Architektur. Hans Kollhoff
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Solche Initiativen erscheinen heute oft noch etwas unbeholfen, aber die Menschen fangen an wahrzunehmen, was sich in ihrer Umgebung verändert, wenn sie ein Haus bauen. Der Blick auf die Umgebung ist ein anderer, als wenn man nur zur Miete wohnt und nach ein paar Jahren wieder auszieht. Nehme ich Geld in die Hand, um eine Eigentumswohnung zu kaufen, mache ich mich in gewisser Weise sesshaft, richte mich für einen längeren Zeitraum ein. Vielleicht spiele ich sogar mit dem Gedanken, dass die Kinder dermaleinst darin wohnen könnten. Dieser Gedanke mag etwas altmodisch anmuten, ich glaube aber, so anachronistisch ist er nicht mehr. Wir sehen ja, dass die meisten dieser Baugruppen-Eigentümer Familien gründen und sich tatsächlich mit dem Ort identifizieren, genau beobachten, was auf der anderen Straßenseite vor sich geht, was links und rechts neben ihnen passiert. Wird da irgendwo gebuddelt, werden sie sich erkundigen, weshalb und von wem. Wohne ich hingegen zur Miete, frage ich nicht nach, weil ich annehme, dass schon alles seine Ordnung haben wird.
Aus Wohneigentum kann offenbar so etwas wie bürgerliches Engagement eher erwachsen. Auch wenn die ersten Beispiele solcher Gemeinschaftsprojekte, etwa am Friedrichswerder in Berlin, noch ziemlich chaotisch daherkommen, zu bunt, zu überladen, sollte man nicht mit einer Gestaltungssatzung dagegenhalten. Die Gestaltungssatzung ist wieder so ein obrigkeitliches Instrument; das brauchen wir nicht. Wir benötigen einfach etwas Geduld. Das nächste Projekt wird sicherlich schon besser. Und dann, nach ein, zwei Generationen, wird es auch den Architekten einfach zu blöd geworden sein, immer nur von einem Extrem ins nächste zu wechseln, eben weil die Bauherren Haus und Stadt nicht länger als Konsumgut begreifen. Und eines Tages wird es vielleicht wieder feinere Unterschiede geben, so, wie man dies in einer Stadt wie Görlitz beobachten kann. Ausschließlich in dieses Prinzip setze ich Hoffnung beim Bauen von Häusern und Stadtquartieren, aber auch beim Erhalten von Stadtstrukturen. Keine noch so geniale »Vision« wird hier helfen.
Deswegen irritiert es mich, wenn im Rahmen der städtebaulichen Planung zahllose Fördermechanismen, Programme, Richtlinien, Strategien usw. aufgelistet werden. Das kenne ich aus den 1960er Jahren. Ich weiß, dass daraus nichts Brauchbares entstanden ist. Ich weiß aber auch, dass damals in Kreuzberg bei der Hämer-IBA junge Leute zusammengekommen sind, um den Spekulanten den Zugang zu den Häusern zu verwehren und zu verhindern, dass im Zuge der »Stadtsanierung« die Dächer aufgerissen werden und damit die Bausubstanz ruiniert wird. Denn die alteingesessenen Mieter hätte eine solche Stadtzerstörung, die lange Zeit als Glücksverheißung erschien, in die Großsiedlungen an den Stadtrand verbannt.
Das bürgerliche Engagement, das sich in den vergangenen Jahren in Stuttgart artikuliert hat, bedeutet für mich allerdings nur einen ersten Schritt: gegen etwas zu sein. Dort ist man zu Recht gegen etwas, nämlich gegen die Verscherbelung von Bahngrundstücken im großen Stil. Es wäre jedoch wichtig, diesen bürgerlichen Protest für etwas, für die Entwicklung von Stadt nutzbar zu machen – einer Stadt, in der man selbstverständlich wohnt, denn der Wohnsitz ist die primäre Voraussetzung für eine Identifikation mit der Stadt. Nach diesem traditionellen Prinzip vorzugehen und dabei heutigen Bedürfnissen Genüge zu tun, das ist die gesellschaftliche und architektonische Herausforderung. Die Häuser werden dann etwas anders aussehen als vor hundert Jahren, da wird etwas mehr Glas sein müssen, da wird man großzügige Terrassen und Loggien haben wollen und große Bäder und Küchen sowie alles, was den Komfort erhöht, wenn man es sich leisten kann. Aber das Prinzip ist das gleiche.
Ich hoffe, das klingt zuversichtlich, wenngleich junge Architekten nun vieles vergessen dürfen, was sie heute an der Hochschule lernen.
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