Allmächd, scho widder a Mord!. Werner Rosenzweig
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Es war ein trüber Tag in Veitshöchheim, keine Sonne. Der Wind blies leicht aus Westen, und es sollte bald wieder kälter werden. Bitterkalt. Zwei Rentner standen mit hochgestellten Mantelkrägen im Rokokogarten, den die Würzburger Fürstbischöfe im achtzehnten Jahrhundert anlegen ließen, und unterhielten sich angeregt.
„Bist in Werzburch gewast?“
„Jo.“
„Wos host dann do gmecht, boor Schü gekefft, odder dich frisier gelosst?“
„Näi, i hob mi foto loss grafier.“
Ihre beiden Dackel beschnupperten sich unterdessen und schienen ebenfalls Gefallen aneinander gefunden zu haben.
Abu Hassan Akbar hatte die Kapuze seines Anoraks tief in das Gesicht gezogen, als er an den beiden Alten vorbei trottete. Das Wetter war ideal für seine Mission. Er war von dem nahen Zell trotz Wind und Regen mit dem Fahrrad herübergekommen und wollte sich das Objekt des geplanten Terroranschlags, die Mainfrankensäle, von der Nähe aus ansehen. Bis auf die beiden Rentner war keine Menschenseele unterwegs, an diesem 7. Januar 2013. Er näherte sich dem Gebäude von Westen, lief am Schloss vorbei, setzte seinen Weg, nachdem er den Rokokogarten verlassen hatte, in der Oberen Maingasse fort und bog dann zur Mainlände nach links ab. Er sah eine Weile auf die dunkeltrübe Wasseroberfläche des Flusses, auf der sich kleine, vom Wind getriebene Wellen kräuselten. Ein tief im Wasser liegender Frachtkahn näherte sich tuckernd aus Richtung Würzburg. Nach einer Weile drehte sich der Terrorist um, und betrachtete aus einiger Entfernung den Treppenaufgang zu den Mainfrankensälen. Noch ahnten die Besucher der Prunksitzung nicht, dass sie in Kürze die Treppe des Todes beschreiten würden, einen Weg ohne Wiederkehr. Abu Hassan Akbar setzte seinen Weg fort, um näher an das Objekt heranzukommen. Langsamen Schrittes schwenkte er in die Parkstraße ein und lief von dort auf die Mainfrankensäle zu. Nur wenige Autos standen auf den Besucherparkplätzen. Der Al-Qaida-Mann schritt die Stufen der Treppe empor und stand wenige Augenblicke später auf der breiten Terrasse. Das Restaurant war von innen dezent beleuchtet. Vereinzelt saßen Gäste an den Tischen. Er schloss die Augen und stellte sich den Grundriss des Objekts vor: Hinter dem fünfundsiebzig Quadratmeter großem Speiselokal zog sich die langgestreckte Küche hin. Davor lagen die Garderobe und eine kleine Bar. Beide waren vom Foyer aus erreichbar. Die Besucher mussten direkt an der Bar vorbei, wenn sie in den Mittleren Saal wollten. Doch am 1. Februar würde die Trennwand zwischen Mittlerem und Kleinem Saal geöffnet sein, so dass den Besuchern sechshundertsiebenundachtzig Quadratmeter zur Verfügung standen, die höhenverstellbare Bühne nicht eingerechnet. Rechterhand, im Anschluss an das Foyer, lag der Konferenzraum mit einer Grundfläche von einhundertfünfundzwanzig Quadratmetern. Dieser Raum interessierte ihn weniger. Seine Aufmerksamkeit galt den Sälen, der Bühne und dem Bar-Küchenbereich. Hier würden sich die meisten Menschen aufhalten. Dann rief er sich die Gegebenheiten des Untergeschosses ins Gedächtnis zurück, welches hauptsächlich aus Technikräumen bestand. Er überlegte. Seine Gruppe hatte zwei Optionen, die Bomben wirksam zu platzieren: entweder im oberen Bereich, zum Beispiel unter der Bühne und zur Küche hin, oder im unteren Stockwerk. Letzteres setzte allerdings voraus, dass die Bomben eine solche Sprengkraft entwickeln, dass das gesamte Gebäude in Sekunden vollständig in sich zusammenbricht und die Besucher unter sich begräbt. Beide Varianten hatten Vor- und Nachteile. Im ersteren Fall wären die Gäste direkt der Wirkung der Sprengsätze ausgeliefert, was ein blutiges Schlachtfeld zur Folge hätte, überall zerfetzte Leiber. Andererseits ist es schwierig und mit einem hohen Risiko verbunden, die Bomben unbeobachtet zu platzieren. Im Geist beschloss er, die Sprengsätze im Untergeschoss zur Detonation zu bringen. Zwei Bomben mit einer hohen Sprengkraft, der Sprengsatz aus einer Mischung von Ammoniumnitrat und Nitromethan, ließen die Mainfrankensäle in Schutt und Asche versinken. Das ließe sich machen. Er dachte an seine Ausbildung im Swat-Tal und erinnerte sich an die Bilder vom zerstörten, neunstöckigen Murrah Federal Building, in Oklahoma City. Eine Bombe aus Ammoniumnitrat, gemischt mit Nitromethan, hatte damals, am 19. April 1995 einhundertachtundsechzig Menschen getötet. Das Bürogebäude wurde völlig zerstört. Doch Abu Hassan Akbar wollte mehr über die Mainfrankensäle erfahren. Er wollte nicht nur die Pläne des Gebäudes studieren, er wollte das Objekt selbst kennenlernen, bevor er und seine Leute den Tod ins Haus brachten. Er hatte beschlossen, die Räume aufzusuchen, in denen die Ungläubigen von seinen Bomben zerrissen wurden. Allahu Akbar! Morgen, kurz vor neunzehn Uhr, ergab sich die Möglichkeit dazu. Er hatte die Eintrittskarte für den Vortrag über China bereits in seiner Tasche.
