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zum Schutze Minderjähriger und ein Vorzeigeprojekt in ganz Europa, arbeiten aber ganz im Stillen, ohne große Selbstdarstellung. Falls gewünscht, ist unsere Einrichtung sogar während der offiziellen Schulferien für unsere Schüler offen. Wir bieten ununterbrochene Betreuung, auch Nachhilfe. Insbesondere für leistungsschwächere Jugendliche wird dieses Angebot seitens der Eltern gerne angenommen.“

      Am ersten Schultag im Herbst stand Johanna Sonnleitner mit ihren Eltern pünktlich um viertel vor acht vor dem Gebäude der Santi-Figli-di-Dio-Schule. Ihr Vater hatte als Bilanzbuchhalter schnell einen Job bei einem ortsansässigen Steuerberater gefunden und ihre Mutter wollte erst abwarten, wie es Johanna in der neuen Schule gefiel, bevor sie sich um eine Halbtagsstelle, vielleicht als Kassiererin, umsehen würde. Alle hofften auf einen neuen, besseren Lebensabschnitt.

      Doch es sollte ganz anders kommen.

      Ein knappes Jahr später

      Samstag, 26. August

      Wieder so ein Tag, an dem Franziska Berger ihren Job hätte verfluchen können. Warum war sie auch so blöde gewesen, den Telefonanruf überhaupt entgegenzunehmen? Sie hätte es riechen müssen, als das Display ihres Mobiltelefons das Wort Unbekannt anzeigte. Als dann auch noch die näselnde Stimme ihres Leitenden Redakteurs Bernd Hühnertod wie aus einem Schleimbeutel in ihr rechtes Ohr kroch, war sie schon bedient.

      Hühnertod! Sie mochte ihn nicht. Er hatte anscheinend von seinem privaten Festnetz aus angerufen. Ein klebriger Typ. Mitte 40, verheiratet, zwei Kinder und männlich attraktiv wie eine Schuhschachtel voller Kellerasseln. Doch das rüttelte in keinster Weise an seinem Selbstwertgefühl. Ständig versuchte er, einen seiner kurzen, speckigen Arme um seine weiblichen Mitarbeiterinnen zu legen, wenn er während gemeinsamer Besprechungen eine Chance dazu sah und es als opportun empfand. Widerlich. Vielleicht wollte er durch diese Gestik tatsächlich nur Teamgeist signalisieren, vielleicht auch nicht.

      Dieser talgige Typ mit seiner blassen Haut und dem geschliffenen Hochdeutsch kam in der Redaktion nirgends gut an. Ein „Preuße“ aus Wolfenbüttel, was wollte der in Franken?

      „Franziska, wir haben eine Leiche“, fiel er mit der Tür ins Haus, an diesem wunderschönen Samstagmorgen im August, „direkt vor deiner Haustür.“

      Franziska verschluckte sich fast an ihrem Kaffee. Sie saß gerade an ihrem spärlichen Frühstück mit Toast und Bamberger Hörnla.

      Wir haben eine Leiche! Sie spürte, wie ihr der blanke Zorn den Hals hochkroch, und spülte ihn schnell mit einem Schluck Tchibo Milde hinunter, denn die näselnde Stimme in ihrem Ohrn fuhr schon fort: „Franziska, dank meiner exzellenten Beziehungen zur hiesigen Polizeiinspektion erhielt ich eben einen Anruf. Im Linken Regnitzarm, direkt an der Schleuse 100, hat der Fluss einen Leichnam angespült. Ein Jogger hat die Polizei informiert. Angeblich soll es sich um ein Kind handeln. Vertreter der Spurensicherung sind auf dem Weg dorthin und die KTU der Kripo Bamberg schickt auch ihre Leute. Du wohnst ja quasi um die Ecke. Mach dich schnell auf die Socken. Am besten gleich. Und Franziska, ich brauche Fotos, jede Menge Fotos!“

      Franziska Berger, Lokalredakteurin und ermittelnde Reporterin des Fränkischen Tags, wünschte ihrem Leitenden Redakteur insgeheim die Pest an den Hals. Dank meiner exzellenten Beziehungen … Angeber! Kein: „Ich weiß, es ist Samstag und es ist eigentlich dein freier Tag, aber könntest du bitte …“ Höflichkeit war diesem Typ fremd. Das Wort „Bitte“ fehlte in seinem Wortschatz völlig. Wieder ein Wochenende, das er ihr gerade vermieste.

      Franziska hatte sich schon des Öfteren dabei ertappt, dass sie an ihn zusammen mit seiner Frau denken musste. Eine hochaufgeschossene Klapperdürre mit dem Charme einer Gottesanbeterin. Wie es die beiden wohl miteinander …? Igitt! Irgendwann musste die Interaktion jedenfalls erfolgreich gewesen sein, derweilen ein Junge und ein Mädchen aus dieser Verbindung hervorgegangen waren, die wie knöcherne Seepferdchen aussahen.

