Mein Haus, mein Hof, mein Rudel. Gisela Gersch-Gernoth

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und strahlt eine große Unruhe aus. Da sie ihre Antibiotika-Spritzen, die sie wegen eines Zeckenbefalls bekommen muss, gut verträgt, schließen wir einen Zusammenhang mit den Zeckenbissen aus. »Ob sie schon läufig wird?« Diese Frage drängt sich auf, denn sie wird bald neun Monate alt. Man gut, dass wir am nächsten Tag wieder zu Hause sind.

      Kurze Zeit später ist es dann tatsächlich so weit. Die ersten Blutspuren tauchen auf und eine völlig ausgewechselte Paula, unruhig und fahrig, hält uns beschäftigt. Sie will immer aus dem Haus, am Dorfrand bleibt sie stehen, will keinen Schritt weitergehen, nur die Umgebung taxieren, ob nicht ein Rüde in Sicht ist. Diese verfolgen uns im gleichmäßigen Abstand auf den Spaziergängen, bei denen Paula an der Leine bleibt, sich aber immer nach hinten umschaut und kaum vorwärtsgeht. Einer der Rüden ist besonders hartnäckig. Er läuft mit durch den Wald und wieder zurück. Vielleicht sein bisher längster Spaziergang? Wir fahren mit dem Auto zu anderen Feldwegen, weiter entfernt von unserem Dorf. So haben wir mehr Ruhe, denn Paulas Zustand hat sich dort noch nicht »herumgesprochen«. Aber sie bleibt an der Leine. Doch nun geht die Komödie zu Hause weiter: Die Rüden springen über unseren Gartenzaun und stehen vor der Terrassentür. Selbst einen Methusalem aus unserem Dorf, der sich sonst nur noch mühsam durch die Straßen schleppt, treffen wir plötzlich auf unserer Terrasse an. Die Lust versetzt Berge, in diesem Fall Zäune. Paulas Blutung dauert länger an, als ich erwartet habe. Danach kommt die Zeit möglicher Empfängnis – alles nicht so genau einzuordnen, die Zeiten können sich überschneiden. Wir passen weiterhin gut auf unsere Kleine auf. Als kein Rüde mehr zu sehen ist, wissen wir, dass die anstrengende Zeit vorbei ist. Paula darf wieder allein in den Garten, und wir nehmen unsere alten Gewohnheiten wieder auf. Am Dorfrand lasse ich sie von der Leine. »Paula, jetzt darfst du wieder frei toben.« Ihre Augen blitzen auf.

       Darauf habe ich doch schon so lange gewartet.

      Anmerkung: Auf Anraten unserer Tierärztin, die Paula während der Welpenzeit betreut hat, haben wir beschlossen, dass Paula nach der ersten Läufigkeit kastriert werden soll. So geschieht es auch. Paula hat weder Gewichtsprobleme bekommen, noch war eine Wesensveränderung spürbar.

      SCHWIMMEN LERNEN

      Frau Messner, eine Nachbarin, ruft an. Ob wir Lust hätten, mit zum Hundesee zu kommen? Wie ich erfahre, ist der Hundesee ein Kiesteich östlich von unserem Dorf, gut eine halbe Stunde Autofahrt entfernt.

      Frau Messner hat zwei Hunde, Andi und Berti, beide Golden Retriever mit Stammbaum, die schulbuchmäßig aufgezogen werden, denn meine Nachbarin möchte eine Hundezucht aufbauen. Berti ist genau wie Paula acht Monate alt.

      Als wir Paula gerade bei uns aufgenommen hatten, kam Frau Messner sofort zu uns mit ihrem Berti, damit die Kleinen miteinander spielen konnten. Sie kugelten sich, lagen unter- und übereinander, tapsten umeinander herum, fielen hin, gnibbelten sich in Schnauze und Ohren. Es bereitete so viel Freude, ihnen zuzuschauen. Frau Messner empfahl mir auch ein anderes Futter als das, welches Paulas Züchter benutzte. Trocken-Premiumfutter für Welpen wäre das beste, meinte sie. Ich befolgte ihren Rat, wusste ja selbst noch nicht alles von den Dingen, die ein Hund so braucht. Wir mussten beide lernen – ich auf meine Art und Paula auf ihre.

