verlassen. Erich Kästner sagt in diesem Zusammenhang in seiner berühmten „Ansprache zum Schulbeginn“:

      „Liebe Kinder, da sitzt ihr nun, alphabetisch oder nach der Größe sortiert, (…) Früchtchen seid ihr, und Spalierobst müsst ihr werden! Aufgeweckt ward ihr bis heute, und einwecken wird man euch ab morgen! (…) Vom Baum des Lebens in die Konservenfabrik der Zivilisation, – das ist der Weg, der vor euch liegt. Kein Wunder, dass eure Verlegenheit größer ist als eure Neugierde.“11

      Aber auch dieser Vorwurf ist nicht neu. Schon Seneca klagt am Schluss seines 106. Briefes an Lucilius darüber, dass die Schüler nicht fürs Leben, sondern für die Schule lernten: „Non vitae, sed scolae discimus.“ Übrigens: Wenn ich diesen Satz in meinen Computer tippe, schlägt mir das Korrekturprogramm statt „discimus“ „Discomusik“ vor. Und zu „gaudeamus igitur, iuvenes dum sumus“ werden mir „igitt“ und „Juventus“ angeboten. Auch das vielleicht ein Hinweis auf eine dringend notwendige Bildungsreform!

      Kay Pollacks Film „Wie im Himmel“ (Schweden 2004) erzählt, wie es einem einzigen Menschen gelingt, ein ganzes Dorf neu zu beleben, die Herzen der Menschen so zu berühren, dass das in ihnen schlummernde Potenzial lebendig wird und ungeahnte Fähigkeiten zum Wohle aller spürbar werden. Ich bin überzeugt davon, dass dieser Film eine wertvolle Hilfe sein kann, einer dringend „not-wendenden“ oder eben „Not-wendenden“ oder vielleicht

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