Die medial-historische Entwicklung des Damen-Skispringens. Luis Holuch
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Abbildung 2h) und i): Die Slowenin Špela Rogelj bei der Absprungbewegung während des Sommer Grand-Prix‘ 2015 in Courchevel (Frankreich) (© Ursprüngliches Videomaterial: Stane Baloh / Bearbeitung vom Autor).
Auf den Normal-, Groß- und Flugschanzen sollte der Athlet etwa zehn bis 15 Meter nach der Schanzentischkante idealerweise die optimale Flugposition erreicht haben und die Ski zu einem V geformt haben.
Auch hier versucht man, die Ski in einem möglichst geringen Anstellwinkel in der Luft zu transportieren, um dadurch aerodynamischer zu sein. Während des Fluges sollte der Abstand zwischen Ski und Körper so gering wie möglich, dabei aber trotzdem parallel, gehalten werden, damit Fliehkräfte eine möglichst geringe Angriffsfläche haben. Ratsam ist jedoch bei Aufwind (Wind von unten), dem Wind möglichst viel Fläche zu bieten, um so ein größeres Luftpolster zu erzeugen.
Bis 1992 war dieser so genannte V-Stil bei den Kampfrichtern absolut verpönt. Der prägende Mann für diesen neuen Stil, der Schwede Jan Boklöv, und seine Nacheiferer wurden für diese Art zu springen mit deftigen Punktabzügen bestraft18. Man sah darin die Ästhetik des Skispringens, das bis dato im Parallelstil ausgeübt wurde, gefährdet. Obwohl sich der V-Stil als effektiveres System erwies. Bis die Regelhüter schließlich ein Einsehen hatten und den V-Stil offiziell erlaubten. Das nutze Boklöv selbst schließlich nicht mehr allzu viel. Nachdem er 1988/1989 den Gesamtweltcup für sich entschied19, zogen seine Konkurrenten nach und schon in der Folgesaison war er nicht mehr in den Top 10 zu finden. Er beendete seiner Karriere nach der Saison 1992/1993, in der er lediglich vier Zähler im Gesamtweltcup sammeln konnte.
Doch warum war und ist der V-Stil dem Parallelstil (beide Ski werden parallel in die Luft gehalten) derart überlegen? Auch diese Frage kann mit physikalischen Erkenntnissen beantwortet werden. „Der V-Stil bietet dem Wind mehr Angriffsfläche und sorgt für mehr Auftriebskraft als der Parallelsprung. Um wie viel, berechnete der Biomechanik-Professor Gert-Peter Brüggemann von der Deutschen Sporthochschule Köln bei den Olympischen Winterspielen in Lillehammer (1994) anhand von dreidimensionalen Sprungaufnahmen. Sein erstaunliches Ergebnis: Das Luftpolster beim V-Stil trägt um satte 35 Prozent besser, verglichen mit der alten Technik. Je stärker du deine Ski nach außen drücken kannst, ohne sie übermäßig zu verkanten, umso größer wird die Spannweite. Und ähnlich wie bei einem Segelflugzeug verbessert sich so die Gleitfähigkeit, weil sich ein großes Luftpolster bildet – das dich trägt und das „Fliegen“ unterstützt.20“
Hinzu kommen verstärkend die Eigenschaften der Sprunganzüge, welche die Springerinnen und Springer bei jedem Sprung tragen: „Zusätzlich wird dieses Luftpolster durch den Balloneffekt der Sprunganzüge verstärkt. Diese sind an ihrer Vorderseite luftdurchlässig, wohingegen die Rückseite aus luftundurchlässigem Material besteht.21„
Ein Skisprung (allein vom Beginn der Anfahrt bis zum Erreichen der V-Position) ist also ein ungemein komplexer Ablauf, welcher sich innerhalb kürzester Zeit abspielt. Schon kleinste Fehler oder Verzögerungen können fatale Folgen haben und zu einem Sturz und in der Folge Verletzungen oder gar Schlimmerem führen. Nichtsdestotrotz ist die Zahl der Stürze und Verletzungen weitaus geringer als angenommen.
Dies spricht zum einen dafür, dass die Springerinnen und Springer ihren Sport beherrschen und, dass die Wettkampfleiter sehr vorsichtig beim Bewerten der Wetterverhältnisse sind. Schließlich ist ein Skispringer oder eine Skispringerin bei dieser Freiluftsportart Wind und Wetter mehr oder weniger ausgesetzt.
