Mörderisches Bamberg. Werner Rosenzweig

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Mörderisches Bamberg - Werner Rosenzweig

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Vormittag im Besprechungszimmer zusammengekommen. Es war Punkt 19 Uhr, als Hagenkötter und Tina Meisel den Raum betraten. Auch die Telefonverbindung nach Erlangen stand. Am Ende der Leitung wartete Dr. Stich auf den Beginn der Besprechung. Jeder der anwesenden Polizeibeamten hatte die Obduktionsberichte sorgfältig gelesen. Keiner wollte sich eine Blöße geben.

      Hagenkötter kam sofort zur Sache und griff zm bereitliegenden Telefonhörer. „Doc?“, brummte er in den Apparat.

      „Bei der Arbeit.“

      „Schön, dass Sie dabei sind“, freute sich der Hauptkommissar. „Ich stelle Sie jetzt auf Lautsprecher. Wir sitzen hier in großer Runde und haben Ihre beiden Obduktionsberichte gelesen.“

      Allseitiges stummes Kopfnicken begleitete Hagenkötters Worte.

      Der grinste, drückte ein Knöpfchen und fuhr fort: „Doc, Sie haben das Wort, wir lauschen.“

      Es vergingen ein paar Sekunden, dann hallte ein tiefes Räuspern aus dem Lautsprecher. „Erst mal einen schönen Abend an alle. Beginnen wir mit dem Mädchen. Ja, ein wirklich interessanter Fall. Also, die Todesursache ist immer noch klar wie Kloßbrühe: Das Kind wurde erdrosselt und erst danach im Fluss abgelegt. In Ihrer Lunge befand sich kein Wasser. Die Sache mit der Fremd-DNA ist euch auch schon bekannt. Konntet ihr damit etwas anfangen?“

      „Leider nicht“, antwortete Kriminalkommissar Ludwig Zahn. „Die haben wir nicht im Computer.“

      „Schade“, fuhr Stich fort. „Dafür kann ich mit zwei traurigen Überraschungen aufwarten: Das Mädchen war keine Jungfrau mehr und – haltet euch fest – die Kleine hat Crystal Meth konsumiert. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Die Haaranalyse war eindeutig.“

      „Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen, eine Haaranalyse durchzuführen?“ Hagenkötter wirkte deutlich aufgewühlt und drangsalierte seinen Schnurrbart.

      „Es war ihre Haut“, erklärte der Professor. „Sie hatte eine aschfahle Haut und eingefallene Wangen. Typische Merkmale von Meth-Konsumenten.“

      „Aber das Mädchen lag doch über eine Woche in der Regnitz!“

      „Stimmt, aber die spezielle Färbung ist mir doch spanisch vorgekommen. Im Zusammenhang mit diesen extrem konkaven Gesichtszügen. Sie dürfen sich über meinen guten Riecher ruhig freuen, Herr Hauprkommissar!“

      „Natürlich, natürlich. Und am Ergebnis der Haaranalyse kann absolut kein Zweifel bestehen?“

      „Nun, die Haaranalyse ist die zuverlässigste Methode, um festzustellen, ob jemand Rauschgift konsumiert hat“, klang es aus dem Lautsprecher. „Über das Blut oder den Urin sind die Substanzen nur wenige Stunden oder Tage nachweisbar. Mit den Haaren verhält sich das völlig anders, darin werden vom Körper verschiedenste Substanzen und Stoffwechselprodukte abgelagert. Die pigmentbildenden Zellen an den Haarwurzeln nehmen sie auf und binden sie in Melanin. Das ist das Pigment, das dem Haar seine Farbe verleiht.“

      „Das heißt, das einmal konsumierte Crystal Meth wächst quasi nach außen“, platzte Kommissar Schmuck dem Rechtsmediziner ins Wort.

      „So kann man das auch sagen“, antwortet Stich belustigt.

      „Und woher wissen wir, dass es sich exakt um Crytal Meth handelt und nicht beispielsweise um Kokain?“, bohrte Tina weiter.

