Fackel in tiefer Nacht. Bernd Kemter

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Fackel in tiefer Nacht - Bernd Kemter

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nachmaliger Professor für Geschichte der Philosophie an der Madrider Zentral-Universität, mit einer Reise nach Deutschland. Er sollte sich dort nach modernen Philosophien umsehen, die geeignet schienen, das geistig weit zurückgebliebene Spanien in die neue Zeit zu retten. Sein Weg führte ihn im Jahre 1843 über Paris nach Brüssel, wo er mit dem Krause-Schüler Heinrich Ahrens (1808 – 1874) zusammentraf. Dessen Werk „Naturrecht oder Philosophie des Rechts“ war bereits 1841 in Madrid erschienen; Sanz del Rίo war es bekannt. An der Heidelberger Universität traf der junge spanische Doktor mit zwei weiteren Krause-Anhängern zusammen, die ihn in seinem Entschluss bestärkten, der Krause’schen Philosophie im Heimatland zum Durchbruch zu verhelfen. Mit ihrem Hang zum Harmonismus stand die Krause’sche Philosophie dem zutiefst religiös geprägten Denken der Spanier weitaus näher als etwa die Widerspruchsdialektik Hegels, die ungeachtet dessen dennoch eine gewisse, aber weitaus schwächere Wirkung auf der iberischen Halbinsel zeitigte. Doch auch der zu jener Zeit vorherrschende französische Eklektizismus eines Victor Cousin (1792 ‒ 1867) stand nicht nach dem Sinn der Spanier. So erhielt die Krause-Philosophie, zumal sie sehr klug eine Brücke zur katholischen Gefühlswelt dieser Menschen schlug, eine erfolgsträchtige Chance.

      Der Krausismo stand rasch nach Sanz’ Rückkehr für eine echte geistig-moralische Erneuerung. Diese praktische Philosophie wandte sich gegen die verknöcherte Scholastik und ihre geistige Führerschaft. Die Reaktion folgte prompt: Die Werke von Julian Sanz del Rίo, so sein wichtigstes Werk „Ideal de la humanidad para la vida“, und von Heinrich Ahrens wurden verboten. Krausismo-Professoren verloren ihre Lehrstühle. Dennoch blieb die geistige Konterbande lebendig. Dies zeigte sich sofort in der Revolution von 1868. Erfolgreich rangen Krausisten um sozialliberale Rechte, sie beförderten Reformen. Dabei kritisierten sie durchaus den im bloßen markt-wirtschaftlichen Denken befangenen Liberalismus und das Modell eines ausschließlich technokratisch organisierten Staates. Ihr Sinnen und Trachten lief gewissermaßen auf eine „partizipative Demokratie“ hinaus. Der Staat sollte die Gesellschaft nicht dominieren. Krausistische Reformer waren vor allem auf den Gebieten der Bildung und des Rechtswesens erfolgreich.

      Einige entlassene Professoren, unter ihnen der überragende Krausist Giner de los Rίos, gründeten im Jahre 1876 die „Institución Libre de Enseñanza“. Dieses fortschrittliche Bildungsinstitut bestand über Jahrzehnte und wurde erst von Franco geschlossen. Nach dessem Tod blühte der Krausismo rasch wieder auf. In Lateinamerika hat er immer geblüht.

