Das Wiedersehen. Adrian Plass

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Das Wiedersehen - Adrian Plass

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den ersten, qualvollen Tagen entwickelte ich sogar ein gewisses Geschick darin, aufzuräumen und auszusortieren und derartige Dinge zu regeln, sobald ich sie entdeckte, wenn auch manchmal unter Zähneknirschen oder mit einem kleinen Aufschluchzen, durch das sich der Überdruck der ständigen Trauer ein Ventil verschaffte.

      Das Problem war, dass es nie ganz aufzuhören schien. Monate nach Jessicas Tod musste ich immer noch mit nicht mehr so häufigen, aber genauso unerwarteten Erinnerungen an ihr Leben und ihren Tod fertig werden. Manche davon wurden mir vom Briefträger ins Haus gebracht, einem jungen Mann mit glänzenden, stacheligen Haaren und ziegelrotem Gesicht, der jeden Tag pfeifend durch unseren Vorgarten kam, als ob auf eine seltsame Weise die Welt nicht aufgehört hätte, sich zu drehen. Er brachte Briefe für Jessica. Sie enthielten wichtige Mitteilungen über ihr Handy, ihre Bücher aus der Stadtbücherei oder die Blumenzwiebeln, die sie doch bitte bestellen möge, um sie im Herbst einzupflanzen, über die Kreditsumme, die ihr auf ihrer British Home Stores Card zur Verfügung stand, oder über die Tatsache, dass sie so nahe daran gewesen war, achtzigtausend Pfund in einem Zeitschriften-Preisausschreiben zu gewinnen, dass es eigentlich nur noch eine Formalität war, den beiliegenden Abschnitt einzusenden und ein Jahresabonnement für die fragliche Zeitschrift zu bestellen. Ich beantwortete diejenigen, bei denen das notwendig war, und warf den Rest weg.

      Hin und wieder kamen ahnungslose, fröhliche Lebenszeichen von Freunden oder Bekannten aus der Vergangenheit, die nicht wussten, was mit Jessica passiert war. Ich beantwortete sie so kurz, wie es die Höflichkeit erlaubte, und versuchte so wenig Zeit wie möglich mit den Kondolenzbriefen zu verbringen, die ich postwendend zurückerhielt.

      Eines Sommerabends, auf den Tag genau sechs Monate, nachdem ich mich herabgebeugt hatte, um zum letzten Mal die kalten Lippen meiner Frau zu küssen, landete ein Brief, der in Gloucester abgestempelt war, auf meiner Türmatte. Wie sich herausstellte, kam er von einer der ältesten Freundinnen von Jessica, aber er war nicht für sie. Er war an mich adressiert.

      Lieber David,

      ich hoffe, du erinnerst dich noch an mich, wo doch jetzt so viele Leute in der Gemeinde wissen, wer du bist, und ich hoffe, es macht dir nichts aus, dich durch diesen Brief hindurchzukämpfen, denn er wird wahrscheinlich ziemlich lang. Mein Ehename (inzwischen lebe ich von meinem Mann getrennt) ist Angela Steadman, aber als wir uns kannten, hieß ich noch Angela Brook. So nenne ich mich jetzt auch wieder, seit ich wieder allein lebe.

      Vor vielen Jahren, als wir alle in St. Mark's zur Kirche gingen, gehörte ich zur selben Jugendgruppe wie du. Somit bin ich jetzt Mitte, Ende dreißig, wie du wahrscheinlich auch. Ich war immer viel mit deiner Jessica zusammen, die während der Schulzeit meine beste Freundin war, und mit einem pummeligen Mädchen mit krausen Haaren, das Laura Pavey hieß. Ich war blond, mit hohen Wangenknochen und einem trotteligen Lächeln, hatte im Winter immer bunte Pullis an und war ein bisschen herrschsüchtig und redete zu viel. Reicht dir das, um darauf zu kommen, wer ich bin? Bei den meisten Leuten klickt es, wenn sie „herrschsüchtig“ hören.

      Wir kannten uns nur für relativ kurze Zeit, bevor du und Jessica miteinander gingt, aber wir haben eine ganze Menge gemeinsam unternommen. Anständiger Kaffee bei Lauras Eltern zu Hause um die Ecke in der Clifton Road nach der Jugendgruppe, um den Geschmack von diesem dünnen, ranzigen Kirchenkaffee loszuwerden; so mancher Samstagvormittag bei Wilson's, dem Caf oberhalb der Treppe gegenüber vom Bahnhof, wo sich immer alles traf, um herauszufinden, ob irgendwo eine Party stieg. Wir teilten uns zu fünft oder zu sechst zwei Becher Kaffee - wenn wir Glück hatten! Eben fällt mir ein, dass wir irgendwann auch alle zusammen zu einer Wochenendfreizeit fuhren, zu irgendeiner Schule oder so etwas Ähnlichem unten im Süden. Fällt es dir jetzt wieder ein? Das sind für mich alles sehr schöne Erinnerungen.