      Ein Hupen auf der Straße! Ich schnappe das Handtuch und die Leine, Paula steht schon am Gartentor und bellt vor Freude. Im Geländewagen von Frau Messner sitzen die Hunde hinten, vorschriftsmäßig durch ein Gitter vom Fahrgastraum getrennt. Schnell steigen auch wir ins Auto, und schon folgen wir den anderen. Der Kiesteich – so stellt sich heraus – ist ein Paradies für die Vierbeiner und ihre Besitzer, ein Geheimtipp, da er von menschlichen Schwimmern höchstwahrscheinlich wegen der Hunde nicht aufgesucht wird. Das warme Frühsommerwetter hat viele Hundefreunde hergelockt, sodass die Parkmöglichkeiten schon knapp sind. Ein kleiner Fußmarsch, begleitet von unseren tobenden Tieren, schon sind wir am Strand. Ja, so kann man das Fleckchen nennen, eine kleine feinsandige Stelle, umsäumt von Ginster- und Weidenbüschen. Einige Hunde schwimmen auf geworfene Stöckchen zu, einige spielen miteinander, rennen hintereinander her. Sofort werden die drei Neuen gebührend begrüßt und beschnüffelt. Paula wird von einem schwarzen Riesenschnauzer in Beschlag genommen. Doch er will nicht spielen, er will sie besteigen. Paula setzt sich in den Sand. Er ist weiter zudringlich. Paula steht auf, will sich durch Bewegung befreien, doch er lässt sich nicht abschütteln. Sie setzt sich wieder in den Sand. Aber Paula hat keine Chance, denn der Schnauzer steigt immer wieder auf. Plötzlich hat Paulas Friedfertigkeit ein Ende, sie dreht sich um, bleckt die Zähne und verbellt ihn knurrend mit massiver Drohgebärde. So habe ich sie noch nie gesehen. Das soll meine sanftmütige, immer gut gelaunte Paula sein? Aber immerhin – die Geste zeigt Wirkung. Der Schnauzer nimmt Abstand und nach einem kurzen Moment des Zögerns trollt er sich. Ich umarme Paula. »Das hast du gut gemacht, mein tapferes Mädchen.« Sie wedelt und stupst mich an. Ihr Selbstbewusstsein ist wieder etwas größer geworden.

      Ich ermutige sie ins Wasser zu gehen – vor Regenpfützen weicht sie ja immer aus, sie mag sich keine nassen Pfoten holen. Für mich eigentlich eine feine Sache, hat mich diese Eigenart doch schon vor manch zusätzlichem Schmutz im Haus bewahrt. Also bleibt sie auch hier erst mal vor dem Wasser stehen und beobachtet die anderen Hunde, wie sie sich schwimmend und planschend bewegen. Doch der Durst verführt zum Kosten. Paula tapst ins Wasser. Nun sind die Vorderpfoten schon mal nass. Mit Stöckchen-Werfen kann ich sie noch nicht überlisten. Daran zeigt sie erst in späteren Jahren Interesse. Ein nasser Hund kommt auf sie zu und schüttelt sich. Es ist Berti, der als Retriever Wasser über alles liebt. Spielend überzeugt er sie, es einmal mit der köstlichen Kühle zu versuchen und – Paula schwimmt! Sie paddelt mit den Vorderläufen, die Schnauze zur Hälfte im Wasser, ein kleines Stück hinaus, dann wieder zurück, kommt an Ufer, schüttelt das Fell aus, springt wieder hinein, wirkt zunehmend stolzer und begeisterter. Noch einmal, noch einmal … Als sie befindet, dass es genug ist, kommt sie zu mir, schüttelt sich und schenkt mir einige Tropfen vom Nass. Danach wälzt sie sich grunzend im Sand und schüttelt sich gleich erneut.

       Hier fahren wir jetzt immer hin!

      DIE BULT

      In Hannover gibt es ein anderes Hundeparadies: das Gelände der alten Pferderennbahn, die Bult. Es ist auch ein Paradies für die Begleiter der Hunde, daher kommen sie vielfach aus dem Umland, denn die Hunde können ungestört frei laufen, toben und spielen. Keiner ist da, der meckert und schimpft. Keiner, der sich aufregt. Keiner ist unbegründet ängstlich … Nur manchmal gibt es jemanden, der seine Hundephobie überwinden möchte, doch der kommt freiwillig. Auch viel später, als wir schon auf unserem Hof leben, besuchen wir, wenn wir in Hannover sind, die Bult, solange es Paulas Gesundheit zulässt. Und natürlich lernen wir das Gelände durch Frau Messmer mit Andi und Berti kennen.

      Bevor dieses Spielparadies erreicht wird, verlässt man am Bismarckbahnhof die Hauptstraße und biegt in eine kleine Sackgasse ein, die zu Kleingärten führt. Dort kann man parken. Manchmal muss man aber auch schon an der Hauptstraße den Wagen stehen lassen, denn es ist kein freier Platz zu finden, besonders zur Zeit des Leinenzwangs. Schon beim Einbiegen in diese Sackgasse erhebt sich immer ein Geheul hinter mir im Auto. Die Vorfreude ist so groß! Haben wir dann einen Parkplatz gefunden, lasse ich Paula sofort, ohne sie anzuleinen, aus dem Wagen, denn aus allen Ecken tauchen Hunde mit ihren Chauffeuren auf! Hunde verstehen sich immer bedeutend besser ohne Leine. Auch Reiter auf ihren Pferden kreuzen hier die Wege. Diese sind so souverän, dass sie sofort ihr Pferd wenden und auf den Hund zugehen, falls dieser es gewagt hat, sich an des Pferdes Fersen zu heften. Auf dem Parkplatz lernen wir zunächst die Rückkehrer mit ihren Hunden kennen, dann folgen wir dem Weg durch ein kurzes Waldstück. Hier ist Aufpassen nötig: Radfahrer! Danach öffnet sich der Wald, und wir schauen auf das Gelände der Bult, ursprünglich eine kleine bewachsene Erhebung über dem Wasserspiegel eines Moores. Sie wirkt heute wie eine englische Parklandschaft, zur Hälfte umgeben von Wald, sanft hügelig mit so manchem Kaninchenbau. Sträucher, Baumgruppen und Solitäre,

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