Business-Analyse. Axel-Bruno Naumann
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In diesem Konzept Requirements Engineering wird ein praxisbewährtes sechsstufiges Vorgehensmodell dargestellt, das den Prinzipien „Vom Groben zum Detail“ und „Rationales Entscheiden“ folgt.
Vorbereitung
„In allen Dingen hängt der Erfolg von den Vorbereitungen ab.“
Konfuzius
Die Vorbereitung greift auf die Ergebnisse der Planung aus dem Konzept Business-Analyse-Planung und -Steuerung zurück. Für kleinere Veränderungen wird möglicherweise auf eine Planung und Steuerung der Business-Analyse verzichtet; dann sollte die Vorbereitung allerdings besonders sorgfältig sein.
In der Vorbereitung wird insbesondere der folgende Schritt Anforderungsermittlung detaillierter geplant. Im Sinne einer rollierenden Planung werden die weiteren Schritte erst gröber und dann zunehmend detaillierter vorbereitet.
Zunächst bestimmen Business-Analysten insbesondere die Anforderungsquellen, die Inhalte, die ermittelt werden sollen, und die Techniken, mit denen die Anforderungen erhoben werden. Eine gute Vorbereitung ist für die beteiligten Stakeholder sicht- und spürbar. Die in die Vorbereitung investierte Zeit rentiert sich in vielen Fällen, weil eine strukturierte und ergebnisorientierte Herangehensweise in der Ermittlung die Vollständigkeit und die Qualität der Anforderungen fördert.
Anforderungsermittlung
Sehr gebräuchliche Techniken der Ermittlung von Anforderungen sind Workshops und Interviews. Daneben gibt es weitere bewährte Werkzeuge, die Business-Analysten nutzen können; sie werden in Kapitel 2.3 vorgestellt.
Im Zuge der Anforderungsermittlung werden neben den Anforderungen auch geschäftliche und technische Restriktionen erhoben. Sie sind wichtige Bestandteile für das zu erstellende Anforderungsdokument, sollten aber getrennt von den Anforderungen dokumentiert werden. Die Unterscheidung zwischen Anforderungen und Restriktionen ist nicht immer trennscharf und bedarf daher in vielen Fällen einer Analyse durch die Business-Analysten. Anforderungen beschreiben die zu erstellende Lösung. Sie beziehen sich in vielen Fällen auf eine gewünschte Funktionalität einer Lösung. Restriktionen schränken die Möglichkeiten, eine Lösung zu erstellen, ein oder erzwingen bestimmte Lösungsbestandteile. Eine technische Restriktion kann zum Beispiel sein, dass die Lösung auf einer vorgegebenen technologischen oder IT-Plattform zu entwickeln ist. Eine typische geschäftliche Restriktion erzwingt, dass gesetzliche Bestimmungen einzuhalten sind.
Anforderungspriorisierung
Selbst bei einer vergleichsweise groben Ermittlung der Anforderungen treten in der Regel mehrere Anforderungen zutage. Grundsätzlich besteht natürlich die Möglichkeit, mit allen erhobenen Anforderungen in die weitere Analyse einzusteigen. Manchmal ist es aber besser, erst zu klären, ob alle den gleichen Stellenwert haben oder einige Anforderungen erst einmal zurückgestellt werden.
Agile Vorgehensmodelle setzen per se darauf, nicht gleich alle Anforderungen umzusetzen, sondern schrittweise Teilergebnisse zu produzieren. Dazu werden Anforderungen immer wieder priorisiert, um die wichtigsten und dringlichsten Anforderungen zeitnah zu analysieren und umzusetzen. Zentrales Kriterium der Priorisierung ist in aller Regel der Wert beziehungsweise der Mehrwert für den Kunden. Auch bei klassischen, stufenweisen Vorgehensmodellen fordert das Grundprinzip des rationalen Entscheidens, auf die Anforderungen zu fokussieren, die eine höhere Priorität besitzen als andere.
