Lehrerfibel. Lothar Enders

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Lehrerfibel - Lothar Enders

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vom größeren Jungen aus der Nachbarschaft, ging ich in die Dorfschule.

      Nach der zweiten Stunde sagte der Lehrer Jahn zu mir: »Du gehst mal eben gleich nach Hause.«

      Mich über das vorzeitige Unterrichtsende einerseits freuend, aber andererseits verwundert darüber, erzählte ich alles meiner Großmutter. Sie schlug die Hände über dem Kopf zusammen und fragte: »Junge, was hast du denn schon wieder angestellt?« Dass ich mir keiner Schuld bewusst war, nahm sie mir nicht ab.

      Am Abend – meine Eltern waren wieder zurück – informierte sie gleich meinen Vater darüber. Sofort besuchte er den Lehrer Jahn in dessen Bleibe.

      Dieser Lehrer war erst vor kurzer Zeit entnazifiziert worden. Jetzt durfte er wieder unterrichten. Im Dritten Reich, also in der Nazizeit, war er Lehrer gewesen. Mein Vater war sogar bei ihm in die Schule gegangen. In der Partei, der NSDAP, war der Herr Jahn nicht gewesen. Trotzdem wurde er, wie alle anderen Lehrer auch, aus dem Schuldienst entlassen. Seine Not wurde nun sehr groß. In der damaligen Nachkriegszeit waren alle auf die Zuteilungen über Bezugsmarken angewiesen. Arbeitslose bekamen nichts. Deshalb wurde die Not in der Familie Jahn immer größer. Sie wussten nicht mehr ein noch aus. Da half ihnen mein Vater. Dem Lehrer Jahn besorgte er eine Anstellung als Schreibgehilfe im Glaswerk, wo er selbst arbeitete. Viel Lohn dafür gab es nicht, aber das Auskommen für seinen ehemaligen Lehrer und dessen Familie verbesserte sich hierdurch.

      Unsere Neulehrer, eingesetzt von den neuen Machthabern, konnten kaum ihren Namen selbst schreiben, geschweige denn uns was lehren. Also mussten die Entlassenen wieder ran.

       Der verzweifelte Vater

       Lehrer Jahn

      Der Lehrer Jahn sprach zu meinen Vater: »Ihr müsst nicht recht gescheit sein, den Jungen mit einer Hitlerjugendhose in die Schule zu schicken. Auf jedem Hosenknopf war ein Hakenkreuz zu sehen. Hätte das einer von den Parteifuzzis mitbekommen, so hätte man dich weggeholt und der Junge wäre in eine Umerziehungsanstalt gekommen.«

      Die schöne Hose habe ich seitdem nicht wiedergesehen. Sicher war sie gleich im Feuer verbrannt worden. Ärgerlich und auch traurig war ich als damals Achtjähriger darüber schon. So schöne Klamotten, wie diese Hose von der Oma es war, hatte ich sonst eigentlich nicht.

      Die Hitlerjugendhose meines Onkels, des jüngeren Bruders meines Vaters, war wie neu, gut gearbeitet und saß wie angegossen. Das hatte auch meine Oma erkannt und sie für alle Fälle aufgehoben. Was interessierte damals Oma und mich die Politik. Der Krieg war verloren. Deshalb blieb diese Hose, zumal in der Nachkriegszeit, trotzdem was Wertvolles.

      Später begriff ich natürlich auch die Richtigkeit der sofortigen Vernichtung dieses Reliktes. Mein Onkel Heinz, Jahrgang 1926, und ich lachen heute noch herzlich darüber.

      

       Konferenz der Lehrer

      In die Schule unseres Dorfes ging man bis zur siebten Klasse. Ab der achten Klasse trennten sich unsere Wege. Viele gingen in die Polytechnische Oberschule des Nachbarortes, manche auf das Gymnasium in die Kreisstadt.

      Unsere ersten Jahre in der Schule, ja, das war eine schöne Zeit. Damals, in den fünfziger Jahren, war noch nicht alles richtig geplant und durchorganisiert, so wie es heute ist. Hatten unsere Lehrer mal gefeiert und einen über den Durst getrunken, so war am nächsten Tag schulfrei. Es war eben so. Wir Kinder waren damit zufrieden. Die Erwachsenen störte es auch nicht sonderlich.