      Das vorliegende Buch soll die Wirkungsgeschichte der Krause’schen Philosophie in Spanien mit belletristischen Mitteln ein wenig erhellen. Es vernachlässigt im Interesse der Handlung Lebensdaten einiger Personen sowie die konkreten Daten geschichtlicher Ereignisse der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, insbesondere die Eisenberger Ereignisse während der bürgerlichen Revolution von 1848/​49 sowie die Lyoner Seidenweberstreiks der Jahre 1831, 1834 und 1848, fokussiert sie vielmehr in freier Darstellung um das Jahr 1860, das Erscheinungsjahr des „Ideal de la humanidad para la vida“. Durch diesen Kunstgriff sollen die großen sozialen und geistigen Bewegungen dieser Zeit deutlich gemacht werden. Viele Personen haben wirklich gelebt, neben den bereits erwähnten Sanz del Rίo und Giner de los Rίos sind hierzu Gumersindo de Azcárate, Jaimes Balmes und Fernando de Castro zu nennen. Andere werden in die frei erfundene Handlung eingeführt. Dies betrifft beispielsweise Ernsts Geliebte Ines sowie andere Mitglieder der Familie Pajares (mit Ausnahme des Fernando de Castro y Pajares), Ernsts Widersacher Adolfo Castelar, die Jesuitenpater Albrecht und Jordanus sowie weitere Personen. Auch die Reise des Krause-Sohnes Ernst nach Spanien ist Fiktion. Gleichwohl wäre sie als „Übersetzungshilfe“ des schwierigen Krause’schen Begriffsapparates durchaus möglich gewesen. Hinter dem Pseudonym Rodolfo Eugenos verbirgt sich der Jenaer Nobelpreisträger Rudolf Eucken, dessen glänzende Festtagsrede im Jahre 1881 anlässlich des 100. Geburtstages von Karl Christian Friedrich Krause referierend ins Manuskript einbezogen wurde. Schließlich vermochte bislang kein anderer Text die Gedanken des Eisenberger Philosophen so brillant und zugleich verständlich einzubeziehen wie dieser.

      Der Autor möchte einen Beitrag leisten, jenen überragenden, wenn auch einsamen Denker bekannt zu machen, der sich ebenso mit Mathematik, Anthropologie, Pädagogik, Logik, Sprachwissenschaft, Musik und den Anfängen der Soziologie beschäftigte. Sein Panentheismus steht durchaus ebenbürtig neben den großen geschlossenen Systemen eines Fichte, Schelling und Hegel. Dies allein ist Grund genug, Krause dem Vergessen zu entreißen. Erfreulicherweise hat sich seine Heimatstadt Eisenberg ihres großen Sohnes nach Jahrzehnten der Geringschätzung wieder erinnert. Es gibt ein saniertes Denkmal, einen Krause-Platz und eine Schule, die seinen Namen trägt. Konferenzen und Vorträge in den vergangenen Jahren ließen das Krause’sche Erbe wieder lebendig werden.

      Bei der Erschließung der Philosophie Krauses in ihrer systematischen und historischen Dimension konnte ich mich u. a. auf folgende Publikationen stützen: Klaus-M. Kodalle (Hrsg.): „Karl Christian Friedrich Krause (1781 – 1832) und der ,Krausismo’“. Schriften zur Transzendentalphilosophie Bd. 5, Hamburg (Verlag Felix Meiner) 1985; K.-M. Kodalle: Art. „Karl Christian Friedrich Krause“, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 4, S. 624 – 631; K.-M. Kodalle: „Die Wirtschaftsphilosophie Krauses und des ,Krausismo’“, unveröff. Vortrag; Enrique M. Ureña: „K. C. F. Krause. Philosoph, Freimaurer, Weltbürger. Eine Biographie“, frommann-holzboog Stuttgart-Bad Canstatt 1991, in: Spekulation und Erfahrung. Texte und Untersuchungen zum Deutschen Idealismus, Abt. II: Untersuchungen, Bd. 22; Sabine Schmitz: „Spanischer Naturalismus: Entwurf eines Epochenprofils im Kontext des Krausopositivismo“, Tübingen Niemeyer 2000; Kurt Riedel: „Wie Karl Ch. F. Krause wurde, was er uns sein soll“, Dissertation; Peter Landau (München): „Geschlechtergerechtigkeit bei Karl Christian Friedrich Krause“, Vortrag; Claus Dierksmeier: „Der absolute Grund des Rechts. Karl Christian Friedrich Krause in Auseinandersetzung mit Fichte und Schelling“, frommann-holzboog Stuttgart-Bad Canstatt 2003. In: Spekulation und Erfahrung. Texte und Untersuchungen zum Deutschen Idealismus, Abt. II: Untersuchungen, Bd. 52; Wilfried Warsitzka: „Bürger unterm Mohrenwappen, Aus der Geschichte der Stadt Eisenberg und ihrer Bewohner“, Verlag Bussert & Stadeler, Jena, Quedlinburg, Plauen 2010; Archivalien des Stadtarchivs Eisenberg.

      Ich bedanke mich bei Prof. Dr. Peter Landau (München) für die wohlwollende fachliche Beratung. Dank gebührt ebenso meiner Erst-Lektorin, Dörthe Rieboldt (Eisenberg), für ihre professionelle Durchsicht des Manuskripts.

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