Germany´s next Topmutti. Anja Lerz
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Hinzu kam noch, dass ich so absolut keine Lust auf diesen Mutti-Kurs hatte. Gelinde gesagt. Mein Körper schrie mir durch den Magen zu: „Hau ab! Sieh zu, dass du Land gewinnst! Nix wie weg!“ Mag ja sein, dass andere Mamas das spannend finden, ihre neue Lebenssituation mit anderen Müttern zu teilen, aber ich war noch nie ein Vereinstyp gewesen und hatte mit dem neuen, kleinen Menschen in unserem Leben schon genug an den Hacken – da musste ich mich nicht auch noch auf die Lebenswelten von anderen Muttertieren einlassen. Echt nicht.
Denn bevor Frau ein Kind hat, ist sie meistens nur Frau, Ehefrau, Freundin und Kollegin. An diese Rollen werden auch schon einige Erwartungen gestellt, aber keine Rolle ist so überbelastet mit Erwartungen wie die „Mutter“. Ist man das dann, prasseln nicht nur die Erwartungen der Gesellschaft und der Familie, sondern auch die eigenen an diese Mutterrolle auf einen ein – und die der anderen Mütter. Da rollen so viele Mythen und Stereotypen von Mamas durch die Gegend, dass man davon nur überrollt werden kann. Egal, was Mutter macht – irgendwer hat immer was zu meckern, weil eine gute Mutter das anders gemacht hätte. Manchmal hätte ich statt der vielen Mutterrollen lieber ein paar Speckrollen mehr. Und das will schon was heißen, weil ich davon bereits ein paar auf Lager habe.
Blöderweise gehörte zu meiner persönlichen Vorstellung einer „guten“ Mutter, dass ich wenigstens einmal mit der Lütten zu solch einem Babykurs gehe. Einfach mal, damit die Lütte auch andere Babys trifft. Wie ich dann da in diesem Kurs erfuhr, interessiert das die kleinen Pupsis, Hasis, Knutschis und Mottis überhaupt nicht, welche anderen Mausis, Bärchen und Herzis noch da sind. Eigentlich ist das nur was für die Muttis, um eben irgendwie ihre Mutterrolle zu finden. Eigentlich hätte ich an diesem Punkt das Weite suchen können, aber da war es schon zu spät. Da war ich schon mittendrin in diesem Mutti-Kosmos.
Denn obwohl es nicht zwingend erwähnt und die Zielgruppe als „junge Eltern“ definiert wurde, saß da kein einziger Vater auf dem Boden und krauchte mit seinem Nachwuchs herum. Mein Mann hatte sich noch überlegt, ob wir uns mit den Kursterminen abwechseln, aber als er hörte, dass da nur andere Mütter dran teilnehmen, die auch noch regelmäßig ihre Brüste zum Stillen ihrer Kinder rausholen, hat er seine Meinung schnell geändert. Ich kann das verstehen. Ich wäre auch gerne weggeblieben.
Nix gegen Brüste. Aber dieses „Welche-Mami-istdie-beste“-Gehabe war nicht meine Welt. Das erinnerte mich an die Sportfeste von damals, wo man nur etwas wert war, wenn man gewann. Selbst der zweite Platz war nicht gut genug – es war ja nicht der erste. Manche liebten dieses Kribbeln, diese Aufregung, ob man es nicht vielleicht dieses Jahr aufs Treppchen schaffte. Meine Einstellung zu dieser Schweiß-und-Stress-Veranstaltung war nur: Augen zu und durch. Die Leibesertüchtigungen, wie manche es nannten, hätten mir vielleicht noch Spaß gemacht, aber ich mochte das Leistungsgerangel nicht. Höchstens bei Brettspielen, aber da war es manchmal auch Glückssache, wer gewann. Das gefiel mir. Ich war eben schon immer eher der Gemeinschafts- statt der Wettkampftyp. Und jetzt musste ich mich diesen Mama-Wettkämpfen stellen. Ich hasste es.
Da war zum Beispiel diese eine Mutter, die von den anderen angehimmelt wurde wie ein Popstar. In gewisser Weise war sie das auch. Ihr sah man die Schwangerschaft nicht an, kein Bäuchlein, keine zerrissene Haut, nix – obwohl es ihr zweites Kind war, wie sie betonte. Sie kam immer pünktlich, trug Schuhe mit Absätzen, war geschminkt und immer gut gelaunt. Ihr Sohn konnte als Erster krabbeln und überrannte die anderen Babys, zog sie an den Haaren und bewarf sie mit Rasseln, aber sie blieb die Ruhe selbst und lächelte nur. Dieses Lächeln – ich träumte nachts davon, wie ich es ihr aus dem Gesicht boxte, aber es verschwand nicht!
Im Gegensatz zu ihr kamen die meisten anderen Mütter, wie ich auch, abgekämpft und übermüdet dort an. Irgendein Baby hatte immer die Kotzerei, Kackerei oder schrie die ganze Zeit während des Kurses. Irgendeine Mutter hatte immer zerzauste Haare oder einen Milchfleck auf dem Shirt, der Hose oder am Hals. Und irgendwer war immer mal schlecht gelaunt oder konnte sich nicht konzentrieren wegen des Schlafmangels. Bis auf eine Mutter, deren Tochter schon von Beginn an durchschlief. So richtig zwölf Stunden am Stück. Sie wusste nicht, was sie tat, als sie das beiläufig erzählte, denn danach haben wir sie alle still und heimlich gehasst. Ein bisschen zumindest. Am meisten aber, wenn uns unsere Lütten alle zwei Stunden in der Nacht anbrüllten, als würden wir sie fressen wollen.
