Tatort Gemeindebau. Manfred Rebhandl

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Tatort Gemeindebau - Manfred Rebhandl

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sie erstickt. Dazu reicht ein weicher Fetzen, die fallen in einem Werkzeugkoffer nicht auf. Damit man ihm nicht dahinterkommt, hat er es bei jeder ein bisserl anders ausschauen lassen«, breitete ich meine Theorie aus.

      »Da hätte doch spätestens bei der Obduktion was auffallen müssen«, entgegnete die Christl.

      Ich winkte ab. »Geh, warum sollte man eine Alte, ohne dass es einen Verdacht gibt, aufschneiden? Das kommt doch viel zu teuer und außerdem gibt’s nicht genug Pathologen. Es wird gespart, wie überall.« Ich schenkte mir nun auch einen Sliwo ein und nahm einen ordentlichen Schluck.

      »Und was tun wir jetzt? Sollen wir ihn anzeigen?«, fragte die Christl.

      Ich schüttelte den Kopf. »Mit welchen Beweisen? Wen interessieren denn schon ein paar tote alte Weiber aus einer Zinskaserne?«

      »Du hast recht. Wahrscheinlich glaubt die Polizei sogar, wir fantasieren uns da was zusammen und wollen uns wichtigmachen, weil uns fad ist.« Die Christl hatte sich aufgerichtet und die Arme auf den Tisch gestützt. »Also, was machen wir?«

      Ich griff nach der Flasche und schenkte uns fürs Erste einen weiteren Obstbrand ein. Die Erkenntnis, dass der attraktive Elektriker, für den fast alle aus unserer Runde schwärmten, uns in Wahrheit mit seinem Schmäh nur hatte einkochen wollen, damit er leichtes Spiel mit uns hatte, ließ uns immer zorniger werden. Während wir am Sliwowitz nippten, debattierten wir, wie wir die Sache am besten angehen könnten. Nach und nach entwickelte sich ein Plan. Es war schon sehr spät, als wir uns beim fünften Sliwo auch über die letzten Details einig wurden.

       Drei Tage später

      Ich stelle mir vor, wie Christl die Tasse mit dem dampfenden Kaffee vor den Elektriker stellt. »Einen kleinen Beifahrer«, sagt sie und platziert den Sliwowitz daneben. Stani, der bereits angeheitert erschienen ist, lässt sich nicht lange bitten, kippt den Obstbrand hinunter und spült mit Kaffee nach. »Oisdann!« Er wankt leicht, als er ruckartig aufsteht. »Da FI is unten«, wiederholt er und macht sich am alten Herd zu schaffen. Er kippt das abgeschlossene Gerät auf die Rodel und stellt es ins Vorzimmer. Der neue E-Herd ist bereits ausgepackt. Jetzt ist es gleich soweit. Sobald Stani den Herd an den Starkstrom anschließt, kommt der wichtigste Teil meiner Aufgabe. Wir haben lange diskutiert, wer von uns beiden es tun soll. Letztendlich haben wir gewürfelt. Ich habe verloren und bin nun froh darüber, dass ich den letzten Akt zwar hören, aber wenigstens nicht sehen muss. Christl hat sich neben der Küchentür postiert und behält gleichzeitig den Elektriker im Blick. Ich warte im Vorzimmer neben dem Sicherungskasten auf meinen Einsatz. Mir ist vor Aufregung jetzt schon ganz schlecht.

      »Fini!«, sagt Christl. Das ist mein Stichwort. Ich drücke den FI-Schalter nach oben, vorsichtig, halte ein wenig dagegen, damit ich nur ja kein verdächtiges Geräusch mache. Stani bemerkt nicht, dass der Anschluss wieder unter Strom steht. Das Warten setzt mir langsam zu. Ich bin plötzlich nicht mehr überzeugt, dass es wirklich so eine gute Idee ist. Noch könnte ich die Sache abbrechen. Dann fällt mir Erni ein, der goldene Totenkopf, die tätowierte Kassierin, die rote Toni, die blade Vyslozil …

      Christl schreit auf, als es schnalzt. Der dumpfe Schlag deutet darauf hin, dass Stani gegen das Küchenkastl geprallt ist. Der schlimmste Moment steht uns dann noch bevor. Was machen wir, wenn der Elektriker noch lebt? Ziehen wir ihm ein Plastiksackerl über den Kopf und warten, bis er den letzten Rest Leben ausgehaucht hat? Ihm Nase und Mund zuzuhalten wäre auch eine Möglichkeit. Aber das schaffen wir bestimmt nicht! Ich erinnere mich, was Christl über Stromunfälle gesagt hat: »Starkstromopfer sind fast immer tot oder sterben kurz nach dem Schlag.« Während ich an die Bilder der angesengten Leichen aus einer Zeitschrift denke, die mir meine Freundin gezeigt hat, läutet es an der Wohnungstür.