      „Weil man über die Analysen mittels der sogenannten Gaschromographie und Massenspektronomie nicht nur Konsummenge und -häufigkeit feststellen kann, sondern vor allem die exakte Substanzart.“

      „Aber wie zum Teufel kommt so ein junges Ding an Crystal Meth?“, wunderte sich Schmuck lautstark. „Da stimmt doch was nicht!“

      „Genau das ist der Punkt“, pflichtete Hagenkötter ihm bei, „und genau das müssen wir herausbekommen. Jetzt fehlt uns als oberstes Puzzlestück nur noch die Identität der Toten. Dazu irgendeine hilfreiche Beobachtung, Doc?“

      „Sorry, da kann ich nichts beitragen.“

      Auch was den Tod des Kurienbischofs anging, brachte der zweite Obduktionsbericht keine bahnbrechenden Erkenntnisse. Der Professor bestätigte lediglich nochmals, dass der Kleriker mit einem Drahtseil erdrosselt worden war: „Da kommt nicht der geringste Zweifel auf, deutliches Erdrosseln. Am Opfer waren hauptsächlich auf den Wangen, der Zunge und der Innenseite der unteren Augenlider die typischen punktförmigen Blutungen – in den sogenannten Petechien – zu sehen. Der Blutstau ist dafür verantwortlich. Unser Bischof hatte keine Chance.“

      Santi-Figli-di-Dio

      Mittwoch, 30. August

      Santi-Figli-di-Dio – Heilige Kinder Gottes war im Jahr 1963, im Auftrag des Papstes, von dem italienischen Bischof Angelo Marotti als Laienorganisation der römisch-katholischen Kirche in Rom gegründet worden. Das hatte Tina recherchiert. Genau wie bei der umstrittenen Laienorganisation Opus Dei handelte es sich um eine Personalprälatur, die vom Zweiten Vatikanischen Konzil angeregt und eingeführt worden war. Der eigentliche Sinn und die Aufgaben dieser institutionellen Rechtsform bestanden in der besonderen seelsorglichen Betreuung minderjähriger Jugendlicher, verbunden mit einer konsequenten geistlichen Erziehung im Sinne der katholischen Kirche.

      An der Spitze der Organisation stand ein Prälat im Range eines Bischofs, der in seinem Tun vom Generalrat unterstützt wurde. Ansonsten herrschte eine strenge, hierarchische Grundordnung vor, ähnlich dem Vorbild der Diözesen. Mitglieder der Institution waren – der Name verriet es schon – im Wesentlichen Laien, die ihr Leben dem Ruf Gottes gewidmet hatten. Daneben gab es auch Priester, die sich in der ähnlich aufgebauten Gemeinschaft Zum Goldenen Kreuz organisiert hatten. Die Laien unterstanden in institutioneller Hinsicht dem regionalen Bischof und erhielten eine umfassende theologische Ausbildung. Die Regeln waren streng: Alle Mitglieder waren aufgerufen, nach Heiligkeit zu streben, nach einem christlichen Leben in der Nachfolge Jesu. Ein Tagesplan, der bestimmte, zeitlich festgelegte Gebete vorsah, sollte helfen, den Alltag zu strukturieren. Körperliche Bußübungen waren bei den priesterlichen Mitgliedern Pflicht, wurden aber auch bei den Laienvertretern gern gesehen. Absoluter Gehorsam wurde erwartet, konservatives Gedankengut herrschte vor und hätte man die politischen Neigungen der Mitglieder hinterfragt, wäre dabei ein überaus rechtsgerichteter Trend ans Tageslicht gekommen, da war sich Tina sicher.

      Neben Rom hatten die Heiligen Kinder Gottes noch Stützpunkte in Turin, Neapel und Mailand. Die Santi-Figli-di-Dio-Schule in Bamberg war ihre erste Organisationseinheit außerhalb Italiens und offenbar als Sprungbrett für weitere Gründungen in anderen europäischen Städten gedacht. Das Besondere der Bamberger Einrichtung war ihr Bemühen um Kinder und Jugendliche mit körperlichen Behinderungen oder sogar geistigen Einschränkungen – sofern sie den Besuch eines Gymnasiums nicht unmöglich machten. Ein Internat versprach auf den Einzelfall abgestimmte Pflege und Betreuung.

      Das alles wusste nun auch Kriminalhauptkommissar Hagenkötter von seiner Mitarbeiterin, als Dr. Johannes Sieber, der Leiter der örtlichen Santi-Figli-di-Dio-Schule am Mittwoch, morgens um neun Uhr, in sein Büro geführt wurde. Der Kollege, der den Herrn hereingeleitet hatte, nickte Tina und ihrem Chef kurz zu und schloss dann die Tür.

      „Nehmen Sie Platz“, bot Hagenkötter seinem Gast einen Stuhl an. „Können Sie sich vorstellen, warum wir Sie zu diesem Gespräch eingeladen haben?“

      „Ich kann es nur vermuten. Geht es um das tote Mädchen in der Regnitz?“

      Tina

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