Abbazia. Johannes Sachslehner
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Lenkt als Vorsteher der Kurkommission jahrzehntelang die Geschicke des Seebads: Dr. Julius Glax.
Glax erkundigt sich dabei ausführlich nach den Plänen der Südbahn: Wolle man nur eine Hotelanlage errichten oder tatsächlich einen Kurort gründen? Falls man Letzteres anstrebe, müsse die Gesellschaft auch die Schaffung „entsprechender Einrichtungen wie Wasserleitung, Kanalisation, Bäder, hydropathische Anstalt, Milchwirtschaft“ im Auge haben, weiters sieht das sehr fortschrittliche „Hygienekonzept“ des ambitionierten Balneologen die „einwandfreie Beseitigung der Abfallstoffe, geeignete Isolierrräume für infektiöse Kranke, Desinfektion und Desinfektionsräume, Leichenkammern, entsprechende Einrichtungen für Krankenpflege, Krankentransport, Rettungswesen und Feuerwehr, Überwachung der Kurmittel und ihrer Verabreichung“ und auch eine „Überwachung der Lebensmittel“ vor, daneben müsse aber auch die „Ruhe im Kurort“ gewährleistet sein. Als sich Schüler mit diesen zum Teil sehr kostenintensiven Forderungen konfrontiert sieht, gibt er offen zu, dass man sich noch nicht endgültigfestgelegt habe, lädt aber Glax zu einem längeren Aufenthalt in Abbazia ein, was dieser ab dem Oktober 1885 auch wahrnimmt. Da sich zu dieser Zeit auch der angesehene Müchner Laryngologe Max Joseph Oertel (1835 – 1897) und der berühmte Chirurg Theodor Billroth (1829 – 1894) in Abbazia aufhalten, bittet Schüler die drei Mediziner zu einem Consilium über die Zukunft Abbazias – auf Anraten der drei Gelehrten entscheidet sich Schüler endgültig für eine Zukunft Abbazias als Kurort. So vertritt der celebre Münchner Mediziner, der sich auch noch in den 1890er-Jahren am Quarnero aufhalten wird, die Meinung, dass sich Abbazia wegen seines hohen Luftdrucks – 760 Millimeter im Mittel – und seiner „staub- und keimfreien Seeluft“ vor allem als Kurort für Herzkranke eigne und als solcher in die „vorderste Linie“ zu stellen sei.
Julius Glax verlegt ab 1885/86 seine Winteraufenthalte und ab Sommer 1887 seinen ständigen Wohnsitz nach Abbazia; gemeinsam mit seinem Freund Graf Benedikt Giovanelli, dem Statthaltereirat von Triest, arbeitet er die Kurordnung für Abbazia aus, die zur Grundlage des Landesgesetzes vom 4. März 1889 wird, mit dem der Ort das Kurstatut verliehen erhält. Im Oktober 1887 wird er von Schüler zum „dirigierenden Arzt der Kuranstalten der k. k. privileg. Südbahn-Gesellschaft“ berufen und als solcher den Aufstieg Abbazias vom „Kurort-Baby“ zum „Weltkurort“ entscheidend mitgestalten. Theodor Billroth würdigt 1888 in der Wiener klinischen Wochenschrift diese Entscheidung Schülers: „Die Südbahn hat an Herrn Professor Glax eine ungewöhnlich glückliche Acquisition gemacht, wozu man den Kurort nur beglückwünschen kann; es ist das ein Vorzug von Abbazia, den ich ganz besonders hervorhebe, und den meine Kollegen zu würdigen wissen werden.“ Gleich nach Amtsantritt drängt Glax auf den Bau einer neuen Wasserleitung vom Monte Maggiore, um den Kurort mit tadellosem Trinkwasser versorgen zu können, stößt hier aber auf den Widerstand Schülers, der zuerst die bestehende Wasserleitung zu den Hotels der Gesellschaft von den sogenannten „Klara-Quellen“ südlich von Abbazia durch weitere Bohrungen absichern möchte. Das Problem der Klara-Quellen ist, dass sie in „intermittierender“ Beziehung zum Meer stehen und bei gewissen Seewasserständen Brackwasser liefern (siehe dazu auch das Kapitel „Kur-Alltag mit grantigem Halden“). Die Wasserleitung von den Hochquellen des Monte Maggiore wird schließlich erst 1897 in Betrieb genommen, der in diesem Jahr projektierte Bau des Kanalisationsnetzes 1907 fertiggestellt.