Abbildung 4j) und k): Die Norwegerin Špela Rogelj bei der Absprungbewegung während des Weltcup-Finals 2014 in Planica (Slowenien).
Mit diesen beiden Bildern von Špela Rogeljs Sprung beenden wir die Besprechung der Absprung- und Flugphase. Im linken Bild ist zu sehen, dass ihre Arme nun fast unmittelbar neben ihrem Körper gelangt sind. Mit dem Oberkörper nähert sie sich ihren Ski weiter an. Es ist schön zu erkennen, wie sie die Rundung zwischen Oberkörper, Hüfte und Oberschenkel ausprägt, damit sich darunter die Luft sammeln kann.
Zudem spreizt sie die Beine weiter, um in ihre individuelle V-Position zu gelangen. Im rechten Bild ist sie endgültig in ihrer Flugposition angekommen. Die Ski formen ein V, die Arme sind seitlich vom Körper angebracht und ihr Sprungsystem ist durch die Position der Beine und des Oberkörpers geschlossen. Der gesamte geschilderte Ablauf von der Auflösung der Sprunghocke über den Absprung bis hin zum Formen des Sprungsystems dauert in Realgeschwindigkeit in etwa 1,3 Sekunden. Bereits hier ist Rogelj mit einer Geschwindigkeit von etwa 95 km/h unterwegs. Der Vorgang erfordert dementsprechend ein höchstes Maß an Aufmerksamkeit und Reaktionsschnelligkeit, sowie einer guten technischen Ausbildung hinsichtlich der Sprungtechnik.
Abhängig von der Schanzengröße sind die Springerinnen und Springer bis zu acht oder neun Sekunden in der Luft. Als vorletzter Teil des Sprungs folgt die Landung. Bei dieser wird ein Fuß vor dem anderen in den Schnee oder im Sommer auf die Matten gesetzt. Der Abstand zwischen beiden Füßen sollte in etwa eine Fußlänge haben.
Hier zwischen wird die Weite des Sprunges manuell oder per Videoweitenmessung festgestellt. Wichtig ist zudem, ein leichtes Einknieen des hinteren Beins vorzunehmen und dabei den Oberkörper leicht aufzurichten. Die Telemarklandung wird ebenfalls anhand einer Bilderserie erläutert, allerdings in etwas anderer Form als der Absprung: zum Vergleich werden eine gelungene und eine nicht ganz gelungene Landung dargestellt und erklärt.
Diese Bilderfolge besteht aus insgesamt sieben Bildern. Zu sehen ist ein norwegischer Skispringer bei der Landung auf der K56 im slowenischen Planica. Da das ursprüngliche Videomaterial, das freundlicherweise vom norwegischen Springer Joakim Aune zur Verfügung gestellt wurde, bereits in Zeitlupenform vorhanden ist, wurde die Produktion der nun folgenden Screenshots vereinfacht.
Ebenso erleichtert die Zeitlupe das Einfangen von Details des Bewegungsablaufes.
Abbildung 3a) und b): Ein norwegischer Springer beim Landevorgang. © Ursprüngliches Videomaterial: Joakim Aune / bearbeitet vom Autor.
Der Springer löst seine V-Position auf und fährt die Arme seitlich aus, die später als Stabilisatoren dienen sollen. Die Athleten haben zumeist ein „Lieblingsbein“, welches sie bei der Landung nach vorne schieben. In den allermeisten Fällen ist das Vertrauen in das eine Bein größer als in das Andere, sodass die Entscheidung dementsprechend pro dieses Bein ausfällt.
Die Springerinnen haben zumeist ein „Lieblingsbein“, welches sie bei der Landung nach vorne schieben. In den allermeisten Fällen ist das Vertrauen in das eine Bein größer als in das Andere, sodass die Entscheidung dementsprechend pro dieses Bein ausfällt.
Bei den Springerinnen mit Verletzungshistorie in Bezug auf Bein oder Knie, entscheidet zumeist die Frage, welches das gesündere Bein ist. Schließlich wirken bei der Landung „Kräfte des 3-4fachen des Körpergewichtes auf die Springer ein.22„Da ist es nachvollziehbar, dass die Springerinnen versuchen, so wenig Risiko wie möglich einzugehen.
Noch sind beim Springer die Beine gestreckt, was sich im Verlaufe des Vorgangs ändern soll und wird. Glauners Theorie nach „[f]ür einen optimalen Landeanflug und Landevorbereitung versuchen die Springer möglichst