Meinetwegen kann er gehen. Katrin Unterreiner

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Meinetwegen kann er gehen - Katrin Unterreiner

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für die Monarchie – und das Leben tausender Menschen – ausgehen konnten, zeigt die Tragödie um den Waffenstillstand mit Italien 1918. Nach langem Ringen mit dem Staatsrat hatte sich der Kaiser, der vehement für einen Waffenstillstand eingetreten war, durchgesetzt. Er wollte ihn zwar nicht selbst unterschreiben und hatte daher kurzerhand das Oberkommando zurückgelegt, aber er hatte sich durchgesetzt. So wurde am 3. November um 2 Uhr früh im Auftrag des Kaisers eine Radiodepesche an General Weber in Italien gerichtet, dass alle Bedingungen angenommen werden und die Truppen den Befehl erhielten, die Feindseligkeiten sofort einzustellen. Der Befehl wurde umgehend an die Heeresgruppenkommandos weitergeleitet. Um 2:30 Uhr entschied Karl jedoch, den ausgegebenen Befehl zur Einstellung des Kampfes an der Front sofort zu widerrufen. „Der Kaiser schien nun doch Bedenken zu haben, die Einstellung zu befehlen, ohne zu wissen, was die Italiener verlangen“,39 notierte Möller. Doch der Befehl war bereits an die Truppen ausgegeben und konnte nicht mehr zurückgenommen werden.

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      Das Thronfolgerpaar mit Sohn Otto beim Begräbnis von Kaiser Franz Joseph, 30. November 1916.

      Da die Italiener erst später antworteten, dass sie ab der endgültigen Unterzeichnung 24 Stunden benötigten, um den Befehl zur Einstellung der Kampfhandlungen weiterzugeben – die Österreicher dies allerdings längst getan hatten –, betrug die Zeitdifferenz zwischen der österreichischen und der italienischen Einstellung 36 Stunden. In dieser Zeit rückten die Italiener vor und nahmen ohne einen Schuss 427.000 Mann gefangen.

      Später rechtfertigte sich Karl für dieses Fiasko, dass der Waffenstillstand ein Trick der Italiener gewesen wäre, da „zum Zeitpunkt, als wir den Waffenstillstand anbefahlen, die italienischen Durchführungsbestimmungen mit der Zeitangabe des Einstellens der Feindseligkeiten noch nicht in Schönbrunn eingetroffen“40 waren. Bei aller Berücksichtigung der Hektik dieser Tage stellt sich schon die Frage: Hatte der Kaiser tatsächlich einen Waffenstillstand unterzeichnen und dann umgehend die Niederlegung der Waffen an die Front telegrafieren lassen, ohne den Zeitpunkt des Inkrafttretens zu kennen oder vereinbart zu haben? Fakt ist, dass eine solche „Panne“, die für zigtausend Soldaten Kriegsgefangenschaft bedeutete, Karls Führungsqualitäten mehr als in Frage stellt.

      Viel zu lange bemühte sich sein Umfeld, den Kaiser in trügerischer Sicherheit zu wiegen. Wo er auftauchte, wurden Jubel und Begeisterung inszeniert, und der Kaiser wähnte sich populär und die Bevölkerung trotz größter Entbehrungen positiv gestimmt. Die Realität sah bereits ganz anders aus und kritische Stimmen mehrten sich, die gerade darin eine große Gefahr sahen. So notierte Baernreither im April 1918 besorgt in seinem Tagebuch: „Gerüchte, Geschichten, Tratsch wuchern. K(aiser) und K(aiser)in in den Mittelpunkt … Ovationen f. K(aiser) und K(aiser)in gemacht. Einige hundert Detektive und gemietete Menschen winken mit weißen Sacktüchern. Selbst Hohenlohe äußert sich, es sei unverantwortlich, die Majestäten so zu täuschen.“41