1889 wird Julius Glax Mitglied der Kur-Kommission, 1899 übernimmt er als Kurvorsteher den Vorsitz in dieser Institution und führt diesen durch zwei Jahrzehnte hindurch bis 1919. Ob Unterhaltungsveranstaltungen für die Kurgäste oder Ausflüge in die Umgebung, ob der Ankauf eines Müllverbrennungsofens oder das Anlegen eine neuen Friedhofs – ohne Glax geht nichts; Abbazia ist Glax und Glax ist Abbazia. Zu seinen prominenten Patientinnen und Patienten zählen Kronprinzessin Stephanie, die Gattin Kronprinz Rudolfs, das rumänische Königspaar Carol I. und Elisabeth (Carmen Sylva), Prinz Peter KarageorgeviĆ, der spätere König von Serbien, Prinzessin Klementine von Sachsen-Coburg-Gotha und Fürst Johannes II. von und zu Liechtenstein sowie der eigenwillige Großherzog Adolph von Luxemburg. 1894 betreut Julius Glax die Söhne des deutschen Kaiserpaars während ihres Aufenthalts in Abbazia (siehe dazu auch das Kapitel „Kaisertreffen am Quarnero“) und auch Schauspielstar Alexander Girardi, der Liebling des Wiener Theaterpublikums, der nach der Auseinandersetzung mit seiner Frau Helene Odilon im Frühjahr 1897 Erholung in Abbazia sucht, legt Wert darauf, vom „Herrn Professor“ persönlich untersucht und betreut zu werden.
Eine zweite wichtige Personalentscheidung Schülers betrifft die Direktion der Hotels und Kuranstalten der Südbahn in Abbazia, und auch hier beweist er das richtige Gespür: Am 12. September 1889 ernennt er Anton Silberhuber (1839 – 1899), den Präsidenten des Österreichischen Touristenklubs und ehemaligen Inhaber eines Reisebüros in Wien, zum Direktor und bindet damit einen der besten Tourismus-Fachleute der Habsburgermonarchie in sein Imperium ein. Silberhuber ist seit 1881 Präsident des ÖTK, der unter seiner Leitung einen enormen Aufschwung genommen hat, und Chefredakteur der Österreichischen Touristen-Zeitung; als Reisebegleiter Kronprinz Rudolfs hat er bei Hochtouren und Bergbesteigungen auch Kroatien kennen gelernt. Beinahe ein Jahrzehnt lang wird von nun an Anton Silberhuber die Geschicke Abbazias mitbestimmen; erst mit der Verpachtung der Südbahn-Hotels an die Internationale Schlafwagengesellschaft geht seine Ära zu Ende. Am 15. Juni 1898 verlässt er den Kurort und geht nach Wien, wo er noch als „Reisemarschall“ eine Nordlandfahrt Erzherzog Karl Ludwigs und der ihm bestens bekannten Kronprinzessin-Witwe Stephanie organisiert. Anton Silberhuber stirbt am 7. März 1899.
Nachfolger Silberhubers als Direktor der Kuranstalten wird der 38-jährige Wiener Alfred Pachler, der von der Internationalen Schlafwagengesellschaft aus dem Pariser Hotel Continental nach Abbazia berufen wird. Pachler, der in Paris als Direktor-Stellvertreter tätig war, bietet, wie die Hygiea rühmend schreibt, das „ungemein ansprechende Characterbild eines zielbewussten Mannes in der Vollkraft der Jahre, der mit den höchsten fachlichen Erfordernissen ausgerüstet ist. Zu diesen gehören zunächst Weltkenntnis, Gewandtheit im Umgange und gründliche Sprachenkenntnisse; diese Erfordernisse vereinigt Herr Director Pachler im ungewöhnlichsten Maße in sich. Die Liebenswürdigkeit seiner Umgangsformen sichert ihm das höchste Ansehen unter den distinguirten Curgästen.“ Das „Corps seiner Untergebenen“ zählt 180 Menschen; bald bewundert man Pachlers Geschick, mit dem er unter seinen Mitarbeitern Disziplin zu halten weiß.
Aus dem verträumten Fischerdorf ist innerhalb weniger Jahre ein mondäner Kurort geworden: Panoramablick auf den Quarnero mit Abbazia und Volosca. Photochromdruck, um 1890.
Zu jenen Autoren, die bereitwillig die Werbetrommel für die Vision Schülers rühren, zählt auch Amand von Schweiger-Lerchenfeld (1846 – 1910), ehemals k. u. k. Offizier und Veteran der Schlacht von Custozza 1866, der sich mit Talent und enormem Fleiß zum wohl führenden „Sachbuchautor“ der Monarchie emporgeschrieben hat. 1883 veröffentlicht er sein Buch Abbazia. Idylle von der Adria, das in geradezu hymnischer Weise das Loblied auf das „Paradiesesgestade“ am Quarnero singt und dessen „Befähigung zu einem Winterasyle“ nachdrücklich dartun möchte. Mit den Bauplänen der Südbahngesellschaft – er spricht diskret von einer „großen Unternehmung“ – zum ersten Hotel und zu einem „still gelegenen Sanatorium“ offensichtlich bereits vertraut, greift er der Zeit voraus und denkt sich den „freundlichen Platz mit Gästen aus nah und fern bevölkert“, geschickt streut er in seinen Bericht die Versatzstücke mediterraner Traumwelten mit ein; er zitiert antike Mythen, Lord Byron und Goethe am Strand von Taormina, im Mittelpunkt stehen die einzigartige Natur und schöne Frauen, immer wieder versteht er es, Bezüge zu bekannten und touristisch bereits erschlossenen Orten am Mittelmeer