Mit der Zeit wurde aber deutlich, dass wir alle mit der neuen Rolle unsere Schwierigkeiten hatten. Sogar unsere Promi-Mami packte irgendwann ihre Horrorgeschichten aus, als sie sich in unserer Runde sicher fühlte. Dass ihr Sohn schnell mobil war, hatte nämlich auch seine Schattenseiten. Plötzlich war er auf ein Gatter zur nächsten Weide geklettert und nahm Kontakt mit den Jungbullen auf. Gar nicht gut. Irgendwann war er mal wieder verschwunden, und sie fanden ihn auf dem Dach wieder. Er war über einen Holzstapel an der Wand hochgeklettert und hatte sich an der Regenrinne hochgezogen. Kein Witz. Es gab sogar Beweisfotos.
So war das mit dem Höher-Schneller-Weiter. Irgendein Kind war immer mal oben auf dem Treppchen, aber uns allen war klar: Das kann auch nach hinten losgehen. Die erste bange Frage war: Wann drehen sich die Lütten auf den Bauch? Wann lächeln sie uns das erste Mal an? Unsere Lütte fiel zu diesem Zeitpunkt dadurch auf, dass sie sehr wach war und alles wahrnahm. Da ahnten wir schon, was die Kursleitung dann auch ansprach: Die Lütte ist wahrscheinlich hochsensibel. Kann man sich drüber freuen. Muss man aber nicht, weil man dann auch mehr Pausen braucht. Kinder und Pausen? Äh: nö.
Dann kam das Krabbeln. Ein großes Thema. Denn es sorgte schon für Unruhe, wenn manche Lütten noch sich windend am Boden lagen, während andere sich rubbeldiekatz durch den Raum schoben. Letztendlich lernten es alle – oder fingen gleich an zu laufen. Danach kamen das Hochziehen und Stehen und schließlich für alle das Laufen. Und damit auch die Wertediskussion: Laufwagen, ja oder nein? Bei anderen Müttern fing das schon bei den Windeln an: Pampers oder die vom Discounter oder doch Stoffwindeln? Spätestens mit dem Wetteifer: Wer ist als Erstes trocken?, hört das dann aber wieder auf, und es geht weiter mit dem: Wer kann ohne Schnuller, sich als Erstes an- und ausziehen und mit Messer und Gabel essen?
Mittlerweile haben fast alle unsere Kinder die ersten Vergleichsmarathons hinter sich, und es stellen sich verschiedene Schwerpunkte heraus. Das eine Kind kann schon seit dem ersten Geburtstag ganze Sätze sprechen, interessiert sich aber nicht die Bohne für die Toilette. Das andere Kind nuschelt nur ein paar Worte, braucht aber schon lange keine Windeln mehr. Auch hier gibt es wieder Abstufungen: Manche benutzen ein Töpfchen, andere einen Klo-Thron, wieder andere nur einen Hocker und eine kleinere Klobrille oder auch gar nix und lassen das Kind in der Dusche Pipi machen. Es gibt nichts, was es nicht gibt.
Manche Kinder malen den ganzen Tag, andere können den Takt bei der Musik halten, andere singen, wieder andere tanzen, die nächsten klettern und turnen, wieder andere schauen sich stundenlang Bücher an oder spielen mit ihren Stofftieren und Puppen Szenen nach. Als Nächstes erwartet uns dann das Schreiben. Man könnte meinen, bei fast Dreijährigen gebe es bis dahin mal eine Verschnaufpause vom „Mein-Kind-kann-Schon“, aber auch dieses Siegertreppchen ist schon erklommen worden – ein Mädchen konnte schon mit fast zwei Jahren seinen Namen schreiben und bildet jetzt erste Sätze mit Magnetbuchstaben am Kühlschrank. Auch eine Fähigkeit, die anstrengend sein kann, wenn andere Kinder das erst in einigen Jahren lernen.
Auch wenn wir unsere Kinder mit ihren Fähigkeiten immer mal wieder vergleichen, gab es bei uns Malibu-Muttis bisher keinen richtigen Wettkampf um die beste Mutti aller Zeiten. Vielleicht gerade, weil wir alle so verschieden sind, dass der Vergleich nicht möglich ist. Wir sind wie eine von gewieften Marketingstrategen zusammengestellte Girlgroup. Eine Muddi-Band ohne musikalische Fähigkeiten mit Stereotypen für jeden Geschmack. Ich nenne uns die Spice-Mums:
Da gibt es also unsere Promi-Mama, die tatsächlich mal bei einem gemeinsamen Essen ohne unsere Kinder in einem Restaurant um ein Autogramm gebeten wurde, weil man sie für eine Teilnehmerin von „Germany‘s next Topmodel“ hielt. Tatsächlich passiert. Immer gut gestylt, immer schlank, Fan