      Wie abgeschottet der Kaiser lebte und wie stark er vor allem in den letzten Monaten der Monarchie den Bezug zur Realität verloren hatte, geht aus zahlreichen Tagebucheintragungen hervor. Während den Politikern und selbst Aristokraten die militärische Niederlage und der damit verbundene Zusammenbruch der Monarchie schon klar waren und sich alle um die Zukunft Gedanken und Sorgen machten, sorgte der Kaiser mit guter Laune für Irritation. Daran war vor allem sein engstes Umfeld schuld, wie Redlich am 22. Oktober konstatierte: „Der Kaiser und die Kaiserin sind bis vor zwei Tagen guter Laune gewesen: sie haben sich durch Seidler (Ministerpräsident Ernst Seidler von Feuchtenegg) täuschen lassen, da sie diesem elenden Dummkopf vollkommen vertrauten.“42

      Doch schließlich dämmerte es auch Karl: Der Untergang zeichnete sich ab und die Monarchie war in größter Gefahr. Aber Karl hatte nicht mehr die Kraft zu kämpfen. Je hektischer um ihn herum alle agierten, desto apathischer wurde der Kaiser. Besprechungen um dringende Entscheidungen verliefen für die Politiker absolut frustrierend. Lammasch war zum Kaiser, der sich bezeichnenderweise ausgerechnet jetzt nach Reichenau zurückgezogen hatte, gefahren, um mit ihm die dringende Antwort auf Wilsons Telegramm – de facto die Formulierung der Kapitulation – zu besprechen; er berichtete, „daß er zwei Stunden dem Kaiser vorgetragen habe, daß dieser zerstreut zuhörte, meinte, ja, er wisse, wie gefährlich die Lage sei, schließlich aber erklärte, er werde einige Tage überlegen“.43 Lammasch stellte schockiert fest, „offenbar hat der Kaiser die Entschlusskraft ganz verloren!“.44

      Ähnlich resigniert erlebte ihn Josef Redlich, als er einige Tage später, am 27. Oktober, zum neuen Finanzminister ernannt wurde. Seine Antrittsaudienz beim Kaiser schilderte er schonungslos: „Ich blieb 20–25 Minuten beim Kaiser, der schlecht aussieht, bleich, kleines Gesicht. Er sprach über alles mögliche, streifte die Finanzen nur, über deren Hoffnungslosigkeit er sogar zu lächeln sich anschickte … Der junge Herr spricht leicht, aber man hat nicht das Gefühl, daß die großen Dinge ihn wirklich innerlich anders berühren als das tägliche Leben. Keine Nuancen im Sehen und Beurteilen der Vorgänge: Regentenlos.“45

      Diese scheinbare Gleichgültigkeit – Ausdruck seiner Resignation und Hilflosigkeit – verstärkte sich in den ersten Novembertagen. Als die kaiserlichen Minister am 8. November ihren Rücktritt anboten, da die Macht bereits in den Händen des republikanischen Staatsrates lag, fanden sie den Kaiser beinahe emotionslos vor: Karl wirkte auf Redlich gefasst, aber innerlich abwesend: „wieder hatte ich das Gefühl, dass ihm all diese Dinge nicht ans Innerste greifen, das Gefühl einer eigentümlichen Leere, Unwirklichkeit des ganzen Wesens.“46

      Am Ende, als um ihn herum schon alles zusammenbrach und Karl noch immer von seiner gerechten und treuen Vaterrolle für seine Völker sprach, sagte ihm Erdödy schonungslos, wie er in Wien genannt werde: „Karl der Letzte.“47

      Auffallend ist, dass alle engen Wegbegleiter Karls nach dem Ende der Monarchie nicht nur ihre eigenen Wege gingen, sondern offenbar keinerlei Anteil mehr am Schicksal des Ex-Kaisers nahmen. Weder seine gescheiterten Restaurationsversuche noch sein Exil auf Madeira wurden kommentiert, sein Tod war – wenn überhaupt – den meisten nur eine Zeile wert. Das wohl vernichtendste Urteil fällte Josef Redlich in seinem Tagebuch: „Der Tod von Kaiser Karl hat mich doch einige Tage lang sehr beschäftigt: Wäre er nur ein wenig ,vollwichtiger‘ als Mensch gewesen, läge eine Tragödie vor. Aber er war – zu wenig, ein zu unwesentlicher Mensch.“48

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