      Eigentlich hätte in Bamberg an diesem Donnerstag die Sandkerwa rund um die Elisabethenkirche beginnen sollen, aber der Veranstalter, der Bürgerverein 4. Distrikt, hatte die Kirchweih im sogenannten Sand, einem Viertel der historischen Altstadt zwischen Regnitz und Dom, schon im Mai absagen müssen. Das erste Mal nach 66 Jahren und aus geradezu tragischem Grund: Die Sandkerwa war an ihrem eigenen Erfolg gescheitert. Im Laufe der letzten Jahrzehnte war sie einfach zu groß geworden. Mehr als 300.000 Besucher hatten sich in den letzten Jahren begeistert durch die engen Altstadtgassen gewälzt und die historischen Hinterhöfe besetzt, die unterjährig gar nicht zugänglich waren, sich aber während der Kirchweihzeit in buntgeschmückte Weinstuben und Tanzflächen verwandelten. Der ehrenamtliche Veranstalter hatte sich nun nicht mehr in der Lage gesehen, die aktuellen strengen Sicherheitsauflagen zu erfüllen, geschweige denn zu finanzieren.

      Ein Aufschrei war durch die Stadt gegangen. Der Oberbürgermeister hatte sich eingeschaltet. Es hatte alles nichts geholfen. Im Gegenteil, einen CSU-Stadtrat hatte es den Job gekostet. Er hatte sich etwas ungeschickt geäußert – dass die Sandkerwa sowieso nur eine Belustigung für das Prekariat sei – und dann hinzugefügt: „Niedrige Schichten kommen zusammen, um sich zu besaufen.“ Mit diesen beiden kurzen Sätzen hatte er es geschafft, Hunderttausende Menschen zu beleidigen.

      Franziska nippte erneut an ihrem Kaffee und biss herzhaft in ihren Frühstückstoast mit dem selbstgemachten Apfelgelee. Sie sah auf die Uhr. Mist, sie musste sich beeilen, wenn sie vor der Polizei an der Schleuse 100 eintreffen wollte. Von ihrer Wohnung im netten Gässchen Am Hollergraben aus war es wirklich nicht weit bis zum alten Ludwig-Donau-Main-Kanal, benannt nach seinem Bauherrn König Ludwig I., und zur Schleuse. Schnell sprang sie nach einer kurzen Katzenwäsche in ihren Adidas-Jogginganzug, schnappte sich ihre Canon G 3X mit dem 200 Millimeter Teleobjektiv und stürmte aus dem Haus.

      Draußen überfiel sie die Hitze des jungen Tages. Wieder so ein Sommertag, der direkt aus dem Auge der Sonne gekrochen kam und den man später in die Kategorie „Klimawandel“ einordnen würde. Franziska wickelte sich den Tragegurt ihrer Kamera eng ums Handgelenk und spurtete los.

      Wo sich der Linke Regnitzarm mit dem Alten Kanal vereinte, stand eine kleine Menschenansammlung. Sieben Personen zählte Franziska, mitten unter ihnen ein hochgewachsener, schlanker Mann von vielleicht 40 Jahren, der wild gestikulierend auf die anderen einredete und ab und zu auf das Wasser vor der Schleuse deutete.

      Franziska lief direkt auf die kleine Gruppe zu. „Entschuldigung, Franziska Berger vom Fränkischen Tag“, stellte sie sich kurz vor. „Hier wurde eine Wasserleiche gefunden?“

      Aus der Ferne trieb der laue Sommerwind das Heulen von sich schnell nähernden Martinshörnern heran. „Da unten“, meldete sich der hochgewachsene Jogger, der noch immer inmitten der Gruppe stand. Er zeigte auf das dunkle Wasser, das an der Steineinfassung des Kanals sanft hin und her schwappte. „Ich habe sie ganz zufällig entdeckt, als ich hier vorbeikam. Ist noch keine halbe Stunde her. Schrecklich. Hoffentlich ist die Polizei bald hier.“

      Franziska folgte der ausladenden Handbewegung des Mannes, trat näher an den alten Kanal heran und starrte auf den kleinen, nackten Körper, der – Rücken nach oben, Kopf, Arme und Beine fast komplett in den dunklen Fluten der Regnitz verschwindend – auf der Wasseroberfläche trieb. Die langen blonden Haare waren das Einzige, was sich an dem bedauernswerten Leichnam bewegte. Immer wieder griffen leichte Strömungen der Regnitz nach ihnen und wirbelten sie durcheinander.

      Mechanisch griff Franziska nach ihrer Kamera, drückte den winzigen Einschaltknopf und betätigte die Zoom-Funktion. Ich brauche Fotos, jede Menge Fotos, fielen ihr die Worte dieses Wolfenbütteler Vollpfostens ein. Reporterin hin oder her – sie hasste sich dafür, was sie gerade tat. Sie nahm dem kleinen menschlichen Körper, der leblos auf dem Wasser dahintrieb, seine

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