      Eigentlich dürfte nichts schiefgehen. Wir haben alles genau geplant und den Ablauf wie einen Fernsehkrimi bis ins kleinste Detail x-mal durchgespielt. Trotzdem sind meine Handflächen vor Aufregung ganz nass. Christl nickt mir aufmunternd zu, bevor sie die Tür öffnet.

      »Grüß Sie«, sagt Stani und stellt den Werkzeugkoffer ab.

      Ich schicke ein letztes Stoßgebet zum Himmel, damit alles so klappt, wie wir es geplant haben. »Einen Kaffee, Herr Stani? Und vielleicht einen kleinen Beifahrer dazu?«, fragt meine Freundin und holt den Sliwowitz aus dem Küchenkastl. »Nehmen S’ ruhig Platz«, sage ich meinen gut geübten Einleitungssatz für den finalen Showdown auf. »Olles leiwaund?«, fragt Stani und ich merke, wie mein Lampenfieber nachlässt, weil sich auch der Elektriker an unser Drehbuch hält.

       Erwin Riess

      Brief an einen Floridsdorfer im Exil

       Lieber Freund!

      Wundere Dich nicht über diesen Brief, nimm ihn als schicksalhaftes Ereignis. Vor langer Zeit, im Winter und Frühling 1976, waren wir Bettnachbarn in der Neurologie des Alten AKH, diesem düsteren Bau, den einige Patienten überlebten, allerdings mit schweren seelischen Schäden. Du erinnerst Dich an den schmächtigen Jungen mit der Vorliebe für Binnenschiffe und Otis Redding. Mittlerweile bin ich nicht mehr schmächtig und fahre im Rollstuhl. Otis Redding liebe ich nach wie vor. All die Jahre habe ich mich gefragt, was aus Dir geworden ist. Nach den vielen Wochen im Krankenhaus haben wir uns nicht mehr gesehen, Du warst wie vom Erdboden verschluckt. Niemand wusste, wo Du Dich herumtreibst, ob Du überhaupt noch in Österreich bist. Die Nachbarn aus Eurem Gemeindebau waren ratlos. Deine Mutter war verzweifelt, zumindest schien es so. Ich wohne nun schon viele Jahre in der Nähe Deiner alten Wohnung in Stammersdorf. Sehr selten ist in den Heurigen der Umgebung noch von Dir die Rede.

      Neulich habe ich beim Binder-Heurigen einen pensionierten Erdölingenieur kennengelernt, der in seiner Jugend bei einer kanadischen Firma namens van Sickle arbeitete, einer Pionierin der Erdölwirtschaft in Osteuropa und Österreich. Die van Sickles waren die Ersten, die noch vor dem ersten Krieg in Rumänien Öl erbohrten, und auch in Österreich waren sie Anfang der Dreißigerjahre in der Prospektion erfolgreich. Es war der alte Ingenieur, durch den ich auf Deine Spur gekommen bin.

      Die van Sickles mussten vor den Nazi nach England flüchten, ihre Fabrik wurde von den Deutschen beschlagnahmt. Die Kampfflieger der deutschen Luftwaffe, die ihre Bomben über dem Zentrum Londons abluden, wo die van Sickles lebten, waren mit Sprit aus dem in Österreich geraubten Erdöl der van Sickles unterwegs. Nach dem Krieg kam die Familie zurück und führte die Firma weiter. Irgendwann in den späten Siebzigerjahren, der Zeit, in der wir beide im Spital lagen, ging die Firma im Konzern der staatlichen ÖMV auf.

       Lieber Karl!

      Du fragst Dich, was das alles mit Dir zu tun hat. Lies weiter, Du wirst staunen. Der besagte Ingenieur hatte über die van Sickles Kontakte nach Kanada und war auch immer wieder beim kanadischen Teil der Familie in Ontario zu Gast. Eines Tages besuchte er jenseits der Grenze zu den nahen USA ein Autorennen im entlegensten Nest, das je Formel-1-Rennen gesehen hat, in Watkins Glen an den Finger Lakes im gleichnamigen Nationalpark in Upstate New York. Als der Ingenieur die Finger Lakes erwähnte, fiel bei mir der Groschen. An den Finger Lakes, so hattest du in den endlosen Spitalnächten erzählt, wächst nicht nur akzeptabler Wein, es gibt dort auch tiefe Wälder, in denen Du in den Sechziger- und Siebzigerjahren wie ein Indianer wochenlang im Wald unterwegs warst, mit Pfeil und Bogen, einem Bowie-Knife und einem Schlafsack. Du warst ja nach dem Staatsvertrag ausgewandert, die alten und jungen Nazi kriechen wieder aus ihren Löchern, hattest Du gesagt, ich mag diese Bande nicht triumphieren sehen, lieber geh ich nach Amerika. Du warst nur der Operation wegen nach Wien zurückgekehrt, in den Staaten warst Du nicht versichert. Du warst damals Partner in einer Garage in Arlington, dem Heimatort Franklin und Eleanor

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