      Nach dem Zweiten Weltkrieg, ab Herbst 1945, wurden von Amts wegen alle Lehrer entlassen. Sie mussten als Hilfsarbeiter in Fabriken für sehr kärgliche Bezahlung arbeiten. Für sie kamen Neulehrer. Die waren in der Gefangenschaft in der Sowjetunion notdürftig geschult worden oder hatten im Schnelldurchgang einen Lehrgang absolviert, der vorwiegend politisch geprägt gewesen sein muss. Wir dachten: »Die können kaum ihren Namen schreiben, wollen uns aber was beibringen.« Einer von ihnen hat uns erzählt, dass er im Konzentrationslager Buchenwald von den Nazis eingekerkert war. Er sei sehr froh darüber gewesen, als die ruhmreiche Sowjetarmee alle Gefangenen aus dem KZ befreit hatte.

      Meinem Vater das weitererzählt, sagte der dazu: »Der muss nicht recht gescheit sein. Buchenwald haben die Amis befreit. Euer Lehrer hat sicher vom Tuten und Blasen keine Ahnung.«

      Nichts lernten wir nunmehr. Und das bemerkte auch der Schulrat aus der Kreisstadt. Es wurden deshalb einige von den vorher entlassenen Lehrkräften entnazifiziert. So waren sie würdig gemacht, um uns unterrichten zu können. Schnell setzte man sie wieder als Lehrer ein. Nicht in den Schulen der Städte, erst einmal bei uns auf dem Land durften sie unterrichten. So kam es, dass wir nun sehr gut ausgebildete Lehrer mit Berufserfahrung bekamen. Die meisten von ihnen waren vorher an höheren Schulen gewesen. Sicher waren sie für uns überqualifiziert. Das Lernen machte jetzt wieder richtig Spaß.

      Ihre Erziehungsmethoden waren jedoch mehr von der Vergangenheit geprägt. Eine Kopfnuss, einen Klaps oder ein paar leichte Schläge auf den Hintern waren gang und gäbe. So schlimm war es für uns nun auch nicht, zumal die Alten dazu sagten: »Ein paar Schläge, ab und an, haben noch keinem geschadet, uns damals auch nicht.«

      Ein Neulehrer war der Herr Klamm. Er bewirtschaftete unseren Schulgarten. Das mit der Bewirtschaftung waren eigentlich wir. Er sagte immer: Um was zu lernen, müsst ihr säen und ernten. Die Früchte aßen aber nur er selbst und die Angehörigen seiner Familie auf.

      Dort im Garten stand auch ein großer Kirschbaum. Fast jedes Jahr trug er herrliche rote Herzkirschen. Bisher war es so Sitte gewesen, dass die fünfte Klasse sich diese Früchte einverleiben durfte. Alle Kinder ließen sich diese süßen Kirschen munden. Das mit der fünften Klasse – so genau hat das sowieso keiner genommen. Jeder bekam seinen Teil ab. Das musste auch sein, denn im Laden gab es zu dieser Zeit bei uns nie Kirschen zu kaufen. Die Versorgung reichte kaum für die Städte. Da kam nur das Notdürftigste zu uns in die Bergdörfer.

      Wir gingen in die Fünfte und sahen es als unser verbrieftes Recht an, diese reifen Früchte für uns zu verbrauchen. Der Lehrer Klamm besorgte sich damals einen großen Schäferhund. Den Köter band er mit einer Kette an diesen Kirschbaum. Den ganzen Tag hörten wir sein Gekläffe. Kamen wir vorbei, so zeigte er uns seine scharfen Hauer.

      Die Kirschen waren richtig gut ausgereift. Das Wasser lief uns im Mund zusammen. Was wollten wir aber machen? Da war der scharfe Hund. Wir, das waren mein Freund, ein Mädchen und ich.

       Neulehrer Klamm

      Bei meinem Freund zu Hause war gerade eine Notschlachtung des Hausschweins beendet worden. Deshalb stibitzte er eine Ringelwurst. Davon gaben wir dem Kläffer unterm Kirschbaum etwas ab. Begierig verschlang er diese Köstlichkeit. Hernach schaute uns der jetzt ruhige Geselle mit dem Schwanz wedelnd an. Wir fütterten weiter. Bald ließ er sich sogar von uns streicheln. Die Luft war rein. Keiner in der Nähe. Also banden wir den Bewacher los und an einem anderen Baum wieder fest. Ihm gefiel es.

      Jetzt war für uns der Weg frei. Eilig kletterten wir auf den Kirschbaum. Begierig labten wir uns an den süßen Früchten. Wir freuten uns über diese uns vermeintlich zustehende Bereicherung

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