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Abu Hassan Akbar war pünktlich. Zehn Minuten vor neunzehn Uhr betrat er das Foyer der Mainfrankensäle. Der Vortrag über China fand großen Anklang. Circa fünfzig Leute standen vor der Abendkasse. Er setzte sich in die hinterste Reihe. Nach dreißig Minuten verließ er den abgedunkelten Raum. Die Herrentoiletten befanden sich im Untergeschoss. Er war allein, niemand störte ihn. Als er die Toiletten wieder verließ, sah er die Tür mit der Aufschrift „Zugang nur für Personal“. Darunter stand in Englisch „Staff Only“. Er drückte die Türklinke. Die Tür war unverschlossen. Nach zehn Minuten kehrte er zurück und trat wieder aus der Tür. Er war höchst zufrieden. Er wusste nun genau, welche Bomben er bauen würde und wo er und seine Leute sie platzieren würden. Die ganze Angelegenheit war kinderleicht. Ihm war eine glänzende Idee gekommen. Niemand würde die Sprengsätze entdecken, selbst wenn er mit der Nase direkt davor stünde. Der Terrorist nahm sich vor, drei Sprengsätze zu bauen. Die örtlichen Gegebenheiten luden regelrecht dazu ein. Er sah die Mainfrankensäle bereits wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Morgen musste er Max Schneider nochmals auf Einkaufstour schicken. Außerdem musste er einen Pkw organisieren, mit einer ganz bestimmten Werbeaufschrift.
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Seit einunddreißig Jahren sind Barbara Stieler, geborene Schacher und ihr Mann Anton verheiratet. Seit ihrer Geburt leben die beiden in der kleinen unterfränkischen Gemeinde Obersinn, im Landkreis Main-Spessart. Die weiteste Reise, welche die zwei in ihrem Leben je unternommen hatten, führte sie nach Würzburg. Das war auch vor einunddreißig Jahren. Es war ihre Hochzeitsreise. Damals besuchten sie Antons Bruder Michael, der ihnen zwei Tage lang die Schönheiten der Stadt zeigte. Danach fuhren sie mit dem Bummelzug wieder nach Obersinn zurück. In dem kleinen Ort unterhalten sie einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb, sind fleißig, genügsam, glücklich und zufrieden. Die beiden erwachsenen Söhne waren längst aus dem Haus. Ihre Wege führen Anton und Barbara gelegentlich in den Ortsteil Emmerichsthal, wo Barbaras Geburtshaus steht, nach Mittelsinn und nach Bergsinn. Worte wie „Hotel“, „Kreditkarte“, oder „EC-Karte“, kennen sie nur vom Hörensagen. Andere Begriffe, wie „Laptop“, „Internet“, oder „Homepage“ sind ihnen völlig ungeläufig. Durch die Ortschaft Obersinn mit ihren knapp über eintausend Einwohnern schlängelt sich das Flüsschen Sinn, welches die Ortschaft in eine Spessart- und in eine Rhönseite teilt. Barbara und Anton leben auf der Spessartseite. Anton ist Mitglied beim SV Obersinn, bei der Freiwilligen Feuerwehr, beim Gesangsverein und beim Wanderverein. Der absolute Höhepunkt in Obersinn ist das alljährliche Schachblumenfest. Der Sinngrund mit seinen Feuchtwiesen ist das größte zusammenhängende Gebiet Deutschlands, in welchem die Schachblumen, ein Liliengewächs, von April bis Mai in vollen Blüten erstrahlen.
Nun