Unabhängig vom Vorgehensmodell übersteigen normalerweise die Wünsche und Bedürfnisse der Anforderungssteller die vorhandenen Kapazitäten für deren Umsetzung. Daher ist es sinnvoll, „die Spreu vom Weizen zu trennen“ und sich besonders um die Anforderungen zu kümmern, deren Umsetzung am wahrscheinlichsten und sinnvollsten ist, bevor die Anforderungen weiter detailliert und dokumentiert werden. Dazu legen Business-Analysten zusammen mit den Stakeholdern Priorisierungskriterien fest. Zur Priorisierung der Anforderungen können eine oder mehrere Techniken eingesetzt werden (Kapitel 2.4). Ergebnis der Anforderungspriorisierung ist ein klareres Bild, welche Anforderungen zu diesem Zeitpunkt zurückgestellt werden können und welche weiteranalysiert werden sollen.
Strukturierung, Spezifizierung, Modellierung
Business-Analysten stehen verschiedene Techniken zur Dokumentation von Anforderungen zur Verfügung. Grundsätzlich kann unterschieden werden zwischen textlicher Dokumentation von Anforderungen (Spezifizierung) und der Dokumentation von Anforderungen mittels Grafiken beziehungsweise Modellen (Modellierung).
Strukturierung ist die Wahl des passenden Werkzeugs oder eines sinnvollen Mix von Dokumentationstechniken und die Zusammenstellung der „richtigen“ Anforderungen für die Spezifizierung und Modellierung.
Während in der Praxis häufig Anforderungen freihändig in Textform dokumentiert werden, werden in Kapitel 2.6 die Vorteile einer systematischen textlichen Form aufgezeigt. Im darauffolgenden Kapitel 2.7 werden dann standardisierte Modellierungstechniken erläutert, die sich für die Dokumentation von Anforderungen besonders eignen.
Verifizierung, Validierung
Grundsätzlich sollten erhobene und dokumentierte Anforderungen geprüft werden. Fehler im Anforderungsdokument können sich ansonsten bis in die Lösung fortsetzen.
Verifizierung ist die formale Überprüfung von Anforderungen auf Fehler, Redundanzen, Lücken und Widersprüche. Im Sinne des Vier-Augen-Prinzips sollte idealerweise nicht allein der Autor des Anforderungsdokuments die Anforderungen überprüfen. Grundsätzlich können das auch die Stakeholder tun. Es hat sich bewährt, dass ein oder mehrere weitere Business-Analysten (sogenannte Peers) die Verifizierung übernehmen. Da hier die rein formale Überprüfung der Anforderungen im Vordergrund steht, benötigen die Prüfer in den meisten Fällen keine detaillierten fachlichen oder inhaltlichen Kenntnisse. Ganz im Gegenteil kann ein neutraler (nicht „betriebsblinder“) Blick sogar sehr hilfreich sein.
Validierung ist die Überprüfung der Anforderungen dahingehend, ob sie zielgerichtet sind. Business-Analysten sollten einerseits prüfen, dass keine übertriebenen Anforderungen eingebracht werden (Goldrandlösung). Andererseits überprüfen sie, ob die Ziele mit den Anforderungen voraussichtlich erreicht werden können. Die Validierung führt die Geschäftsanforderungen, die das „Warum“ und damit die erwünschten Wirkungen beschreiben, mit den Stakeholder-Anforderungen und Lösungsanforderungen zusammen, die den Weg zum Ziel beschreiben („Was“ und „Wie“).
Genehmigung
Genehmigung ist die formale oder informale Abnahme der dokumentierten Anforderungen für die weiteren Schritte, insbesondere für die Umsetzung. Business-Analysten haben in den seltensten Fällen das Recht, selbst Anforderungen zu genehmigen. In klassischen Vorgehensmodellen genehmigt das Gremium (zum Beispiel Lenkungsausschuss) oder die Person (zum Beispiel Sponsor), die dem Projekt vorsteht. In agilen Vorgehensmodellen wird die Genehmigung meistens durch eine Rolle durchgeführt; in Scrum zum Beispiel durch den Product Owner.
Anforderungsmanagement
Im Laufe der Business-Analyse werden in der Regel viele Anforderungen ermittelt und weiter analysiert. Es ist sinnvoll, diese Anforderungen über deren gesamten Lebenszyklus hinweg zu verwalten, sodass sie genutzt, gepflegt und bei Bedarf weiterverwendet werden können.
Handlungsfelder