      Jedenfalls, wie du weißt, haben Jessica und ich im Lauf der Jahre den Kontakt zueinander verloren, aber ich mochte meine Freundin sehr und habe sie nie vergessen. Ich habe mir immer gesagt, eines Tages raffe ich mich auf und treffe mich mit ihr, und mit dir natürlich auch, und dann lassen wir uns nach Herzenslust über die alten Zeiten aus. Na ja, man sollte eben solche Dinge wirklich anpacken, anstatt nur darüber zu reden, nicht wahr? Ich weiß, es ist nichts im Vergleich zu dem, was du jetzt empfinden musst, aber mich erfüllt eine schreckliche, trostlose Traurigkeit, wenn ich daran denke, dass es jetzt zu spät ist. Allerdings gibt es eine letzte Sache, die ich noch für Jessica tun kann, und das ist der Grund, warum ich dir schreibe.

      David, was ich dir jetzt mitteilen werde, wird dich vielleicht sehr überraschen. Jessica hat mir nur einen oder zwei Tage vor ihrem Tod einen ziemlich langen Brief geschrieben. Darin erzählte sie mir, was mit ihr geschehen war, wie plötzlich das alles gekommen war und wie ernst die Prognose aussah. Sie wusste offenbar sehr gut, dass sie nur noch ganz kurze Zeit zu leben hatte. Das ist bei den meisten Leuten so, zumindest meiner Erfahrung nach. Als ich das las, wollte ich natürlich sofort in den Wagen springen und losfahren, um so schnell wie möglich an ihr Krankenbett zu kommen, und das hätte ich auch getan, wenn sie mich nicht ausdrücklich darum gebeten hätte, es nicht zu tun. Sie wollte, dass ich warte, bis ein paar Monate vergangen sind, und dir dann schreibe. Jetzt tue ich, worum sie mich gebeten hat.

      Jessica hat mir etwas geschickt, das ich dir geben soll, David, und als ich ganz kurz mit ihr im Krankenhaus telefonieren konnte, bestand sie darauf, dass ich verantwortlich entscheiden müsse, wie und wann das geschehen sollte. Ich war ein bisschen verdattert, wie du dir vorstellen kannst. So etwas ist mir bisher noch nicht passiert, und auch sonst niemandem, den ich kenne. Aber eines ist sicher: Ich werde mich durch niemanden davon abhalten lassen, es richtig zu machen - Jessica zuliebe.

      Bevor ich dir sage, was ich beschlossen habe, finde ich es angebracht, dir kurz zu erzählen, was sich bei mir in den Jahren, seit wir uns zuletzt gesehen haben, so alles getan hat. Was bei dir los war, wissen wir natürlich alle. Ich habe es nie geschafft, zu einer deiner Veranstaltungen zu kommen, aber wie ich höre, sind sie sehr eindrucksvoll und hilfreich und so. Ich dagegen lebe glücklich und unerkannt - na ja, jedenfalls unerkannt.

      Ich glaube, du weißt wahrscheinlich, oder wusstest zumindest, aber ich mache dir nicht den geringsten Vorwurf, falls du es vergessen hast, bin ich damals nach Bristol gegangen, um Kunst und Geschichte zu studieren - ich fand es herrlich. Danach habe ich ein bisschen herumgejobbt, bis ich schließlich eine sehr schöne, sehr schlecht bezahlte Stelle in einer Galerie in Cambridge fand. Dort bin ich zum ersten Mal meinem Mann Alan begegnet. Er hatte eines Tages geschäftlich in Cambridge zu tun und suchte in unserer Galerie Zuflucht vor dem Regen. Dieser verdammte Regen! Er brachte das Glück und das Unglück in einem Guss. Um diese lange Geschichte abzukürzen, da dieser Alan ein gut aussehender, unabhängig denkender, charmanter Bursche war, verstanden wir uns prächtig, tauschten unsere Telefonnummern aus, blieben nach dieser ersten Begegnung in Kontakt und fingen an, uns regelmäßig zu treffen. Und der Gipfel war, er war auch noch Christ! Unglaublich! Ich konnte mein Glück nicht fassen. Etwa sechs Monate später verlobten wir uns und im darauf folgenden Herbst wurden wir in York getraut, wo mein Vater nach dem Tod meiner Mutter hingezogen war. Alles schien perfekt zu sein. Wir beteten zusammen, wir lachten zusammen über die gleichen Dinge, wir teilten unsere Träume von der Zukunft miteinander.

      Einer unserer häufigsten Träume war es, ein großes, verfallenes altes Anwesen auf dem Land zu finden, es herzurichten und irgendwie Geld damit zu verdienen. Ein paar Jahre später, nachdem wir beide unsere Eltern verloren hatten, war genug Geld vorhanden, um ernsthaft über eine Verwirklichung nachzudenken. Nun, um diese noch längere Geschichte abzukürzen, nach einer langen, genussvollen Suche kreuz und quer im ganzen Land - eine herrliche Zeit - fanden wir etwas. Es war ein uraltes Haus, und wenn ich uralt sage, dann meine ich es auch so. Im Keller gab es noch Steine, die aus der Römerzeit stammten, und seither schien so ziemlich in jedem Jahrhundert irgendjemand dem Gebäude etwas hinzugefügt zu haben. Und was dem Ganzen noch zusätzliche Würze gab, das Haus stand in dem wohl dokumentierten Ruf, eines der gruseligsten Spukhäuser Englands zu sein! Und, spukt es wirklich dort, höre ich dich fragen? Darüber erzähle ich dir mehr, wenn/​falls ich dich sehe.

      Wir

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